Mario Caruso aus Hofheim haut so leicht nichts um. Das hat der 185 Zentimeter messende, ehemalige Amateurboxer in zahlreichen Kämpfen bewiesen. Und auch im Rhein hat er schon etliche große Welse bezwungen. Doch in den Morgenstunden des 7. März 1998 ging der Fliesenleger in sein bislang schwerstes Gefecht. Von Mario Caruso
2,37 Meter lang und 170 Pfund schwer ist der Rekord-Waller von 1998.
Der Schauplatz des Geschehens: ein Buhnenkopf bei Großrohrheim, einige Kilometer unterhalb des Kraftwerks Biblis. Am Abend des 6. März betritt der Experte seine Bühne. Hier hat Mario schon viele Waller überlisten können, denn das Buhnenfeld ist ein wenig tiefer als andere. Und im Loch hinter dem Buhnenkopf lauern gern die dicken Räuber. Mario steckt seine Rute zusammen und ein Aalstück auf einen 10/0er Einzelhaken. Er wirft aus, dann wird es dunkel.
Der Waller-Spezi fischt aktiv, lässt die Montage flussabwärts treiben und zupft den Köder wieder heran. In der ersten Nachthälfte tut sich überhaupt nichts. Dann ein zaghaftes Zerren, aber kein entschlossener Biss. Doch das macht Mut. Wieder und wieder führt Mario das Aalstück durch das Wasser. Und endlich – genau im ausgespülten Loch – kommt der ersehnte Biss. Mario schlägt sofort an und steht wie seine Rute unter Vollspannung.
Er weiß: Das ist ein Guter. Ganz langsam setzt sich die „bärtige Lokomotive“ dort unten in Gang. Das machen nur die großen, die kleineren erkennt man an hektischen Schlägen. Der Riese zieht flussabwärts und legt dann eine Pause ein. Stoisch steht er am Grund, um neue Kraft zu sammeln. Mario schließt die Rollenbremse und zieht mit aller Kraft, fast droht die Rute zu zerbrechen. Doch das Manöver macht Eindruck auf den Wels: Er setzt sich langsam wieder in Bewegung.
Wettlauf mit dem Waller
Das Ganze wiederholt sich mehrfach, das Geschehen verlagert sich immer weiter flussabwärts. Urplötzlich legt der Räuber jedoch einen Zahn zu und versucht, mit Hilfe der Strömung, den nächsten Buhnenkopf zu erreichen. Mit aller Macht hält Mario dagegen – aussichtslos.
Mario erkennt seine letzte Chance: Er wetzt am Ufer entlang und dann auf die andere Buhne. Und tatsächlich kommt Mario mit klopfendem Herzen und gebogener Rute etwa zeitgleich mit dem Giganten am Buhnenkopf an. Sekt oder Selters heißt die Devise: Entweder schafft Mario es, den Waller in das schwach strömende Wasser zu bugsieren und dort auszudrillen, oder der Fisch flüchtet auf Nimmerwiedersehen in die Hauptströmung.
Doch der Wels durchkreuzt den Plan. Er dreht urplötzlich und schwimmt nun flussaufwärts. Also klettert Mario dem Fisch aufs neue nach und versucht, ihn von der Buhnensohle aus ins Seichte zu dirigieren. Der Räuber bockt und legt sich immer wieder auf den Grund, dann rührt sich nichts mehr. Mario verstärkt den Druck, der Riese setzt sich abermals in Bewegung.
Mit den Kräften am Ende
Das geht ungefähr eine Stunde so, der Waller zieht jetzt kreuz und quer durch das Buhnenfeld und versucht zum wiederholten Mal, in den Strom hinaus zu schwimmen. Mario hält voll dagegen, und holt das Letzte aus sich und dem Gerät heraus. Gott sei Dank: Rute und Montage halten trotz gewaltiger Zugkräfte.
Nach weiteren 20 Minuten kämpft der Waller im Uferbereich. Er ist nun auch am Ende seiner Kräfte. Beim ersten Versuch, ihn mit dem Wallergriff aus dem Wasser zu ziehen, schaudert Mario angesichts der Ausmaße: Der Unterkiefer ist zu groß. Zitternd vor Aufregung und Anstrengung versucht er, den Fisch mit beiden Händen weiter an Land zu ziehen, doch ganz bringt er ihn nicht heraus. Zwei Angelfreunde werden mit dem Handy zu Hilfe gerufen und sind kurze Zeit später vor Ort. Der Morgen graut bereits.
Der Fisch wird mit Hilfe der Freunde im fahlen Morgenlicht gemessen, gewogen und fotografiert. Der Zeiger der Waymaster-Waage bleibt bei satten 85 Kilogramm stehen, der Räuber mit unglaubliche 2,37 Meter in der Länge – deutscher Rekord und ein historischer Augenblick.
Fakten zum Jahrhundertfang
Waller-Kalle, unser Experte vor Ort, interviewte Mario Caruso.
W.-K.: Mario, mit welcher Montage und welchem Gerät konntest Du den Riesenwaller überlisten?
Mario: In letzter Zeit bin ich sehr erfolgreich mit Aalstücken an einer einfachen Posenmontage. Ich fische eine Mitchell Giant Fish mit einer Länge von 3,10 Metern und eine 80er Orca Stationärrolle. Als Hauptschnur benutzte ich eine 0,50 Millimeter grüne Fireline.
W.-K.: Was mich persönlich sehr interessiert, hatte der Rekordwaller spezielle Merkmale?
Mario: Eine Bartel ist gegabelt, die rechte Brustflosse verkrüppelt. Daran kann man den Fisch jederzeit wiedererkennen.
W.-K.: Glaubst Du, dass es noch schwerere Fische im Rhein gibt?
Mario: Ja, einige Tage zuvor blieb ich nur zweiter Sieger. Dieser Drill hat sogar noch eine halbe Stunde länger gedauert, und der Riese zeigte noch keinerlei Ermüdung.
W.-K.: Glaubst Du, es war der gleiche Fisch?
Mario: Zuerst habe ich auch daran gedacht, deshalb habe ich den Rekordwaller genau untersucht, aber er hatte nirgendwo den Einstich eines Hakens.
W.-K.: Könnte dieser verlorene Wels noch größer gewesen sein?
Mario: Im Rhein schwimmen sicherlich 100 Kilogramm schwere Waller. Allerdings sind die Brocken nur äußerst schwer zu überlisten. Das Locken mit dem Wallerholz bringt hier nämlich fast nichts. Wahrscheinlich wegen der starken Schiffahrt.
W.-K.: Warum fischst Du gerade hier in den Großrohrheimer Buhnen so oft auf Waller?
Mario: Hier gibt es ein paar tiefere Buhnen, und diese werden noch allesamt von der Warmwasserfahne des Kraftwerks in Biblis erreicht. Das Wasser ist hier zwar nicht mehr ganz so warm, dafür aber weiter verteilt. So kriegen die Welse nicht mit jedem Schiff eine Ladung kaltes Wasser über den Rücken gespült – was sie nicht mögen. Die Buhnen weiter flußaufwärts sind zu flach für die ganz Großen.
W.-K.: Ähnliche Erfahrungen habe ich auch bei uns am Neckar gemacht. Dort fängt man die Kapitalen auch weiter vom Kraftwerk entfernt. Mario, was denkst Du, wie alt war der Rekordwaller?
Mario: Ich habe vor 26 Jahren einen 36pfünder gefangen und könnte mir vorstellen, dass der 170-pfünder in etwa aus der gleichen Generation stammt – also etwa um die 30 Jahre alt ist. Doch der 36pfünder muß ja auch einen Papi und eine Mami gehabt haben. Allerdings sind solche alten Fische nicht gerade zahlreich und bleiben deshalb die absolute Ausnahme.
W.-K.: Du sagtest, dass Du erst in letzter Zeit mit Aalstücken im Rhein auf Waller fischst. Mit welchen Methoden warst Du früher erfolgreich?
Mario: Ganz am Anfang mit Grundmontagen und einem Tauwurmbündel. In den letzten Jahren mit Gummifischen der Größe 16 und 20 Zentimeter. Die Gewichte der Köpfe muß man der Angeltiefe und der Strömung anpassen. Aber ich habe auch schon mit schweren Löffelblinkern gefangen. Meistens fische ich dann einen 60-70 Gramm schweren Eigenbaublinker eines Freundes. Beide Methoden wende ich ebenfalls in den Buhnenfeldern an.
W.-K.: Sicherlich werden einige Leser nach diesem Bericht einen Abstecher an den Rhein einplanen. Aber hat ein Gastangler hier überhaupt Chancen?
Mario: Nur derjenige, der hartnäckig am Ball bleibt, wird seine Chance bekommen. Man sollte es in jedem Fall von einem Buhnenkopf aus, in einem besonders tiefen Buhnenfeld mit möglichst vielen Hindernissen und unregelmäßiger Bodenstruktur versuchen. Weiterhin sollte ein Gastangler unbedingt die Bestimmungen, die auf einem Beiblatt zusammen mit dem Erlaubsnisschein ausgegebenen werden, beachten. Die Kontrollen sind bei uns gerade wegen des AKW Biblis extrem streng, und die Polizei kontrolliert fast stündlich im Kraftwerksbereich. Einige der Buhnen wurden am Anfang des Jahres auch zum Naturschutzgebiet erklärt und für die Fischerei gesperrt.
Info: Erlaubnisscheine sind erhältlich bei: Angelsport Ofenloch, Die Lächner15, 68642 Bürstadt, Tel. 06206/963278, Fax 06206/963277. Ab Mai auch per Internet: www.Angelsport-Ofenloch.com. (Stand 1998)
Hier, wie auch über den hiesigen Radiosender, kann und sollte man sich unbedingt über den Wasserpegel informieren. Wenn das Wasser nämlich um zirka zwei Meter höher steht als normal, ist ein Rheintrip aussichtslos.