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Wie eine Handvoll Rotaugen meine Ehe rettete

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Stolze Mutter und noch stolzerer Sohn mit einem respektablen Rotauge.

Angeln mit der ganzen Familie ist doch möglich! Felix Schwarte berichtet über einen Frühlings-Angeltag auf einer Sauerland-Talsperre:

Die letzten Angelausflüge waren hart: Meist kam ich ohne Fisch nach Hause. Gut, es war noch kalt im März, April. Aber der erste Aal, ein schöner Barsch oder wenigstens ein paar stramme Rotaugen hätten mir schon gut zu Gesicht gestanden.

Und wenn zu Hause nicht nur die Frau, sondern auch der vierjährige Sohn schon plappert „Papa, nächstes Mal musst Du aber einen Fisch fangen…!“, dann ist die Stimmung ohnehin kurz vorm Kippen. Als dann das Wetter eine Woche vor Ostern so richtig aufdrehte und Temperaturen knapp über 20°C an der Tagesordnung waren, ging es dann mal mit der ganzen Familie los, schließlich sollten Frau und Kinder ruhig mal sehen, wie schwer es sein kann einen Fisch zu fangen.

Aber es sollte natürlich kein diszipliniertes Angeln werden, sondern ein schöner Tagesausflug mit der Familie, nur halt mit der Angel in der Hand – und vielleicht mit der Erkenntnis, wie sich der Papi immer abmühen muss am Wasser…

Viel Aktion auf einem Ruderboot. Zum Glück muss mit der Hegene nicht geworfen werden.

Kurzum: Am Vorabend schnell online die Tageskarte für eine schöne Sauerlandtalsperre gekauft, das Boot vorbereitet und die Angelsachen gepackt. Sollte doch möglich sein, langsam rudernd mit der nachschleifenden Hegene (Details zur Technik siehe unten) irgendeinen Fisch ans Band zu kriegen.

Und so fanden wir vier uns bei Traumwetter und perfekten Bedingungen auf dem See wieder. Zwei ultraleichte Ruten mit 10g Wurfgewicht, butterweichen Spitzen und 18er Monofil lagen draußen, ich beobachtete Wasser und Echolot und ruderte währenddessen das Boot mit ein paar gemächlichen Schlägen die Kanten entlang. Zwischendurch ein Schluck Kaffee und ein Stück Zitronenkuchen, den meine Frau am Vortag noch gebacken hatte, es lief schon mal schlechter.

Dachte ich. Zumindest bis zu diesem besonderen Augenblick. Ein Schwarm taucht auf dem Echolot auf, ich höre automatisch auf zu rudern. Die Montagen sinken ab. Dann rudere ich wieder zwei sanfte Schläge und die Hegenen steigen im Zeitlupentempo auf. Und endlich: Die Rute rechts von mir fängt an zu zucken, verneigt sich etwas und die weich eingestellte Bremse gibt sogar ein paar Zentimeter Schnur frei!

Die Köderführung der kleinen Nymphen hat der Angler oder die Anglerin an den Rudern in der Hand.

Ich drücke meinem Sohn die Rute in die Hand, meine Tochter soll sich schon mal um den Kescher kümmern, meine Frau bekommt den Auftrag, die Szenerie fürs Familienalbum zu filmen. Ein bisschen fühle ich mich wie ein Kapitän auf einer Korvette, aber egal, jetzt muss alles laufen, der Fisch (und damit die Rettung meiner Anglerehre) muss an Bord. Außerdem wäre es mein erster Fisch aus dieser großen, tiefen Talsperre!

Ich helfe meinem Sohn, den Fisch vorsichtig hochzupumpen. Könnte sogar ein Felchen sein! Doch plötzlich erhöht sich der Widerstand, die Rutenspitze neigt sich bedenklich zur Wasseroberfläche und jetzt werden nicht nur ein paar Zentimeter Schnur genommen, sondern der Gegner am anderen Ende der Schnur nimmt richtig Fahrt auf reißt regelrecht die dünne Leine von der Rolle. Das kann nicht mit rechten Dingen zugehen! Verdammt, das wird ein gieriger Überbeisser-Hecht sein! Von diesen Geschichten beim Angeln mit der Hegene hier auf dem See hatte ich schon oft gehört.

Mein Herz pocht wie wild, das Adrenalin war sowieso schon am Anschlag. Ich kann aber noch ein paar Reserven mobilisieren. Doch auf einmal ist der Spuk vorbei. Ich kann es nicht fassen, übernehme die Rute nun ganz und kurbele die viel zu schlaffe Leine hoch. Mittendrin ist die Hegene wie abgeknipst. Abgeknipst von blitzscharfen Hechtzähnen…

Hart erkämpft. Das erste Rotauge liegt im Kescher.

„Sch….!!!“ Ich kann es nicht zurückhalten, das Fluchen. Meine Kinder schauen mich mit enttäuschten Blicken an. Und meine Frau? Lacht! Sie lacht. Wirklich und echt.

Ich muss wohl in diesem Moment ein sehr ernstes, denkwürdiges Gesicht gemacht haben. Vielleicht sah es für einen Nichtangler bzw. Nichtanglerin auch komisch aus. Aber das ist doch kein Grund, einen Angler der gerade einen überlebenswichtigen Fisch verloren hat, auszulachen.

Ich schaue meine Frau an und halte ihr mitten auf dem Wasser, vor den Kindern, eine Standpauke. Nur ganz kurz. Aber meine Fassungslosigkeit ist groß. Dass meine eigene Ehefrau in der für mich so niederschmetternden und schweren Situation über mich lacht, überfordert mich total. So kurz bevor ein kapitaler Hecht die Oberfläche durchbrochen hätte. Einfach unglaublich! Gedanklich liegen gerade die Scheidungspapiere vor mir auf dem Tisch, ich halte den Stift zur Unterschrift schon in der Hand. Fuchsteufelswild bin ich. Wütend, enttäuscht, muss erst mal durchatmen.

Ich knote ein neues kleines Birnenblei an die halbe Hegene und setze mich wieder an die Ruder. Blicke aufs Echolot: Was ist das? Noch immer steht mitten unter uns ein satter Schwarm!

Sofort bin ich wieder im Korvettenkapitänsmodus: „Kinder, Bügel auf und Montagen runter!“ Und es klappt. Zeitgleich zucken und zittern beide Rutenspitzen, die Kinder sind ganz ernst bei der Sache. „Papa, da ist was dran!“ Oh ja, unsere Beute! Zusammen schaffen wir es, die im klaren Wasser blitzenden Fische nach oben zu bringen: Wunderschön gefärbte Rotaugen in richtig guten Größen!

Ich versorge die Fische, da schwebt mir schon ein leckeres Rezept vor Augen. Schnell mache ich die Angeln wieder einsatzbereit, rudere das Boot die paar Meter zurück, die wir vom Schwarm abgetrieben sind und jetzt läuft alles wie alleine. Montage runter, Bügel zu und ganz leicht anheben: Biss! Wir fangen fünf schöne dicke Rotaugen. Alles andere ist wieder vergessen, schlagartig, und wir freuen uns tierisch!

Ich brauche zwar noch ein kleines bisschen Zeit, aber am Ende drücke ich meiner Frau einen dicken Kuss auf die Wange – Dank der Rotaugen ist meine Ehe gerettet!

Bei schönstem Osterwetter erstrahlt Junganglerin samt Fang.

Tipp: Wer neu ist im Metier der Hegenen-Fischerei kann die fertig montierte Rute einfach auslegen und langsam über den See rudern. Ruhig ein bisschen mehr Schnur raus als die Wassertiefe beträgt, da bei diesem ultralangsamen Schleppen die Hegene trotzdem etwas hochkommt. Wasseroberfläche, Umgebung und vor allem Echolot beobachten und sobald ein Schwarm auftaucht, das Rudern einstellen bzw. bei Wind sogar Gegenrudern. Die Montagen sinken jetzt langsam wieder ab und sobald man meint, die Köder sind im oder unterm Schwarm: Ein oder zwei sachte Schläge rudern, die Hegene steigt langsam in Zeitlupe auf. Oft kommt genau jetzt der Biss!

Ich bevorzuge Hegenen mit eher dunklen Nymphen und an manchen Tagen beködere ich diese sogar noch mit einer einzelnen Made. Felchen (bzw. Renken oder Maränen) sind die Hauptbeute, immer wieder beißen aber auch schöne Rotaugen oder sogar Barsche. Das sehr langsame Absuchen der großen Wasserfläche ist effektiv, wenn man im Vorfeld nicht weiß wo die Fische stehen bzw. das Gewässer neu ist.

Das alles ist gut mit der Familie zu machen: Die Frau liest ein Buch, die Kinder bekommen die Rute in die Hand und können ruhig ein wenig damit rumwackeln, das Positionieren der Montagen und die richtige Hebetechnik macht ja der Vater an den Rudern…

Felix Schwarte

Einfach und unkompliziert angeln gehen: https://angeln-im-sauerland.de/aktuell/

Felix Schwarte betreibt eine Angelschule und bietet praktische Angelkurse an seinem Teich und auch einen Vorbereitungskurs zur Fischerprüfung an. Weitere Infos unter www.angelschule-muensterland.de

 

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