Aufgrund der Ausrichtung der Küstenlinie und vorherrschenden Richtungen von Wind und Strömungen gelangt nur wenig Müll vom Meer aus an Schleswig-Holsteins Ostseestrände. Vielmehr ist die Verschmutzung eine Folge der Strandnutzung.
Die Belastung mit kleinsten Partikeln, dem Mikroplastik, ist dabei moderat, und es konnte kein direkter Zusammenhang zwischen der Menge Mikroplastik und der Verschmutzung mit Strandmüll festgestellt werden. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des GEOMAR und der Kieler Forschungswerkstatt.
Der meiste Müll stammt von Strandbesuchern
Müll an Schleswig-Holsteins Stränden ist Einheimischen wie Gästen ein Dorn im Auge. Eine Untersuchung im Rahmen des Forschungsverbunds Future Ocean an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) zeigt: Der größte Teil des Mülls stammt direkt aus der Strandnutzung und wird nicht aus dem Meer an die Strände gespült. Damit ist diese Verschmutzung leicht vermeidbar. Interessanterweise fand sich kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Dichte an Mikroplastik im Sediment und der Menge an sichtbaren größeren Müll-Teilen. Für ihre Analyse untersuchten die Fachleute des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und der Kieler Forschungswerkstatt, einer gemeinsamen Einrichtung der CAU und des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN), im Frühjahr und im Herbst 2018 zehn Strände entlang der schleswig-holsteinischen Ostsee. Mit ihrer Veröffentlichung im Fachmagazin Marine Pollution Bulletin legten die Forschenden jetzt die erste kombinierte systematische Untersuchung zu Müll im Mikro- und Makrospektrum an Schleswig-Holsteins Ostseestränden vor.
Viele Zigarettenkippen
„Mikroplastik und größerer Müll an Stränden sind ein bekanntes Problem – und wir können ganz einfach etwas dagegen unternehmen“, erklärt Dr. Mark Lenz. Der Meeresbiologe am GEOMAR ist Leiter der Untersuchung und Erst-Autor der Publikation. „Unsere Daten zeigen den Zusammenhang zwischen Strandnutzung und Verschmutzung überraschend deutlich: Im Herbst, zum Ende der Saison, sind die Strände doppelt so verschmutzt wie im Frühling. An Orten, in denen die Strände regelmäßig gereinigt wurden, war die Steigerung geringer als an denen ohne. Zudem waren im Herbst deutlich mehr Papier, Pappe und vor allem Zigarettenkippen zu finden als zu Beginn der Saison. Die schleswig-holsteinischen Strände wären also deutlich sauberer und die Küstenökosysteme gesünder, wenn alle ihren Müll am Ende eines Strandbesuches entsorgen.“
Systematisch Müll gesammelt
Die Auswertungen an den Stränden von Holnis, Falshöft, Boknis, Schwedeneck, Schönberg, Hohwacht, Flügge, Staberhuk, Kellenhusen und Travemünde folgten dem einheitlichen Protokoll zur Erfassung von Makro-Müll des Übereinkommens zum Schutz der Meeresumwelt des Nordost-Atlantiks (Oslo-Paris Konvention, OSPAR): Drei Personen sammelten systematisch alle Müll-Teile größer als 2,5 Zentimeter entlang einer 100 Meter langen Strecke parallel zum Flutsaum auf und ordneten diese einer vorgegebenen Kategorie zu. Nach dem Trocknen wurde das Gesamtgewicht der Funde erfasst. Zusätzlich entnahmen die Forschenden Sediment-Proben, extrahierten die darin enthaltenen Mikroplastik-Partikel und analysierten den Kunststoff-Typ.
„Im Frühling fanden wir zwischen 38 Müll-Teilen in Holnis und 241 in Travemünde. Gut 40 Prozent bestand aus Plastik, fast 35 Prozent aus Papier, Pappe und Zigarettenkippen und 15 Prozent Glas. Im Herbst lag die Bandbreite zwischen 27 Teilen in Holnis und 713 in Schönberg. Papier, Pappe und Zigarettenkippen machten dann mehr als 60 Prozent aus, gut ein Viertel war Plastik und nur 4 Prozent Glas“, fasst Dr. Lenz zusammen.
Bis zu 28 Partikel Mikroplastik pro Kilogramm Sand
Insgesamt ließ sich keine Korrelation zwischen der Menge des Makro-Mülls und des Mikroplastiks feststellen. Deutlich wurde aber auch: Unsere Strände sind nicht frei von Mikroplastik. Die kleinen Partikel fanden sich in fast allen Sedimentproben in Mengen zwischen 2 und 28 Partikeln pro Kilogramm Sand. Auch wenn diese Dichten im Vergleich zu anderen Standorten noch moderat sind, bedeutet dies trotzdem, dass sich an jedem unserer Strände wahrscheinlich Millionen der künstlichen Mikropartikel befinden. Diese werden in der Natur nicht abgebaut und können sich daher im Laufe der Zeit anreichern. Ob die Menge an Mikroplastik in Zukunft noch weiter zunimmt, könnten weitere Studien zeigen, die auf der nun vorgelegten Untersuchung aufbauen. Die Auswirkungen des Mikroplastiks auf die Umwelt sind noch nicht abschließend untersucht, aber es ist bekannt, dass Hunderte von Tierarten es mit ihrer Nahrung aufnehmen.
Strände in Litauen und Polen deutlich stärker verschmutzt
Ein Vergleich mit anderen Orten rund um die Ostsee zeigte, dass die Müllmengen denen in Mecklenburg-Vorpommern im Durchschnitt ähnelten. Strände in Litauen und Polen waren deutlich stärker verschmutzt, Strände in Dänemark ungefähr so sauber wie die weniger frequentierten schleswig-holsteinischen. Die geringe Dominanz an angeschwemmtem Plastikmüll in Schleswig-Holstein führen die Forschenden auf die Ausrichtung der Küstenlinie und die vorherrschende Richtung von Wind und Strömungen zurück.
Hohe Müllmengen trotz Strandreinigung
GEOMAR und die Kieler Forschungswerkstatt bieten Informationen und wissenschaftliche Programme für Schulen zu Strandmüll und Mikroplastik an. „In der Kieler Forschungswerkstatt untersuchen wir bereits seit mehr als zehn Jahren die Strände rund um die Kieler Förde. Die Müllmengen dabei sind trotz Strandreinigung hoch. Jetzt haben wir zum ersten Mal Daten für die gesamte schleswig-holsteinische Ostseeküste, auf denen wir aufbauen können – eine gute Basis für zukünftige Untersuchungen“, sagt der Meeresbiologe Dr. Dennis Brennecke, der für die Kieler Forschungswerkstatt die Probennahme mit durchgeführt hatte. Seit der Untersuchung an den Ostsee-Stränden haben die Tourismus-Orte bereits viele Maßnahmen umgesetzt, um die Müllmengen zu reduzieren. „Klar ist, wir müssen das Bewusstsein in der Gesellschaft weiter stärken. In der Forschungswerkstatt beginnen wir damit schon bei den Grundschülerinnen und Grundschülern“, so Brennecke.
-Pressemitteilung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), der Kieler Forschungswerkstatt, und des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel-