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Vermisste Schlängler: Aalarme Nächte an der Donau

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Das „Fehlen“ von Aalen in der Donau fiel Fischkundlern schon im 16. Jahrhundert auf, doch hatten sie keine Erklärung dafür. Bilder: M. Bötefür
Das „Fehlen“ von Aalen in der Donau fiel Fischkundlern schon im 16. Jahrhundert auf, doch hatten sie keine Erklärung dafür. Bilder: M. Bötefür

Für manche von uns beginnen nun die Aalnächte. Wer sich an die Ufer der Donau setzt, wird jedoch eher einen Waller als einen dieser Schlängler erwischen. Doch warum ist das so?

„Die Donau steht durch den Main-Donaukanal mit dem Rhein, durch den Moldau-Donaukanal mit der Elbe, und somit mit der Nordsee in Verbindung; aber, obwohl es in allen diesen Gewässern reichlich Aale gibt, erfolgt keine Einbürgerung von Aalen in der Donau. Warum?“ diese Frage stellte der Ingenieur und Hobby-Fischkundler Adolf Lohr im Dezember 1900 den Lesern einer wissenschaftlichen Zeitschrift und beantwortete sie kurzerhand gleich selbst: „Weil die Aale, wenn solche auf irgend eine Weise in die Donau gelangen, sobald sie nahezu geschlechtsreif sind, ins Schwarze Meer auswandern und dort zu Grunde gehen, somit keine Nachkommenschaft erzeugen können, die übrigens selbst auch zu Grunde gehen müsste. Es fehlt also der natürliche Nachschub an Jungaalen, wie er im Gebiete aller anderen Meere in die süßen Wässer einwandert und sie immer wieder neu bevölkert.“ Diese Zeilen waren keineswegs einem Spleen Lohrs entsprungen, sondern eine Reaktion auf den sich um die Jahrhundertwende verstärkenden Trend, die damals noch schöne blaue Donau mit Aalen zu besetzen. Heute wissen wir, dass unsere einheimischen Aale sich nur in der Sargassosee im Atlantik fortpflanzen können.

Böllerschüsse zur Begrüßung

Adolf Lohrs Bedenken glaubten die Aalaussetzer mit einfachen Argumenten von der Hand zu weisen, schließlich waren die Fische in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Donau nicht völlig unbekannt, denn in den österreichischen Abschnitt des Flusses waren zu sie aus den damals frisch gegrabenen Kanälen zugewandert, was zu der Hoffnung Anlass gab, sie mittels menschlichen Dazutuns über den ganzen Strom zu verbreiten. Lohr hielt entgegen, dass: „die Aale zu ihrer Fortpflanzung sich ins Meer begeben und zwar in Tiefen von wenigstens 500 m, und dass das Schwarze Meer in dieser Tiefe durch Schwefelwasserstoff vergiftet ist, so erklärt sich daraus unschwer, warum wir in der Donau keine Aale haben, und warum alle Versuche, Aale hier einzubürgern, fehlschlagen müssen.“ Seine Expertise kam ohnehin 19 Jahre zu spät, denn schon im Frühjahr 1881 hatten sich die Stimmen derjenigen durchgesetzt, die Schlängler in der Donau schwimmen sehen wollten. Und so wurden insgesamt 52.000 Jungfische in Frankreich eingekauft und zu gleichen Teilen in den Strom und seine Nebenflüsse auf den Gebieten der Königreiche Bayern und Württemberg ausgesetzt. Über die Ankunft von zwölftausend Jungaalen, die am 11. Mai 1881 bei Ulm in die Donau gesetzt wurden, heiß es damals in einem Zeitschriftenartikel: „An den nöthigen Empfangsfeierlichkeiten hat es den jungen Ausländern (die Aale stammen bekanntlich aus Westfrankreich) nicht gefehlt, denn selbst mit Böllerschüssen wurden dieselben begrüßt.“ Grund zur Vorfreude bestand allemal, denn Aale galten im 19. und frühen 20. Jahrhundert als sehr beliebte Sport- und Speisefische, was vor allem daran lag, dass man gefangene Exemplare lange hältern und unbeschadet über weite Strecken transportieren konnte. Ob die Sehnsucht nach den Schlänglern außerhalb Deutschlands von den Fischern und Angeln der anderen Donau-Anrainerstaaten geteilt wurde, bleibt sowohl im Dunkel der Geschichte als auch in den Tiefen der blauen Donau verborgen. Heute sind sie dort – wie leider andernorts aus anderen Ursachen – wieder Mangelware. Markus Bötefür

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts versuchten Wissenschaftler die vielen Rätsel rund um den Aal zu lösen.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts versuchten Wissenschaftler die vielen Rätsel rund um den Aal zu lösen.
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