Der Nationalpark Ostsee kommt nicht, stattdessen wird es neue Schutzgebiete geben. Geplant ist, in diesen Bereichen die Nutzung umfassend einzuschränken, auch die Angelei wird betroffen sein.
Die gute Botschaft der Präsentation des „Aktionsplans Ostseeschutz 2030“ durch die Landesregierung Schleswig-Holstein am 19. März 2024 vorab: Es wird keinen Nationalpark in der Ostsee geben. Darauf hat sich in den vergangenen Wochen die Landesregierung aus CDU und Grünen geeinigt, dies berichtet der Landesanglerverband Schleswig-Holstein (LAV-SH) in seiner aktuellen Pressemitteilung.
Nationalpark Ostsee vom Tisch
Dass die Ostsee besser geschützt werden muss, war jedem Beteiligten klar, ob Nationalparkbefürworter oder -Gegner. Dies machten auch die CDU und die beteiligten Ministerien im Laufe der Verhandlungen um die Zukunft des Ostseeschutzes klar. Dieser bessere Schutz soll nun durch einen 16-Punkte-Plan, der eine Reihe von Maßnahmen enthält, erreicht werden. Viele dieser Maßnahmen werden vom Landesangelverband Schleswig-Holstein als sinnvoll und im Sinne des Ostseeschutzes als zielführend betrachtet.
Die bedeutendsten Punkte sind folgende:
- Eine striktere Anwendung und Kontrolle der Dünge-Verordnung zur weiteren Reduktion von Nährstofffrachten.
- Zielvereinbarungen mit der Landwirtschaft, bis zum Jahr 2030, Nährstofffrachten um 10 % und bis zum Jahr 2035, um weitere 10 % zu senken.
- Stärkung des Schutzes in bestehenden Natura-2000-Gebieten.
- Einrichtung von neuen, umfangreichen Naturschutzgebieten.
Die letzten Punkte werden auch die Angelei in der Ostsee betreffen, denn wie es heute hieß, soll die extraktive Nutzung in streng geschützten Bereichen verboten werden. Das bedeutet, dass nichts aus dem Ökosystem entnommen werden darf. Somit wäre es mit der fischereilichen und anglerischen Nutzung dort vorbei. Allerdings wird die Angelei vom Ufer aus (und im Wasser stehend) nicht eingeschränkt, auch wenn Schutzgebiete bis ans Ufer heranreichen. Dies war eine der zentralen Forderungen des LAV-SH in den Verhandlungen mit der Politik und der Angelverband ist dankbar, dass dies berücksichtigt wurde.
Wo werden die neuen Schutzgebiete liegen?
In den Regierungsgesprächen dürfte hart um die Flächen, die für den Umweltschutz und die Nutzung wichtig sind, gerungen worden sein. Letztlich hat man sich auf 12,5 Prozent der schleswig-holsteinischen Ostseeflächen verständigt. Angesichts der vor nunmehr einem Jahr präsentierten Gebietskulisse eines Nationalparks (etwa die Hälfte der Schleswig-Holsteinischen Küste) eine wesentlich geringere Fläche. Bedacht werden muss zudem, dass Deutschland sich durch die Unterzeichnung der EU-Biodiversitätsstrategie bereits vor einiger Zeit dazu bereiterklärt hatte, mindestens 10 Prozent der Ostseeflächen unter strengen Schutz zu stellen – hier hat man also zwei politische Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Man könnte es so sehen, dass es 2,5 Prozent zusätzliche Schutzgebiete gibt. Zudem gibt es seitens des Landes die Zusage, dass mit der Ausweisung dieser Gebiete dann auch endlich Ruhe an der Ostsee einkehrt und es keine weiteren Einschränkungen darüber hinausgeben wird.
Was ist die EU Biodiversitätsstrategie 2030?
Die Biodiversitätsstrategie 2030 ist ein langfristiger Plan zum Schutz der Natur und zur Umkehr der Verschlechterung der Ökosysteme in Europa. Kern der Strategie ist die Ausdehnung von Schutzgebieten auf 30 % der europäischen Landfläche (inklusive Süßwasser) und 30 % der Meeresflächen. Jeweils ein Drittel der Flächen (10 % Land, 10 % Meer) soll unter „strengen Schutz“ gestellt werden. In der Beschreibung der „streng geschützten“ Gebiete wurde die Angelfischerei anfangs, pauschal ausgeschlossen.
12,5 Prozent, die wehtun…
Schaut man sich jedoch die Lage dieser 12,5 Prozent an, so wird deutlich, dass etliche besonders wichtige Fanggründe der Angler und Fischer betroffen sind. Im Einzelnen sollen in folgenden Bereichen Schutzgebiete eingerichtet oder der bestehende Schutz verschärft werden:
- Flensburger Außenförde bis Schleimünde
- Stoller Grund
- Küstenbereich in der Hohwachter Bucht
- Westfehmarn
- Sagas Bank
Natürlich sind diese Neuigkeiten für die Angler ein harter Schlag – sind doch fast alle genannten Seegebiete sehr beliebte Fanggründe. Für die kommerzielle Fischerei werden die geplanten Schutzgebiete indes ohne Frage ein existenzielles Problem. Insbesondere die Ausweisung der Bereiche nördlich Schleimünde, westliche Fehmarn und Sagasbank sind ein Todesstoß für zahlreiche ohnehin auf wackligen Beinen stehenden Fischereibetriebe. Die Versorgung mit lokal gefangenem Fisch aus den Fischereihäfen Maasholm und Heiligenhafen wird vermutlich massiv einbrechen.
Strenger Schutz = Angelverbote?
Bevor sich unter den Anglern nun Weltuntergangsstimmung breit macht: Die jetzt präsentierten Pläne sehen vor, Schutzgebiete einzurichten. Die Ausweisung von Schutzgebieten geschieht allerdings nicht willkürlich. Es müssen Fachgutachten vorliegen, die eine Sinnhaftigkeit zeigen und es müssen Schutzgüter sowie -Ziele definiert werden. Der LAV-SH und der Deutsche Angelfischerverband DAFV, der seinen Landesverband im Norden in dieser Angelegenheit massiv unterstützt, werden in diesem Prozess nicht einfach akzeptieren, dass die Angelei mit kommerzieller Fischerei über einen Kamm geschoren und als pauschal schädlich betrachtet wird. Natürlich, dort, wo die Angelei nachvollzieh- und beweisbar den Schutzgütern schadet und die Erreichung von Schutzzielen verhindert, ist eine Einschränkung nachvollziehbar und verhältnismäßig. Bootsangler jedoch schlicht aufgrund des extraktiven Charakters ihrer Beschäftigung (die Fischentnahme) auszusperren, ist weder nachvollziehbar noch verhältnismäßig – folglich werden die Verbände sich dagegen wehren. Um die Reduzierung von Fangmengen kann es nicht gehen, denn die werden – auch bei Anglern – über Quoten bzw. Tagesfangmengen reguliert, Schutzgebiete sind dafür nicht vorgesehen.
Johannes Radtke vom LAV-SH zu den Plänen, die Bootsangelei aus den Schutzgebieten auszuschließen: „Unserer Ansicht nach macht es einen Unterschied, ob ein kilometerlanges Stellnetz oder eine Angel für den Fang von Schollen ausgelegt wird. In den allermeisten Fällen hat die Bootsangelei für die schützenswerten Güter der Ostsee den gleichen Effekt wie ein Boot ohne Angel an Bord. Dies kann im Falle von rastenden Enten im Winter eine Störung des Schutzgutes bedeuten, einem Seegrasfeld ist es hingegen recht egal, ob ein Boot darüber hinwegfährt. Wo wir als Bootsangler keinem Schutzgut schaden, dürfen wir auch nicht einfach pauschal ausgeschlossen werden.“
Ein Ausschluss nur aufgrund des in der EU-Biodiversitätsverordnung geforderten „strengen Schutzes“ ist nicht notwendig. In keiner Weise fordert das Papier der EU explizit den Ausschluss der Angelei – ein entsprechender Absatz wurde bei einer neuerlichen Überarbeitung gestrichen. Florian Stein, beim DAFV zuständig für Europapolitik dazu: „Wir sind sehr überrascht, dass sich Schleswig-Holstein bei der Ausweisung von Schutzgebieten nicht an den Vorgaben der europäischen Verordnung zur Wiederherstellung der Natur orientiert. In diesem Gesetzesentwurf ist nicht vorgesehen, die Freizeitfischerei aus diesen Gebieten pauschal auszuschließen. Ganz im Gegenteil, der potenzielle Einfluss von Freizeitaktivitäten auf das Ökosystem soll ausdrücklich im Einzelfall geprüft werden.“ Also sieht auch die EU in ihren Richtlinien keinen pauschalen Ausschluss ohne Begründung vor – dies werden LAV-SH und DAFV in den folgenden Verhandlungen und Schutzgebietsausweisungen sicherlich häufiger erwähnen müssen.
Fazit Johannes Radtke LAV: „Auch wenn die genannten Gebiete anglerisch wichtig sind und den Betroffenen wehtun, hätte es erstens sehr viel schlimmer kommen können, ist zweitens nicht gesagt, dass sich in allen Bereichen ein Angelverbot durchsetzen lässt und ist drittens die Uferangelei überall ohne Einschränkungen weiterhin möglich. Wir werten dies durchaus als einen Teilerfolg, auf dem wir aufbauen und für den Ostseeschutz weiter kämpfen werden.“