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Weltrekord – und doch kein Weltrekord

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Bild: Jürgen Grüneberg
Ulrich Altstetter präsentiert den 245 Kilo schweren Heilbutt auf einem Bootssteg der Insel Senja. Im Hintergrund sein Boot vom Typ „ROCAD 706 SP“, das er per Trailer mit nach Nordnorwegen gebracht hat. Bild: Jürgen Grüneberg

Ulrich Altstetter aus Vöhringen erklärt, warum der Fang eines riesigen Heilbutts von 245 Kilo vor der nordnorwegischen Insel Senja am 29. Juni leider kein offizieller Weltrekord ist.

Notlösung nach Rutenbruch: Nur dank einer drei Meter langen Harpune wird der riesige Heilbutt gelandet. Bild: Jürgen Grüneberg

Hier sein Fangbericht: „Schon im Vorjahr hatten wir weit draußen vor der Insel Senja Kontakt mit einem großen Heilbutt, der Fisch ging aber leider verloren. Entsprechend akribisch hatten die diesjährige Reise vorbereitet: Tidentabelle, Strömungs-Berechnungen, Auswerten der Seekarte, Markierung von vielversprechenden Positionen und Routen in der Plotter-Software, Tabellen für die Wetterprognose, Checken des Angelgeräts… Alles war darauf vorbereitet, auch einem großen Heilbutt Paroli bieten zu können!

Dass uns am 29. Juni, an unserem letzten Angeltag, ein Butt auf die Probe stellen würde, der der größte, je mit Rolle und Rute gefangene Heilbutt werden sollte, damit hatten wir nicht gerechnet…

Reinhard Wührmann aus Delmenhorst ist derjenige im unserem Bluefin-Bootsteam, der immer anderen wünscht, dass sie die ganz großen Fische fangen. Tritt dieser Fall ein, dann steckt er sich seine Pfeife an und genießt die Situation. Da er aber auch ein guter und konsequenter Angler ist, hatte Petrus ihn diesmal für den Fang des Rekordbutts ausgewählt. Anderthalb Stunden führte Reinhard den Fisch an leichtem Gerät in 80 Metern Tiefe, zeitweise war es auch umgekehrt. Er konnte nicht einen einzigen Meter Schnur gewinnen, deshalb motivierten wir unseren Freund, fütterten ihn mit Schokolade und Cola und erklärten ihm: ‚Mach was du willst, aber den Pilker wollen wir wieder haben!‘ Als dann seine 3,20 Meter lange Lieblingsrute, eine Eigenbau-Pilkrute mit etwa 150 Gramm Wurfgewicht, an der Zapfenverbindung krachte, war bei ihm irgendwie die Luft raus. Ich nahm seinen Rutenstummel und versuchte den Fisch am Handteil zu halten. Nach und nach kam der Fisch nach oben und nach einer weiteren Stunde tauchte die abgebrochene Rutenspitze an der Oberfläche auf. Gemeinsam mit meinem weiteren Angel-Kollegen Wolfgang Boric aus Senden konnte ich schon einige große Fische fangen. Wir verstehen uns in solchen Situationen blind und so gelang es im zweiten Versuch, nachdem der Butt noch einmal eine 100-Meter-Flucht hinunter zum Meeresgrund hingelegt hatte, den Fisch am Boot festzumachen und zu kehlen. Mein Angelkumpel Nummer 3 aus dem Bluefin-Team, Jürgen Grüneberg aus Delmenhorst, hat die Momente des Drills und die Szenen danach am Steg mit einer Spiegelreflexkamera festgehalten.

Ein großer Heilbutt ist immer ein Teamfisch!

Nachdem wir den Fisch zu viert an einem dicken Seil über eine Rutsche auf den Steg gezerrt und wir ihn über zwei Stunden lang zu unserer Fjordhütte geschleppt hatten, wurde uns klar: Das ist ein Rekordfisch, dem Gewicht nach vermutlich sogar Weltrekord! Aber nach den Regeln der IGFA (International Fish and Game Association) kann der Heilbutt nicht als Weltrekord anerkannt werden, weil wir als Landungshilfe eine Harpune einsetzen mussten. Der Butt blieb einfach 2,5 Meter unter dem Boot stehen. Er war an der 23er Geflochtenen mit 15 Kilo Tragkraft und wegen der im Drill gebrochenen Rute einfach nicht näher ans Boot zu bringen. So war er außer Reichweite für die Schwanzschlinge und das Flying-Gaff, aber mit der drei Meter langen Harpune gerade noch erreichbar.

Für uns ist es ein Weltrekord! Die meisten großen Heilbutte werden mit Hilfe ortskundiger und erfahrener Skipper gefangen und oft wird zur Landung Hilfe angefordert. Der Fisch muss dann nicht zwingend harpuniert werden. Die Regeln der IGFA haben also durchaus Sinn und Berechtigung. Unser Fisch ist zumindest in einigen Rekordlisten auf Platz 1 zu finden und darauf sind wir stolz.

Gefährlicher Gegner

Neben diesem sieben Kilo schweren „Regenschirm“ sehen die Schwanzflossen andere guter Heilbutte nur noch kümmerlich aus. Bild: Jürgen Grüneberg

Am Boot und bei der Landung entfaltet ein großer Heilbutt unglaubliche Kräfte. Unser Butt hätte ein kleineres Boot durchaus zum Kentern bringen können. Also Vorsicht beim Gaffen und Vorsicht bei der Landung! Als wir vor zehn Jahren in Alaska mit einem ortskundigen Skipper auf Heilbutt angelten, konnten wir miterleben, wie ein kräftiger Amerikaner in einem benachbarten Boot einen ’nur‘ 75 Kilo schweren Heilbutt alleine kaum bändigen und ins Boot bringen konnte. Zwei Stunden später konnten wir selbst zwei Butte mit 70 und 40 Kilo fangen. Im Team war die Landung kein Problem. Wir haben für die Landung eines großen Fisches klare Rollen und Abläufe im Boot festgelegt.

Kann man so einen riesigen Heilbutt noch essen? Ja! Schmeckt super, hätten wir auch nicht gedacht! Wir sind weder Kochtopffischer noch Trophäenangler. Wir haben einige Filets mit nach Hause genommen und den überwiegenden Rest anderen Anglern und Norwegern geschenkt. Den Fisch hätten wir sowieso nicht präparieren lassen können. Dazu hätten wir das ‚Teil‘ mit 2,55 Metern Länge und 1,40 Metern Breite der Länge nach auf unseren Bootstrailer schnallen müssen. Eines konnten wir uns aber nicht verkneifen: Vor unserer Fjordhütte steht ein Strommast. Wir nennen ihn ‚Marterpfahl‘. Dort haben Angler vor uns die Schwänze ihrer gefangenen Heilbutte angenagelt. Dort mussten wir unseren über sieben Kilo schweren ‚Regenschirm‘ ebenfalls verewigen.“

Ulrich Altstetter

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