Erfolg der Wiederansiedlung durch Angler: Kapitale männliche Meerforelle aus der Fintau, Landkreis Rotenburg. Bild: R. Gerken/LSFV Nds. e.V. |
„Deutschlands Angelprofessor“, Prof. Dr. Robert Arlinghaus, und weitere Top-Referenten diskutierten am 19. September 2015, in Hamersen (Niedersachsen) über effiziente Schutzmaßnahmen für bedrohte Fischarten.
„90 Prozent aller Fischarten in Deutschlands Fließgewässern sind bedroht. Um sie zu schützen, müssen ihre Lebensräume mit aller Konsequenz wieder lebenswert gestaltet werden.“ So brachte Prof. Dr. Robert Arlinghaus vom renommierten Leibniz Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin das auf den Punkt, was mehr als 150 Angler, Wissenschaftler und Naturfreunde in Hamersen bei Sittensen zusammengebracht hatte: den Austausch über wirksame Schutzkonzepte für bedrohte Fischarten.
Eingeladen hatte die AFGN, die Arbeitsgemeinschaft für Fischarten- und Gewässerschutz Norddeutschland, ein Zusammenschluss aller norddeutschen Angelverbände. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse umzuwandeln in Empfehlungen für die Praxis der Fisch- und Gewässerschützer an norddeutschen Bächen, Flüssen und Seen, das betrachtet die AFGN als eine ihrer Hauptaufgaben. Die Tagung stand in diesem Jahr unter dem Titel: „Salmonidenbesatz: Aktivitäten, Strategien und Alternativen.“ Ausrichter war der Landessportfischerverband Niedersachsen e.V., der größte niedersächsische Naturschutzverband.
Top Referenten bei der AFGN
Vier hochkarätige Referenten präsentierten Ergebnisse laufender und aktuell abgeschlossener Forschungs- und Naturschutzprojekte und stellten Lösungsansätze für einen modernen und nachhaltigen Fischschutz vor:
- Prof. Dr. Robert Arlinghaus, Leibniz Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Berlin
- Dr. Reinhard Altmüller, Landschafts- und Gewässerpflegeverband Südheide, Lachendorf
- Dr. Jan Baer, Fischereiforschungsstelle Langenargen / Baden Württemberg und
- Dr. Christoph Petereit, Geomar Helmholtz Zentrum in Kiel.
Fazit: Fließgewässer müssen durchgängig werden, Fließgewässer müssen renaturiert werden!
Um zu überleben, müssen Salmoniden, also lachsartige Fische, wie Lachs, Meer- und Bachforelle sowie die stark bedrohte Äsche geeignete Laichplätze in den Oberläufen von Flüssen und Bächen erreichen können. Darin waren sich alle Referenten einig. Trotz strenger Vorgaben der EU für die Wiederherstellung des guten ökologischen Zustandes der Fließgewässer, behinderten aber immer noch Tausende von Stauwehren und Wasserkraftanlagen die natürlichen Wanderungen der Fische. Vielerorts erreichten sie nach Auskunft der Experten ihre Laichplätze gar nicht mehr.
Eindrucksvoll erläuterte Dr. Reinhard Altmüller das „Naturschutzgroßprojekt Lutter“ und wie im Zuge der erfolgreichen Rettung der nahezu ausgestorbenen Flussperlmuschel auch die Häufigkeit von Elritzen, Mühlkoppen und Bachforellen erheblich zunahm.
Dr. Jan Baer forderte die Angler auf, sich noch mehr als bisher bei den zuständigen Behörden und Unterhaltungsverbänden dafür stark zu machen, dass Wehre geschleift und funktionsfähige Fischtreppen errichtet würden. Gute Beispiele dafür gebe es hier in der Region an der Oste oder der Wümme. Die natürliche Reproduktion sei der Schlüssel zu einem gesunden Fischbestand.
Dr. Christoph Petereit knüpfte daran an und empfahl den Angelvereinen, bei ihren Kontrollbefischungen die unscheinbaren kleinen Gräben nicht zu vergessen. Mitunter könnten darin enorme Jungfischzahlen nachgewiesen werden. Zumal solche Kleinstgewässer in den allermeisten Fällen keinerlei Schutzstatus genießen. Das müsse sich dringend ändern.
Prof. Dr. Robert Arlinghaus stellte die Ergebnisse eines mehrjährigen Forschungsprojektes zum Für und Wider von Fischbesatz vor. Der sei kein Allheilmittel, betonte „Deutschlands Angelprofessor“, sondern müsse möglichst optimal auf Fischart und Gewässer abgestimmt werden.
Salmonidenschutz vor Ort
Peter Wessendorf vom SFV Sittensen hielt eines von drei Kurzreferaten. Seit mehreren Jahrzehnten fangen er und seine Angelkollegen im Frühwinter Meerforellen und Lachse im Flusssystem der Oste. In der vereinseigenen Brutanlage werden mittels künstlicher Befruchtung robuste Jungfische herangezogen, die an das Gewässer ihrer Elterntiere angepasst sind – bislang mit gutem Erfolg. Seit einigen Jahren beobachtet der Naturschützer, dass es sich bei bis zu 50 Prozent der gefangenen Lachse um Farmlachse handelt. Diese aus Zuchtanlagen entkommenen Fische seien schlecht oder gar nicht angepasst an Gewässer wie die Oste und produzierten erheblich weniger und qualitativ schlechte Eier. Innerhalb weniger Jahre könnten durch ihren Einfluss die mühsam erkämpften Erfolge bei der Wiederansiedlung zunichte gemacht werden.
Über das Aller-Projekt der Aktion Fischotterschutz berichtete Katrin Wolf. Nach umfangreichen Renaturierungsmaßnahmen habe sich die Artenvielfalt in den Projektgebieten entlang des Flusses in wenigen Jahren enorm positiv entwickelt.
Stefan Ludwig von „Wanderfische ohne Grenzen e.V.“ stellte in seinem Beitrag die Bemühungen des Vereins vor, die vielen Schutzprojekte zum Erhalt und der Wiederansiedlung des Lachses in Deutschland unter einem schlagkräftigen Dach zu vereinen. So soll wirksamer als bisher Einfluss genommen werden auf Entscheidungsträger und Mittelgeber, um den Lachs langfristig in Deutschland zu etablieren.
Arbeitsgemeinschaft Fischarten- und Gewässerschutz in Norddeutschland
Die AFGN (gegründet 1987) versteht sich als Plattform für den Erfahrungsaustausch über Themen der Gewässerentwicklung und der Wiederansiedlung von bedrohten Fischen, speziell von Salmoniden, also lachsartigen Fischen wie Lachs, Meer- und Bachforelle und Äsche.
Acht norddeutsche Landesfischereiverbände (ca. 350.000 organisierte Angler) bringen ihre Expertise und Erfahrungen im Rahmen von Tagungen und Workshops ein. Referenten aus ganz Deutschland, aber auch aus Dänemark, Schweden, Polen, Island und Holland ergänzen den einmaligen Wissenspool mit ihrer Kompetenz. Teilnehmer der AFGN-Veranstaltungen sind Vertreter der Fischereiverbände, von Unterhaltungsverbänden, Behörden, Städten und Gemeinden, Planungsbüros, von anderen Naturschutzorganisationen und aus der Wissenschaft, aber auch zahlreiche Naturinteressierte aus ganz Norddeutschland. Erklärtes Ziel der Naturschützer: die gewonnenen Erfahrungen in der Praxis einsetzen, um das Überleben bedrohter Fischarten und ihrer Lebensräume nachhaltig zu sichern. Mehr Infos unter: www.afgn.info
Landessportfischerverband Niedersachsen
Der Landessportfischerverband Niedersachsen e.V. (LSFV) ist mit fast 88.000 Mitgliedern der größte anerkannte Naturschutzverband und der größte Fischereiverband in Niedersachsen. Im LSFV wenden Angler aus den 330 angeschlossenen Vereinen jedes Jahr zehntausende Stunden für ehrenamtliche Natur- und Artenschutzmaßnahmen an Gewässern auf.
Von der Wiedereinbürgerung von bedrohten Arten wie Lachs und Meerforelle, über das Monitoring von Fischen und anderen Wasserlebewesen, bis zu regelmäßigen Müllsammel- und Pflanzaktionen, tragen die organisierten Angler dazu bei, Gewässer und ufernahe Lebensräume zu erhalten und durch gezielte Naturschutzprojekte nachhaltig zu fördern. Davon profitieren nicht nur Fische, sondern auch viele andere Tier- und Pflanzenarten und nicht zuletzt alle Menschen, die Flüsse und Seen in Niedersachsen zur Erholung und zum Naturerleben aufsuchen. Mehr Infos unter: www.lsfv-nds.de
-pm-