Hat da nicht gerade die Rutenspitze gewackelt? Horsts Blick entgeht kein Biss. |
Im Frühjahr und Herbst haben Brandungsangler wie Horst Hennings Hochsaison. Georg Baumann war mit dem Experten am Strand – und hat ihm auf die Finger geschaut.
Das linke Bein steht etwas nach vorne, die Arme sind über dem Kopf durchgedrückt; jetzt verlagert Horst Hennings sein Gewicht nach vorne und zieht in einer flüssigen Bewegung die Rute voll durch. Pfeifend saust die Schnur von der Rolle, und die Montage fliegt in hohem Bogen hinaus aufs Meer. Ein Blick auf die alle 25 Meter unterschiedlich gefärbte Sehne verrät dem Vizeweltmeister im Brandungsangeln die Wurfweite. „Die Köder liegen jetzt ungefähr 90 Meter weit draußen in der zweiten Rinne. Das ist ein Top-Platz“, sagt der Profi.
Gerade im Frühjahr und Herbst sind die Aussichten auf Erfolg besonders gut. Dann peitschen die Stürme übers Meer und spülen Nahrung an. Außerdem ist in dieser Zeit das Wasser auch im Flachen weder zu warm noch zu kalt, so dass die Dorsche sich noch nicht ins Tiefe zurückgezogen haben. Mit Einbruch der Dämmerung kommen sie dicht unter Land, um dort nach aufgewühlten Kleintieren zu suchen. Rinnen zwischen den Sandbänken sind besonders gute Plätze. Um sie zu entdecken, empfiehlt es sich, vor dem Angeln das Meer von einer höher gelegenen Stelle aus genau zu beobachten. Helle Bereiche sprechen für flachen, sandigen Grund, dunkle Abschnitte deuten auf eine größere Tiefe hin. Die erste Rinne verläuft häufig bei 40 Metern, die zweite bei 80.
Das Gerät
Um dort hinzuwerfen, benötigt man neben schweren Bleibatzen gut abgestimmtes Gerät. „Die Rute sollte zwischen 3,90 Meter und 4,20 Meter lang sein und ein Wurfgewicht von 150 bis 200 Gramm haben. Außerdem sind große Ringe wichtig, damit die Schnur reibungslos ablaufen kann“, empfiehlt Horst. Er benutzt eine robuste Stationärrolle mit Weitwurfspule, die mindestens 250 Meter 0,35er Schnur fasst. Eine hohe Übersetzung von 1:5 oder mehr verkürzt das Kontrollieren des Köders ungemein.
Ob man geflochtener oder monofiler Schnur den Vorzug gibt, ist Geschmackssache. Profis setzen häufig auf Geflochtene, da man diese in dünneren Durchmessern verwenden kann und so größere Weiten erzielt. Außerdem überträgt sie wegen der sehr geringen Dehnung die Bisse besser in die Rute. Horst rät Anfängern trotzdem zu 0,35er Monofiler, da sie wesentlich leichter zu enttüddeln ist. Wer noch nicht ganz so viel Übung hat, fabriziert nämlich unweigerlich hin und wieder eine Perücke. Wenn die nicht gelöst werden kann, sind schnell 100 Meter teure Schnur verloren. In jedem Fall müssen aber rund sechs Meter 0,60er Schlagschnur vorgeschaltet werden. Sie sorgt dafür, dass das Blei bei der enormen Belastung nicht abreißt. Alternativ gibt‘s im Handel spezielle monofile Keulenschnüre zu kaufen. Sie verdicken sich konisch nach vorne hin und wechseln außerdem alle 25 Meter die Farbe. So weiß der Angler immer, wo er gerade fischt.
Die Montage
Das Vorfach besteht aus Monofil mit einem Durchmesser von mindestens 0,70 Millimetern. Bei der klassischen Montage zweigen zwei Seitenarme ab, die als Mundschnüre bezeichnet werden. Sie sind rund 30 bis 70 Zentimeter lang, und es ist unbedingt darauf zu achten, dass sie sich nicht im Flug verheddern können. Je stärker der Wind, desto kürzer sollten die Schnüre sein. Wer möchte, kann auch ein so genanntes Impact-Shield verwenden, in das die Haken eingehängt werden. So wird verhindert, dass sich die Mundschnüre beim Wurf drehen und verheddern. Außerdem wird der Luftwiderstand verringert, was höhere Weiten ermöglicht. Beim Aufprall aufs Wasser werden die Haken wieder frei gegeben. Wer solche Vorfächer nicht selber knüpfen möchte, kann sie auch im Laden kaufen. Die Qualität ist inzwischen absolut praxistauglich.
„Wer noch nie mit der Brandungsrute geworfen hat, sollte zunächst nur mit einem Haken fischen“, rät Horst. „Damit erreicht man anfangs größere Weiten, und das Werfen fällt etwas leichter.“
Köder und Taktik
„Am Wattwurm führt kein Weg vorbei“, sagt Horst. „Wir haben alles ausprobiert, aber der fängt mit Abstand am besten.“ Damit möglichst viel Duft ins Wasser kommt, zieht er gleich zwei oder sogar drei Kringler auf. Horst macht dies blitzschnell per Hand. Wer nicht ganz so viel Übung hat, dem hilft eine Ködernadel. Mit ihr ist das Auffädeln kein Problem.
Nach dem Wurf wartet man, bis das Blei den Grund erreicht hat, um dann die Rute steil ins Dreibein zu stellen. Jetzt wird die Schnur gespannt, um sie möglichst weit aus dem Wasser zu halten. Besonders in Strandnähe treibt nämlich häufig Seegras und anderer Unrat auf der Oberfläche, der sich schnell in der Hauptschnur verfängt.
„Ganz falsch ist es, seinen Köder rauszudonnern, um dann einfach zu warten, bis sich ‘was tut“, erklärt Horst. Dann kann es nämlich passieren, dass die Montage mitten auf der Sandbank in nur 40 Zentimeter tiefem Waser liegt – fern von jedem Dorsch. Um das zu vermeiden, wirft Horst zunächst möglichst weit aus. „Dann kurbele ich alle paar Minuten ein paar Meter ein. So suche ich systematisch den ganzen Strandabschnitt ab.“ Bei einem Biss merkt er sich die Distanz und wirft beim nächsten Mal direkt dorthin. „Schon oft habe ich erlebt, dass die Fische keine 30 Meter von der Küste entfernt gebissen haben“, erzählt der Profi lachend. „Viele haben da noch mit lauten Schreien ihre Montagen rauskatapultiert und sich gewundert, warum nichts läuft. Wir waren dagegen mit gemütlichen Schlenzwürfen erfolgreich.“
Bisse verraten sich durch Bewegungen der Rutenspitze. Um auch in der Dunkelheit nichts zu verpassen, steckt man einfach ein Knicklicht an die Gerte. Während Dorsche meist heftig zerren, sind bei Plattfischen und Wittlingen manchmal nur leichte Zupfer zu sehen. Hin und wieder legt sich ein Plattfisch auch einfach hin, nachdem er den Köder genommen hat. Daher sollte die Montage regelmäßig kontrolliert werden. Ein Anhieb ist eigentlich überflüssig, die Fische haken sich in der Regel selbst. Auch von einem Drill kann man nicht wirklich sprechen, denn der Fisch muss möglichst schnell eingekurbelt werden. Durch das relativ hohe Tempo kommt er nach oben und wird sicher über eventuell vorhandene Hindernisse gelotst.
Geräte-Check
Rute: Semiparabolische Brandungsrute zwischen 3,60 und 4,20 Meter Länge und einem Wurfgewicht von 150 bis 200 Gramm, beispielsweise die Seacor Black Star CM von Cormoran.
Rolle: Große Stationärrollen mit einer Übersetzung von 1:5.
Schnur: Entweder Geflochtene mit einem Durchmesser von 0,15 bis 0,20 Millimetern oder 0,35er Monofil. In beiden Fällen sollten zirka sechs Meter 0,60er Schlagschnur vorgeschaltet werden. Dies ist bei einer speziellen Keulenschnur wie der Cortest von Cormoran nicht notwendig.
Zubehör: Fingerschutz für den Auswurf, Kopflampe, eventuell fertige Vorfächer, Fischeimer, Messer, warme Kleidung, Brandungsblei.
Köder: Wattwürmer, notfalls auch Seeringelwürmer.
Waten auf Dorsch
Neben dem klassischen Brandungsangeln auf Dorsch empfiehlt sich im Frühjahr und Herbst auch ein Versuch mit der Spinnrute. Hier das Erfolgsrezept von Horst Hennings:
Ich stapfe in den Morgen- oder Abendstunden mit der Wathose ins möglichst aufgewühlte Wasser der Ostsee. Sehr aussichtsreich sind Plätze mit vorgelagerten Sandbänken und dazwischen verlaufenden Rinnen, in denen die Dorsche nach Nahrung suchen.
Im Gegensatz zum Watangeln auf Meerforellen müssen die Köder wesentlich langsamer geführt werden. Am liebsten verwende ich sinkende Küstenwobbler in 20 bis 30 Gramm, die sich im Zeitlupentempo präsentieren lassen. Man sollte sie zwischendurch immer mal wieder zum Grund durchsacken lassen. Das Gleiche gilt auch für Blinker oder kleine Pilker. Letztere holt man am besten bei schräg nach oben gehaltener Rute durch seitliche Pilkbewegungen ein. Die Blinker und Wobbler bestücke ich meist mit etwas größeren Drillingen als beim Meerforellenfischen. Wichtig: Sie müssen richtig scharf sein! Modelle in Größe 2 sind ideal. Gerade in den Dämmerungsphasen fangen Köder in Rot-Schwarz sehr gut, weil diese Farbkombi für die Fische einen prima Kontrast zur helleren Oberfläche bietet.
Als Ruten kommen etwa drei Meter lange Modelle mit einem Wurfgewicht von rund 20 bis 60 Gramm infrage. Die Rolle sollte unbedingt salzwasserbeständig sein, wie das zum Beispiel bei der Infinity Q von Daiwa oder der Big Boss von Cormoran der Fall ist. Ob monofile oder geflochtene Schnur ist Geschmackssache. Ich bevorzuge jedoch eine 0,26er Monofile. So vermeide ich dank der Dehnung Ausschlitzer und habe bei hindernisreichem Grund einen besseren Schutz vor Abrieb.
Neben Watkescher und -Stock sollten Sie unbedingt auch einen Fischgalgen beziehungsweise -Ring am Mann haben. Denn wenn erst einmal ein Dorsch gebissen hat, steigen in der Regel noch mehr ein. Auf diese Weise braucht man sich nicht nach jedem Fisch an Land zu quälen, sondern kann die Beute direkt im Wasser versorgen und per Band oder Gurt am Ring beziehungsweise Galgen befestigen.