Pinke Seegurken, runzlige Napfschnecken, die auf Methanschloten leben und Krebstiere, die mysteriöse Löcher graben – insgesamt elf neue Arten aus den Weltmeeren wurden von Forschern neu beschrieben.
25 Forscherinnen und Forscher aus zehn Ländern haben ihre Ergebnisse in der Fachpublikation „Ocean Species Discoveries (OSD)“ veröffentlich. Die gemeinschaftliche Veröffentlichung beschleunigt den Prozess der Beschreibung und Benennung neuer Arten um ein Vielfaches und hilft, zu ihrem Schutzstatus beizutragen – ein erklärtes Ziel der Senckenberg Ocean Species Alliance (SOSA) am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt, welche das Pilotprojekt initiiert und koordiniert hat.
Meerestiere sterben aus, bevor wir sie benennen
Globaler Klimawandel, Verschmutzung, Plastikmüll, Überfischung – die Bedrohung der Weltmeere und ihrer Bewohner ist vielfältig. „Die meisten der schätzungsweise zwei Millionen marinen Arten sind uns zwar noch unbekannt, dennoch fallen auch sie dem Biodiversitätsverlust zum Opfer. Kurz gesagt: Meerestiere sterben aus, bevor wir sie entdecken und benennen können. Überproportional davon betroffen sind wirbellose Organismen“, erklärt Dr. Torben Riehl, Co-Leiter von SOSA am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt und fährt fort: „Ein Problem stellt hier auch die Geschwindigkeit dar, mit der neue Arten durchschnittlich taxonomisch beschrieben werden. Die derzeitige Wissenschafts- und Publikationslandschaft führt oft zu jahrzehntelangen Verzögerungen – zwischen der Entdeckung einer neuen Art und ihrer Beschreibung können 20 bis 40 Jahre vergehen.“
Riehl ist Koordinator der von SOSA initiierten Ocean Species Discoveries (OSD), einer neuen Publikationsserie die in regelmäßigen Abständen erscheinen soll. In der ersten Ausgabe haben nun die Fachleute elf neue Arten, eine neue Gattung und eine Neubeschreibung und -einordnung einer bereits bekannten Art veröffentlicht. Die dreizehn wirbellosen Arten stammen aus der ganzen Welt und sind in Tiefen von 5,2 bis 7081 Metern zu finden.
Eine der neu beschrieben Arten ist die kleine runzlige Napfschnecke Lepetodrilus marianae. Sie lebt in Hydrothermalquellen in der Tiefsee, wo es bis zu 400 Grad Celsius heiß werden kann.
Krebs, der mysteriöse Löcher gräbt
Eine weitere Neubeschreibung, ein kleines Krebstier, war bislang nur durch mysteriöse Löcher bekannt, die das Tier im Meeresboden hinterlässt. Erst nach längerer Beobachtung entdeckten Forscher das Tier und gaben ihm – um seine Liebe zum Graben zu betonen – den Namen Cunicolomaera grata, was so viel wie Lieblingshöhle bedeutet.
Pinke Seegurke ist eigene Art
Psychropotes buglossa ist eine pinke Seegurke, die in den Tiefen des Atlantiks vorkommt. Zwar wurde sie bereits 1886 beschrieben, dann aber 1975 mit elf anderen Arten unter dem Namen Psychropotes longicauda zusammengefasst. Neuere DNA- Analysen zeigen jedoch, dass es sich bei der Seegurke mit der auffälligen Farbe doch um eine eigene Art handelt.
„Diese, und die weiteren sehr unterschiedlichen Arten, würden normalerweise nicht gemeinsam in einer Studie erscheinen. Doch das ist genau unser Ansatz für die Ocean Species Discoveries: verschiedene wirbellose Meerestiere werden in einer ‚Mega- Publikation‘ zusammengefasst“, so Riehl und weiter: „Gegenwärtig verzögert sich die Benennung und Beschreibung neuer Tiere beträchtlich, oft weil die Fachmagazine zusätzliche ökologische oder phylogenetische Erkenntnisse erwarten. Dies führt dazu, dass viele marine Arten aufgrund mangelnder Daten unbeschrieben bleiben. OSD geht dieses Problem an, indem es prägnante, vollständige taxonomische Beschreibungen anbietet, ohne ein bestimmtes Thema zu verlangen, und so die Aufmerksamkeit wieder auf die Bedeutung der Taxonomie selbst lenkt.“
Arten von Tiefseebergbau bedroht
Durch den Fokus auf die reine taxonomische Arbeit, können so innerhalb kurzer Zeit deutlich mehr Artbeschreibungen veröffentlich werden. „Und Zeit ist es, die beim voranschreitenden Biodiversitätsverlust eine große Rolle spielt. Denn die runzlige Napfschnecke, die pinke Seegurke und zwei weitere Arten, die in der ersten OSD-Ausgabe beschrieben wurden, leben in Gebieten, die von Tiefseebergbau bedroht sind. Das Überleben dieser Wirbellosen hängt davon ab, ob wir es rechtzeitig schaffen, sie zu entdecken und zu benennen. Denn nur so können wir auch ihren Gefährdungsstatus auf der Roten Liste der IUCN erfassen, um Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen zu können“, fasst Senckenberg-Meeresforscherin Prof. Dr. Julia Sigwart, Co-Leiterin von SOSA zusammen.
-Pressemitteilung Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung-