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Klimawandel verändert das Wattenmeer

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Königshafen auf Sylt, das Hauptexperimentierfeld der Wattenmeerstation. Foto: Anja Schanz
Königshafen auf Sylt, das Hauptexperimentierfeld der Wattenmeerstation. Foto: Anja Schanz

Die Auswirkungen des Klimawandels auf flache Sedimentküsten sind vielseitig. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Wattenmeerstation Sylt haben jetzt einen Überblick veröffentlicht, der die weitreichenden Veränderungen im Wattenmeer zusammenfasst.

Die Studie anlässlich des einhundertjährigen Bestehens der Station erscheint in der Fachzeitschrift Marine Biodiversity. „Der Klimawandel wirkt auf alle Ebenen des Wattenmeeres ein: Temperaturerhöhung und Meeresspiegelanstieg verändern die Morphologie der Küste und die Sedimentdynamik, welche das Wattenmeer seit gut 8000 Jahren prägt“, erläutert Dr. Christian Buschbaum, Meeresökologe an der Wattenmeerstation Sylt des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI).

Kabeljau besonders betroffen

Im Vergleich zum globalen Ozean hat sich die Nordsee in den letzten 60 Jahren im Mittel fast doppelt so stark erwärmt. Dabei haben vor allem milde Winter und sehr warme Sommertemperaturen einen großen Einfluss auf das Ökosystem. Insbesondere Hitzewellen mit Temperaturen von drei bis fünf Grad über dem Durchschnitt werden häufiger und dauern länger an. Diese physikalischen Änderungen beeinflussen die räumliche Ausdehnung von einzelnen ökologisch wichtigen Lebensräumen, wie Seegraswiesen und Muschelbänken, sowie das Vorkommen einzelner Arten im Wasser und am Meeresboden. Dabei sind manche Arten besonders betroffen, die neben der Erwärmung auch unter Übernutzung leiden, wie beispielsweise der Kabeljau. „Wir beobachten außerdem einen deutlichen Anstieg an eingeschleppten, wärmeliebenden Arten. Diese bedrohen zwar bisher keine heimischen Organismen, führen aber zu einer völligen Veränderung des Lebensraumes. Riesige Riffe pazifischer Austern und hektargroße Unterwasserwälder, gebildet von Algen aus Fernost, sind unmittelbar von jedem Wattwanderer zu erkennen“, sagt der Co-Erstautor der Studie weiter.

Forschung im Wattenmeer: Gebäude des Alfred-Wegener-Instituts auf Sylt. Bild: AWI/Kerstin Rolfes
Forschung im Wattenmeer: Gebäude des Alfred-Wegener-Instituts auf Sylt. Bild: AWI/Kerstin Rolfes

Kinderstube für Heringe

Das Wattenmeer ist für viele Fisch- und Vogelarten, wie Hering, Austernfischer und Knuttstrandläufer von großer ökologischer Bedeutung, die dieses Gebiet für mindestens eine Phase ihres Lebenszyklus nutzen: Es dient als Kinderstube und Futterplatz und bietet beispielsweise jungen Fischen Schutz vor Räubern. Die Klimaerwärmung verschiebt das zeitliche Auftreten der Arten; Fische wandern polwärts ab oder bodenbewohnende Arten ziehen sich in tieferes, kälteres Wasser zurück. Wer seine Verbreitungsgebiete nicht verlagern kann, muss sich an die sich rasch erwärmenden Bedingungen im Wattenmeer anpassen.

Organismen passen sich an

„Zu den Anpassungsreaktionen gehören genetische Anpassungen, aber auch die phänotypische Plastizität“, sagt Co-Erstautorin Dr. Lisa Shama. Organismen mit sehr kurzer Generationsdauer können sich schnell genetisch anpassen wie beispielsweise pathogene Vibrio-Bakterien, die in eingeschleppten Pazifischen Austern leben. „Bei der Plastizität passen die Individuen ihre Eigenschaften und ihr Erscheinungsbild als Reaktion auf direkte Umweltreize an, ohne dass genetische Veränderungen vorliegen. Die Plastizität ist somit ein schneller Reaktionsmechanismus, um mit sich ändernden Klimabedingungen fertig zu werden. Sie kann innerhalb einer Generation dazu führen, dass Arten zu veränderten Zeiten auftreten, zum Beispiel früheren Phytoplanktonblüte im Frühjahr, oder zu temperaturabhängigen Änderungen der Wachstumsrate führen“, erklärt AWI-Evolutionsbiologin Lisa Shama. Auch ihre Fortpflanzungsstrategien können Organismen anpassen, etwa durch eine erhöhte Fortpflanzungsleistung – also zum Beispiel mehr Eier bilden – zum Ausgleich potenzieller Verluste des Nachwuchses durch Hitzestress.

Lebensraum verändert sich rasant

Neben diesen beispielhaften wissenschaftlichen Schlaglichtern hat die Synthese aus 100 Jahren Forschung an der Wattenmeerstation Sylt vor allem gezeigt, wie vielschichtig und umfassend die Auswirkungen des Klimawandels auf flache Sedimentküsten wie das Wattenmeer sind. „Unser Bestreben war es, einen multidisziplinären Überblick zu geben. Dazu haben mehr als 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der AWI-Sektion Ökologie der Küsten verschiedener Fachrichtungen zusammengearbeitet und ihre Ergebnisse zu den Effekten des Klimawandels beschrieben“, fassen Lisa Shama und Christian Buschbaum zusammen. „Mit diesem übergreifenden Ansatz der Studie ist deutlich geworden, dass der Klimawandel im Wattenmeer auf allen Ebenen wirkt und damit einen Lebensraum in seiner Gänze in bisher nicht dagewesener Geschwindigkeit verändert. Damit werden auch Konsequenzen für die an der Küste lebenden Menschen unausweichlich, da beispielsweise Küstenschutzmaßnahmen und Tourismuskonzepte nachhaltig angepasst werden müssen. Somit ist ein interdisziplinärer Ansatz von Natur- und Sozialwissenschaften bei zukünftiger Klimawandelforschung im Wattenmeer unerlässlich, um Strategien im Umgang einer sich rasant verändernden Küste zu entwickeln.“

-Pressemitteilung Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung-

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