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Jan Eggers erzählt, Teil 16

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Mit solchen Fertigangeln auf Wickelbrettchen wurde in den 1930ern auf Hecht gefischt. Man beachte die vielen Pilotkugeln, die die dicke Schnur vor dem Absinken bewahren sollten. Bilder: Jan Eggers

Eigentlich wollte der Hechtpapst diesmal über Tipps und Tricks aus 65 Jahren Raubfischangeln berichten, doch dann ist ihm ein altes Manuskript in die Quere gekommen.

In dieser uns alle stark einschränkenden Corona-Zeit bin ich besonders glücklich über meine hunderte Hechtbücher, die vielen Videos und DVDs und last but not least die vielen dutzenden Fotos und Dias, die bereits teilweise digitalisiert worden sind. Wenn ich in diesem Fundus stöbere, kommen allerlei Erinnerungen zurück und damit auch Ideen für neue Angelberichte. So geschah es auch heute, als ich schon mit diesem Artikel begonnen hatte. Beim Sortieren von einigen persönlichen Briefen von Fred Buller, die ich in den Kartons voller Kopien unserer Korrespondenz fand, stieß ich auf ein Durchschreibbuch mit der Aufschrift „Tjerk Bulkes“. Beim Lesen dieses Namens erinnerte ich mich an die vielen handgeschriebenen Texte, die dieser Hechtangler aus Vlaardingen mir im März 1986 zugeschickt hatte. Sein erster Brief war mindestens 14 DIN A-4 Seiten lang und trug den Titel “Hechtangeln in den 1930er Jahren”. Tjerk schickte mir all diese Seiten, weil er meine Artikel über Hechte in der Angelzeitschrift “De Visser” sehr interessant fand und hoffte, dass ich vielleicht mit seinen Texten etwas anfangen konnte. Ich möchte hier ehrlich sein: Im März 1986 hatte ich keine Zeit um insgesamt 56 Seiten handgeschriebenen Text zu entziffern und zu redigieren. Priorität hatte damals meine gerade begonnene Selbstständigkeit als Freelancer und der Aufbau des SNB. Im Jahr 2021, also 35 Jahre später, habe ich genügend Zeit, um alle Seiten zu lesen und ich glaube, dass ich interessante Sachen, die ich darin entdeckt habe, nun gut verwenden kann.

So wurde auch noch in den 1950ern gefischt: Selbstgebaute Stahlvorfächer aus Draht und feinen Kettchen.

Nach Lesemarathon um eine Erfahrung reicher

Es ist Sonntagmittag, 7. Februar 2021 um 15 Uhr, ein Schneesturm rast über das flache weiße Nordholland. Es friert ordentlich und die gefühlte Temperatur liegt bei um die Minus 20 Grad, richtig kalt ist es. Aber drinnen ist es lecker warm und ich habe mich die letzten fünf Stunden mit der Entzifferung der vielen handgeschriebenen Seiten von Tjerk Bulkes prima beschäftigen können. Das waren Stunden, in denen ich mich an meine allerersten Hechtangelerfahrungen erinnern durfte. Ich begann damit nur etwa 20 Jahre später als Tjerk. Er berichtet, wie er als Junge von 14 Jahren mit Zweck mitgehen durfte, einem Fischer und Wilddieb aus Amsterdam, um in den Poldern bei Uithoorn auf Hecht zu angeln. Das bedeute für Tjerk eine Stunde Radfahren mit dem Eimerchen mit Köderfischen am Lenker. Die Bambusruten waren schon in der Scheune des Bauern deponiert, in dessen Gewässern beide fischen wollten. Tjerk beschreibt das Gerät, mit dem sie angelten, den ersten spannenden Biss und schlussendlich den Fang seines allersten Hechtes.

Die Mitglieder das Angelclubs "De Hengelaar" sind bereit für ein Hecht-Wettfischen. Jan Eggers hat noch viele dieser Angler persönlich gekannt.

Sein Lehrer Zweck zeigte ihm, wie man einen Hecht abhakt, den Fisch ausnimmt und dabei schaut, was er im Magen hat. Tjerk lernte, wie man mit großen Schwimmern, einer starken Schnur mit einem Fischchen am Zwilling Hechte und auch Aale fangen kann. Das war dann oft irgendwie Schwarzangeln, denn an diesen abgelegenen Poldern wusste man damals nie, welchem Bauer das Land und die Fischereirechte gehörten. Beim Lesen dieser ersten beiden Hechtangeltage eines sehr glücklichen Junganglers erinnerte ich mich an meinen eigenen Eintritt in die Hechtanglergilde. In Gedanken sah ich, wie die Hechtangler aus De Rijp mit Namen (und Spitznamen) wie Jan Timmer (alias „Beel“), Arie Veenman (alias „Hoedje“) und Willem van Braam (alias „De Bakker“) mich zu den guten Hechtstellen im Eilandspolder mitgenommen haben.

Mit solchen Setz- oder Legeangeln (sog. Trimmer) wurde früher gerne schwarz auf Hecht gefischt.
Willem van Braam mit großem Hecht. Mit ihm ging der junge Jan Eggers zum Polderfischen.

Aus dem Nebel der Vergangenheit…

Wir haben immer noch eiskalten Februar und obenstehende Sätze über Tjerks zweiten Hechtangeltag passen prima zum Lockdown, der die ganzen Niederlande mehr oder weniger stilllegt. Kein Zug oder Bus fährt durch den aufgeweichten Schneematsch, Zeitungen erscheinen nicht und alle befolgen die Anweisung „daheim bleiben“. Heute in der Frühe habe ich beschlossen, diesmal nichts über die Tipps und Tricks aus 65 Jahren Raubfischangeln zu schreiben. Ich werde nun erzählen, welche Unterschiede ich zwischen der Hechtangelei in den 1930er Jahren und der Zeit meiner Jugend in den 1950ern entdeckt habe. Die Veenpolder bei Vrouwenakker und mein Eilandspolder bei De Rijp unterscheiden sich als Angelgewässer nur wenig. Zweck fischte am liebsten Rotaugen und Rotfedern zwischen 15-20cm als Köderfische, er gab Tjerk die kleineren Exemplare und auch 10-15cm große Barsche. Tjerk war, wie auch ich früher, erstaunt darüber, dass Hechte diese Fische mit Stacheln überhaupt auf dem Speiseplan hatten. Interessant fand ich zudem, dass Zweck kleine Schleien, die er mit einem großen Kescher fing, auch als Köderfisch verwendete. Sie waren besonders ausdauernd. Schleien, die größer als das Mindestmaß waren und auch Karpfen und Hechte, die groß genug waren, wurden für den Verzehr mitgenommen. Auch wurde damals bei den Bauern, an deren Wasser man fischte, Fisch gegen Gemüse und Obst getauscht.

Um auf bequeme Art Hecht, Barsch und dicke Aale zu fangen, hatte Zweck eine ganze Zahl kleiner Pilokugeln aus Kork auf der Schnur verteilt, um so einige Meter der dicken Baumwoll-Hauptschnur am Schwimmen zu halten. Ans untere Ende kam ein Vorfach aus Kupferdraht, daran ein Zwilling oder Drilling mit etwas Blei. Zu Beginn des Angeltags wurden diese Setzangeln mit einem Köderfisch an verschiedenen Stellen ausgelegt. Am Ende des Angeltags kam dann der spannende Teil, das Suchen der Korkschwimmer, in der Hoffnung, dass am anderen Ende der Schnur ein Hecht hing. Über das Zurücksetzen von Hechten wurde in den 1930er Jahren kein Wort gesprochen, man fischte für den Kochtopf und es gab immer Familienmitglieder, Freunde und Bauern, die sich gerne einen frisch gefangenen Fisch braten wollten.

Ich selbst habe erlebt, wie in den 1950er Jahren die ersten Diskussionen über Fangbeschränkungen beim Hechtangeln aufkamen. Das Mindestmaß wurde erhöht und die Verwendung von Kunstködern wurde empfohlen, denn dadurch wurde die Gefahr eines tief geschluckten Hakens viel kleiner.

Die Beute von drei Hechtanglern aus dem Polder bei Wilnis.

Starke Schnur, kräftige Haken und nicht zu schnell anschlagen

In seinem ausführlichen Augenzeugenbericht schreibt Tjerk nicht nur, wie er durch einen zu schnellen und zu sanften Anschlag seine ersten Hechte verspielt, sondern auch, welche Ruten, Schnüre, Schwimmer, Vorfächer und Haken er verwendet hat. Leider waren keine Fotos bei seiner Abhandlung, aber zum Glück habe ich genug Gerät und Bilder, um diesen Artikel auf passende Weise zu illustrieren. Vor allem die selbstgemachten Vorfächer aus Kupfer oder Eisendraht mit diversen Haken bewahre ich immer noch als Souvenirs von früher auf. Tjerk brauchte seine leichte Bambusrute, mit der er in Amsterdam-Süd kleine Karpfen fing, nicht mitzunehmen: zu leicht. Zweck hatte in der Scheune des Bauern eine schwerere, sechs Meter lange, 5-teilige Bambusrute deponiert. An der Spitze waren sechs Meter starke Schnur mit Schwimmern, etwas Blei, Kupfervorfach und einem kleinen Drilling angeknotet. Ein Haken des Drillings wurde durch ein Nasenloch des Köderfischs geführt und die spannenden Spiele konnten beginnen. Tjerk sollte nach rechts gehen und vor allem den Uferbereich des 60cm tiefen Poldergrabens befischen. Er durfte dabei nicht zu nah ans Ufer kommen und vor allem nur ganz leise auftreten, um die Hechte nicht aus der Uferzone zu vertreiben. Als die unterste Korkkugel plötzlich unterging, hatte er einen Biss, “Hobbel” (Übersetzung: Hürde, Herausforderung) nennen die holländischen Hechtangler das. Jetzt musste man warten, bis der Hecht den Köderfisch drehen konnte und mit dem Kopf voran verschluckt, und so auch den Haken ins Maul bekam. Meistens schwamm der Hecht danach ein Stückchen, dann war die Zeit gekommen, den Anhieb zu setzen. Beim ersten Biss kam Tjerk überhaupt nicht zum Anschlagen. Plötzlich tauchte der Schwimmer wieder auf, am Drilling hing nur noch ein halbtotes zerbissenes Köderfischchen. Was für ein Jammer, beim nächsten Mal musste es besser laufen!

Angelladen in früheren Zeiten: Dieser Angler sucht nach der richtigen Bambusstange zum Hechtangeln.

Später am Vormittag rief Zweck seinen jungen Angelfreund zu sich, weil auch er einen Biss hatte. Tjerk folgte gespannt dem ganzen Ritual und durfte sogar kurze Zeit später den 70cm-Esox die Uferkante hochziehen. Zweck holte ein Holzstück aus seiner Angeltasche, das präzise zwischen die Kiefer des Hechtes passte. So wurde sein Maul offen gehalten und der Drilling konnte mit der Zange entfernt werden. Dieser Holzblock erinnert mich an ein Aststück oder an die Streichholzschachtel, die ich selbst für diesen Zweck verwendet habe. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass die Hechte dann mit dem Kopf geschlagen haben, der Zweig aus dem Maul geflogen ist und meine Finger zwischen den Kiefern mit 700 scharfen Zähnen steckten. Das tat sehr weh und gleich danach habe ich mir eine richtige Rachensperre bei Angelsport Bijvoet in Alkmaar gekauft.

Für Tjerk war dieser 70er Hecht riesengroß und er hoffte, dass er auch einmal einen Fisch von diesem Format fangen wird. Er bekam an diesem Tag noch einen Biss, schlug aber nicht hart genug an. Der Drilling konnte nicht tief in den harten Hechtkiefer eindringen. Der Hecht verabschiedete sich nach kurzem Drill wieder verabschieden. Tjerk hatte wieder eine Lektion gelernt.

Aus der Leeuwarder Zeitung von 1931: Damals wurde über jeden Meterhecht berichtet.

Der erste Hecht ist ein magischer Moment

Auch wenn Tjerk an diesem Tag seinen ersten Hecht nicht gefangen hatte, radelte er dennoch glücklich und mit einem zufriedenen Gefühl zurück nach Amsterdam. Er war deswegen glücklich, weil Zweck ihm versprochen hatte, dass er in der kommenden Woche noch einmal mitgehen durfte. Zum Glück kam der Tag schnell und nach Zweck war der bewölkte Himmel mit Westwind ein prima Hechtwetter.

Im ersten Morgenlicht montierten sie ihre Ruten und in der ersten halben Stunde fing Zweck den ersten kleinen Hecht, der mit seinen 35 cm den Spitznamen “Hering” bekam. Kurz danach begann Tjerks Köderfisch aufgeregt hin und her zu schwimmen, ein eindeutiges Zeichen, dass ein Hecht in der Nähe war. Ein großer Schwall und eine abtauchende Pose unterstrichen diese Theorie: Biss! Tjerk wollte eigentlich sofort wieder anschlagen, dachte dann aber an das, was Zweck ihn gelehrt hatte. Er wusste sich zu beherrschen und setzte zum genau richtigen Moment den Anhieb. Ich erinnere mich auch noch genau, wie ich vor 65 Jahren meinen ersten Hecht fing. Ich schlug zu früh und zu stark an, der 45er Hecht flog durch die Luft, der Drilling riss sich los und der Esox machte vor meinen Füßen eine Bauchlandung im Gras. Das lief alles nicht nach den Grundregeln der Hechtangelei ab, Fakt war aber: Ich hatte meinen ersten Hecht gefangen!

Tjerk drillte seinen ersten Hecht kurz und kräftig. Er wusste die starke Schnur sicher zu packen und zog den Hecht mit einem sehr zufriedenen Gefühl ans Ufer. Mit einen Urschrei rief er seinen Lehrmeister, der ihm beim Abhaken half und feststellte, dass der Hecht 55cm lang war. Später am Tag fing Zweck zwei maßige Hechte und Tjerk noch einen von 49cm, auch noch ein dicker Hecht von 72cm ging an die ausgelegte Posenmontage. Alles in allem hatten sie bis zum Mittag fünf Hechte im Jutesack, der mit zurück nach Amsterdam ging. Tjerk war happy. Wie das weitere Hechtanglerleben von Tjerk Bulkes verlaufen ist, weiß ich nicht. Ich habe im Internet gegoogelt und gefunden, dass ein Tjerk Bulkes aus Vlaardingen 1988 mit 67 Jahren verstorben ist. Sehr traurig, ich hätte mich gerne bei ihm bedankt und ihm “seinen” Artikel zum Lesen geschickt…

Durch diesen Artikel wurde mir bewusst, dass man das Hechtangeln am besten von einem erfahrenen Hechtangler erlernen kann, der einem die Tricks dieser Kunst verrät. Ich habe dutzende tolle Hechtangeltage erlebt, aber die haben weniger Eindruck gemacht, als die wenigen Male, die ich mit lokalen Hechtanglern als Jungangler in den Eilandspolder mitgenommen wurde. Auch ich habe immer gerne Jugendliche zum Polderangeln mitgenommen und immer gerne gesehen, wie sie sich über ihren ersten Hecht gefreut haben. Ich hoffe, dass viele Leser das auch gerne machen! Bevor ich es vergesse: Die Tipps und Tricks aus 65 Jahren Raubfischangeln kommen dann im nächsten Artikel.

Jan Eggers

Teil 15…

Jan Eggers bei einer Veranstaltung für den Hechtangler-Nachwuchs. Jugendförderung ist extrem wichtig.
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