In zoologischen Museumssammlungen finden sich immer wieder kleine Schätze – das macht sie so wertvoll für die Forschung.
Mit den heutigen Analysemethoden lassen sich den Tieren, die teilweise Jahrhunderte lang in Alkohol und Formalin konserviert wurden, neue Erkenntnisse entlocken. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Naturhistorischen Museums Wien und des hessischen LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG) haben nun die genetischen Daten einer seltenen und vermutlich bereits ausgestorbenen Zitterrochen-Art erhoben. Sie wurde 1897 bis 1898 bei der zweiten Österreichisch-Ungarischen Tiefsee-Expedition im Roten Meer gesammelt, konserviert und beschrieben – seitdem jedoch nie wieder in der Natur beobachtet. Die neuen Ergebnisse bestätigen, dass der Zitterrochen Torpedo suessii eine eigene Art darstellt.
Zitterrochen sind bekannt dafür, ihre Beute mittels eines elektrischen Organs aus umgewandelten Muskeln lähmen zu können. Sogar bei Tauchern führte ihr Elektroschock schon zur Bewusstlosigkeit. Ansonsten gelten Zitterrochen als träge Fische, die langsam schwimmen oder sich im Sand oder Schlamm des Meeresbodens vergraben. Die elf bekannten Arten kommen in gemäßigten und tropischen Meeren vor und unterscheiden sich in Form, Farbe und einer Größe zwischen 15 und 180 Zentimetern.
Benannt nach österreichischem Geologen
Der nun genetisch analysierte Zitterrochen Torpedo suessii, benannt nach dem österreichischen Geologen und Wegbereiter der Wiener Hochquellenwasserleitung Eduard Suess (1831-1914), zählt zu den sehr seltenen Arten. Erstmals beschrieben wurde er vom Wiener Fischkundler und Kurator der Fischsammlung am Naturhistorischen Museum Wien Franz Steindachner (1834-1919) nach einer Expedition ans Rote Meer, die er wissenschaftlich leitete. Die Ende des 19. Jahrhunderts von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften organisierten Forschungsreisen auf der SMS Pola hatten unter anderem die zoologische Erforschung verschiedener Gewässer, auch des östlichen Mittelmeers und der Adria, zum Ziel.
“Giraffen”-Zitterrochen wahrscheinlich ausgestorben
„Für uns stellt dieses Sammlungsstück eine echte Rarität dar, denn für die Art Torpedo suessii sind nur die drei historischen Exemplare in unserer Sammlung bekannt. Seit seiner Entdeckung wurde die Fischart von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nie wieder gesichtet – trotz seines auffälligen Hautmusters, das mit bis zu acht großen dunkelbraunen Flecken mit helleren Umrissen auf einem hellbraunen Hintergrund an die Flecken einer Giraffe erinnert“, berichtet Privatdozentin Dr. Anja Palandačić, Sammlungsmanagerin der Fischsammlung am NHM Wien. „Wir gehen daher davon aus, dass Torpedo suessii ausgestorben ist. Die Ergebnisse unserer Genomanalyse bestätigen, dass er als eigenständige Art innerhalb der Zitterrochen anzusehen ist“, so Palandačić weiter. Sie ist Erstautorin der im Fachjournal „Zoologica Scripta“ veröffentlichten Studie. Diese entstand in Kooperation des Naturhistorischen Museums Wien und den dortigen Zentralen Forschungslaboratorien sowie mit Expertinnen und Experten des bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main angesiedelten LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG), an dem die genomischen Grundlagen der Artenvielfalt anhand unterschiedlichster Organismen erforscht werden.
Wichtige Proben in Museumsbeständen
„Angesichts der zunehmenden Bedrohung der Ökosysteme der Meere und der darin lebenden Fischgemeinschaften aufgrund von Klimawandel und Verschmutzung ist es von entscheidender Bedeutung, die Artenvielfalt der Meere zu inventarisieren, um sie zu schützen. Mit unseren Genomanalysen und den daraus gewonnenen Informationen über Arten wollen wir die biologische Vielfalt auf der Erde besser verstehen und damit zu ihrer Erhaltung beitragen“, so Dr. Carola Greve, Laborleiterin am LOEWE-Zentrum TBG. „Besonders wertvoll für unsere Analysen und spätere Art-Vergleiche sind dabei natürlich seltene Arten oder einmalige Proben wie diejenigen des Torpedo suessii aus Museumsbeständen. Proben zu analysieren, die vor mehr als einhundert Jahren gesammelt wurden und seitdem in den Sammlungen gehütet werden, erfordert große Sorgfalt bei der Laborarbeit und ist ein besonderes Ereignis – vor allem, wenn sich dabei eine eigene Art auch genomisch bestimmen lässt“, resümiert Greve.
-Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung-