Der Landessportfischerverband Niedersachsen (LSFV-NDS) hat ein Positionspapier zum Entnahmefenster als optionales Bewirtschaftungsinstrument beangelter Gewässer verfasst.
Der LSFV-NDS hat zuvor Stellungnahmen von Fachbehörden, dem zuständigem Ministerium in Niedersachsen, Wissenschaftlern und Juristen eingeholt und in seine Position einfließen lassen. Da es unter Anglern, Vereinen und Verbänden immer wieder große Unsicherheiten beim Thema „Entnahmefenster“ gibt, wurde folgender Leitfaden erstellt:
Position des Landessportfischerverbandes Niedersachsen e.V. zur anglerischen Hege und Pflege von Fischbeständen durch Entnahmefenster
1) Allgemeine Betrachtung
Ein Entnahmefenster stellt ein optionales Hegeinstrument zum Schutz der natürlichen Altersstruktur und zur Erhöhung oder Stabilisierung des Jungfischvorkommens (Laicherfolg) einer Fischpopulation dar. Neben dem gesetzlich vorgeschriebenen Mindestmaß für eine Fischart wird bei einer Entnahmefensterregelung zudem ein Höchstmaß festgesetzt. Im Größenbereich zwischen dem Mindestmaß und dem Höchstmaß können die gefangenen Fische entnommen werden. Zu kleine, noch nicht geschlechtsreife Fische werden ebenso zurückgesetzt wie besonders große und für den Bestandserhalt besonders wertvolle Individuen einer Fischpopulation.
Eine ganze Reihe wissenschaftlicher Studien aus aller Welt belegen die enorme ökologische Bedeutung der großen Fische für die natürliche Fortpflanzung, die Robustheit der Fischbestände gegenüber Umweltveränderungen sowie die Funktionalität der gesamten Ökosysteme. Durch eine Entnahmefensterregelung kann die natürliche Altersstruktur einer beangelten Fischpopulation gestärkt und der Reproduktionserfolg stabilisiert oder gesteigert werden. Der Fischereiberechtigte ist motiviert und verpflichtet einen der Größe und Art des Gewässers entsprechenden Fischbestand zu erhalten (vgl. §40 Abs. 1 Nds. FischG), inklusive der Fischarten, Größenklassen, Mengen sowie genetische- und generelle Zusammensetzungen des Gesamtbestandes. Hierfür stehen dem Hegepflichtigen verschiedenste Instrumente zur Verfügung. Zum Wohle unserer heimischen Fischbestände und deren nachhaltiger Hege und Pflege steht der Landessportfischerverband Niedersachsen e.V. Entnahmefenstern als optionales Hegeinstrument positiv gegenüber.
2) Spezielle Betrachtung
Folgende Punkte sind bei der Einführung eines Entnahmefensters zu beachten:
1) Jede Hege- und Pflegemaßnahme, egal ob es sich um Strukturverbesserungen, Fischbesatz, Wahl der Fischereigeräte, Gewässerzugang, die Festsetzung von Schonzeiten oder Entnahmeregelungen (inklusive Entnahmefenster) handelt, sollte nachvollziehbar begründet und der speziellen Gewässercharakteristik sowie dem Hegeziel angepasst sein. Die Prüfung der Voraussetzungen für jede dieser Maßnahmen obliegt dem Hegepflichtigen (Fischereirechtsinhaber) nach Abwägung sachbezogener Gründe. Als Entscheidungsgrundlage dienen bspw. Fangstatistiken und/oder Probebefischungen sowie fischereiliche Untersuchungen. Die Einführung eines Entnahmefensters zum Schutz großer Laichfische ist dabei eine mögliche Hegemaßnahme, welche, der Notwendigkeit entsprechend, in Kombination mit anderen Maßnahmen ergriffen werden kann (vgl. §3 & §4 BiFischO-Landesrecht Niedersachsen für die gesetzlichen Mindestanforderungen).
2) Die Einführung eines Entnahmefensters ist eine Einzelfallentscheidung des Hegepflichtigen nach Abwägung der ihm zur Verfügung stehenden Mittel und Informationen. So wie nach jeder anderen Hege- und Pflegemaßnahme auch, sollte der Hegepflichtige geeignete Erfolgskontrollen durchführen und die Ergebnisse dokumentieren.
3) Die Einführung eines Entnahmefensters obliegt ausschließlich dem Hegepflichtigen. In Niedersachsen ist dies zumeist ein Angelverein. Die vom Hegepflichtigen erlassenen Entnahmeregeln sind für alle Fischereiausübungsberechtigten (Vereinsmitglieder) an diesem Gewässer bindend.
4) Die Einführung eines Entnahmefensters geschieht auf freiwilliger Basis des Hegepflichtigen. Nur so kann flexibel auf Veränderungen im Fischbestand und dem Gewässerökosystem reagiert werden. Eine verpflichtende Einführung oder auch die pauschale Zuweisung der Ober- und Untergrenzen des Entnahmefensters durch den Gesetzgeber wäre kontraproduktiv.
5) Eine Änderung des Niedersächsischen Fischereigesetzes, bzw. der Niedersächsischen Binnenfischereiordnung ist für die Einführung eines Entnahmefensters nicht notwendig. Begründete Hegemaßnahmen zum Schutz der Laichfische sind auch heute bereits möglich.
6) Da ein Entnahmefenster dem Schutz großer und besonders effektiver Laichfische dient, muss die betreffende Fischart zum potenziell natürlichen Artenspektrum des Gewässers gehören und sich dort natürlich reproduzieren.
7) Gefangene Fische außerhalb des Entnahmefensters (zu groß oder zu klein) sind schonend vom Haken zu lösen und unverzüglich wieder einzusetzen (vgl. §5 Absatz 1 BiFischO-Landesrecht Niedersachsen).
8) Ein Entnahmefenster schont neben zu kleinen Fischen auch die wichtigen großen Laichfische. Die Untergrenze des Entnahmefensters darf das gesetzliche Mindestmaß der betreffenden Fischart nicht unterschreiten (vgl. §3 BiFischO-Landesrecht Niedersachsen). Effektiv ist eine Entnahmefensterregelung nur dann, wenn zudem auch die großen Laichfische effektiv geschützt werden und zudem jeder Fisch mindestens 1-mal ablaichen kann. Die Ober- und Untergrenzen sind immer gewässerspezifisch festzulegen und müssen sich aus den vorhandenen Daten zur Entscheidungsfindung begründbar erschließen. Das Entnahmefenster sollte nicht zu groß sein um wirken zu können. Es darf aber auch nicht zu klein sein und muss insgesamt so gewählt werden, dass eine nachhaltige Fischentnahme gewährleistet ist.
9) Der LSFV-NDS hat bereits seit Januar 2013 eine Entnahmefensterregelung für den Dümmer (zweitgrößter See in Niedersachsen) eingeführt. Hier gelten bspw. folgende Ober- und Untergrenzen: Hecht 45-85 cm, Zander 40-70 cm. Der Grund für die Einführung leitete sich aus fischereilichen Untersuchungen ab, nach denen nur noch wenige größere Laichfische im See vorhanden sind und auf allen anderen Größenklassen ein hoher Fraßdruck durch Kormorane lastet.
Bei Fragen zum Entnahmefenster und/oder alternativen Hege- und Pflegeoptionen kontaktieren Sie bitte die Geschäftsstelle des LSFV-NDS. Wir beraten Sie gerne: www.lsfv-nds.de, E-Mail: info@lsfv-nds.de, Tel: 0511 357 266 0.
3) Checkliste zur Einführung eines Entnahmefensters
Folgende Checkliste sollten Sie für Ihr Gewässer prüfen, wenn Sie die Einführung eines Entnahmefensters erwägen. Die Voraussetzungen für ein Entnahmefenster sind prinzipiell gegeben, wenn Sie alle Punkte mit JA beantworten können:
– Die Zielfischart(en) gehört zum natürlichen Artenspektrum und reproduziert sich auf natürliche Weise erfolgreich.
– Die Entscheidung für ein Entnahmefenster kann nachvollziehbar hergeleitet werden (bspw. Fangstatistiken, Probebefischungen oder Vergleichbares).
– Das individuelle Höchstmaß und Mindestmaß kann fachlich begründet werden (s. 8+9 der speziellen Betrachtung).
– Die Maßnahme gilt für den überwiegenden oder ganzen Teil des Gewässers/Pachtstrecke.
– Die Entscheidungsgrundlagen werden dokumentiert.
– Die Maßnahme wird in geeigneter Weise evaluiert und dokumentiert (bspw. detaillierte Fangstatistiken inkl. der zurückgesetzten Fische, Probebefischungen oder Ähnliches).