Die neue, von der EU mit vier Millionen Euro finanzierte Forschungsinitiative „ProtectFish“ wird die Rolle des Kormorans (Phalacrocorax carbo) bei der Verschlechterung der Bestände geschützter Süßwasserfischarten beleuchten.
Das Projekt nimmt speziell die Populationen der Äsche in den Fokus. Zum Start des Projekts trafen sich erstmalig die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie die Mitglieder des Projektbeirates am 22. und 23. August 2024 an der Universität Koblenz.
Beteiligt sind die dänische Tekniske Universitet als Koordinator sowie die Partner-Universität Koblenz, die dänische Aarhus Universitet, die österreichische Universität für Bodenkultur Wien, das tschechische Biologicke Centrum Akademie, die schwedische Lantbruksuniversitet, das Consiglio Nazionale delle Ricerche in Italien, das Brüsseler Politikberatungsunternehmen AliénorEU sowie das polnische Instytut Rybactwa Srodladowego im Stanistawa.
Auf dem Kick-off Meeting wurde der Start der gemeinsamen Forschungsarbeiten geplant, inhaltliche Fragen diskutiert, erste Probleme gelöst und Wege entwickelt, die zukünftigen Ergebnisse zu kommunizieren.
Auswirkungen des Kormorans werden erforscht
In diesem Projekt soll europaweit Daten gesammelt, analysiert und Interessierten zur Verfügung gestellt werden. Themen sind der Erhaltungszustand des Kormoranbestands, seine Nahrungsökologie und Mobilität. Weitere Schwerpunkte sind der Bestand bedrohter Fischarten, Erfassungsmethoden und Erhaltungszustand. Erforscht werden soll auch die Auswirkung der Kormoranprädation auf den ökologischen Zustand von Fließgewässern und die Notwendigkeit des Schutzes von Fischbeständen vor fischfressenden Vögeln. Schließlich will das Projektteam Möglichkeiten zum Kormoranmanagement, deren Wirksamkeit, Aufwand und Kompromissfähigkeit beleuchten.
Mit dem Vertreter der Europäischen Kommission, Dr. Frank Vassen, wurde im Rahmen des Meetings abgestimmt, dass das Projektteam Daten zum Fischbestand und zur Besiedlung der Gewässersohlen mit wirbellosen tierischen Organismen abrufen darf.
Forschungsarbeiten starten im Herbst
Drei der vier projektbezogenen Promotionsstellen wurden bereits besetzt. Die Detailplanungen der Arbeiten konnten abgeschlossen und vom Projektteam genehmigt werden. Die Feldarbeiten werden zumindest in vier der beteiligten Institutionen, auch an der Universität Koblenz, bereits im September bzw. Oktober dieses Jahres starten. Zuerst werden die Äschenbestände in den Experimentalstrecken erfasst.
Daneben will das Projekt-Team die Kommunikation zwischen den Interessengruppen verbessern sowie politische Entscheidungsträger und Gewässermanager informieren. Dr. Carola Winkelmann, Projektverantwortliche an der Universität Koblenz, freut sich: „Die Förderung dieses internationalen Projektes durch die EU ermöglicht uns Forschungsarbeiten, deren Ergebnisse hoffentlich direkt in die politischen Entscheidungen auf EU-Ebene, aber auch in Rheinland-Pfalz einfließen.“
Erste Ergebnisse werden im nächsten Jahr erwartet. Die experimentellen und großskaligen Studien können allerdings erst gegen Ende des Projektes ausgewertet werden. Der Leiter des Projektes, Dr. Niels Jepsen von der Danmarks Tekniske Universitet betont, dass das Team in enger Zusammenarbeit mit den relevanten Stakeholdern und hunderten Freiwilligen Empfehlungen an Politiker zum Fischschutz entwickeln und das Management der bedrohten Fischarten stark verbessern will. Das Projekt wird von August 2024 bis Juli 2028 laufen.
Großer Fraßdruck durch Vögel
Mittlerweile stehen in Deutschland über 50 Prozent der Fischarten auf der Roten Liste. Die Gründe für die immer geringeren Fischbestände sind sehr vielfältig, aber der Raubdruck auf Fische durch Vögel wird nach Auffassung des Projektteams nicht ausreichend adressiert. Erste Untersuchungen legen nahe, dass die Bestandsrückgänge für einige Fischarten durch fischfressende Vögel, wie zum Beispiel den Kormoran, verursacht sein könnten. Eine dieser empfindlichen Fischarten ist die Europäische Äsche. Diese Art war auch in Rheinland-Pfalz verbreiten und zeigten in Flüssen wie Ahr oder Kyll sehr hohe Bestandsdichten. Seit etwa 20 Jahren gehen die Bestände drastisch zurück, an vielen Stellen sind nur noch einzelne Exemplare nachweisbar. Auf der anderen Seite ist der Kormoran ebenfalls eine geschützte Tierart, die schon in den 1970iger und 1980iger Jahren extrem niedrige Bestände aufwies.
Aktuell existiert daher ein starker Konflikt im Artenschutz zur Frage, ob Kormoranbestände zugunsten des Fischschutzes, vor allem auch der Äsche, reguliert werden sollten. Dieser Konflikt führt zu emotional aufgeladenen Diskussionen und zur Blockade sinnvoller Artenschutzmaßnahmen.