Im 6. Teil seiner Serie berichtet Hechtpapst Jan Eggers über abenteuerliche Angeltouren in die ganze Welt, die er für den Kunstköder-Hersteller Rapala unternommen hat.
Alle Manager und Inhaber der Firma Rapala waren auch leidenschaftliche Angler, das hat mir sehr gut gefallen. Vor und nach Verkaufsmeetings und internationalen Messen wurde immer auch nach Möglichkeiten gesucht, um Rapala-Kunstköder zu testen. Durch die guten Kontakte von Rapala zum finnischen Tourismusverband, Anglerverband, Wirtschaftsministerium, Finnair und zu internationalen Angelzeitschriften erhielt ich regelmäßig Angel-Einladungen zu interessanten Lokalitäten. In diesem Teil werde ich die Leser an Angelgewässer auf der ganzen Welt mitnehmen, in denen ich besondere Raubfische fing.
Ponoi – so sah der Rhein vor 2.000 Jahren aus
Ende der 1980er Jahr gab es immer mehr Austausch auf sportlichem und kulturellem Gebiet zwischen Russland und Finnland. So eröffneten sich auch Möglichkeiten, um im hohen Norden Russlands, namentlich auf der Halbinsel Kola, zu fischen. Anfang 1990 erhielt Rapala schlussendlich eine offizielle Einladung. Einige Angelsport-Journalisten und ein Kamera-Team sollten im August am Fluss Ponoi auf Lachs fischen. Auf die Frage, ob ich Lust hätte, antwortete ich mit einem vollmundigen “Ja”. Weil ich direkt von der AFTMA-Messe in Los Angeles nach Helsinki geflogen bin, war ich bereits 26 Stunden vor Abflug am Flughafen. Nun gut, sonst klappte alles perfekt und unsere Gruppe landete nach Plan in Murmansk. Jetzt begann das Abenteuer erst richtig. Unser Hotel in dieser grauen, farblosen Stadt kostete damals einen halben Dollar pro Nacht.
Für 13 US-Dollar erhielt unsere 11-köpfige Gruppe am ersten Abend ein komplettes Abendessen. Am folgenden Morgen erfuhren wir, dass wir wegen schlechtem Wetter an unserem Bestimmungsort Kanevka, so etwa 450 Kilometer süd-östlich von Murmansk, im Hotel bleiben mussten. Auch am nächsten Tag ging es nicht los. Aber nach 44-stündigem Warten wurden wir alle am Montagmittag in einen alten Armeehubschrauber gestopft, über uns wurde dann das Gepäck gestapelt.
Mehr Flicken als Gummiboot
Aus Papier-Taschentüchern machten wir uns Pfropfen für die Ohren. Jeder von uns war erleichtert, als wir aus dieser Blechdose das 100 Seelen zählende Dörfchen Kanevka erblickten. Nach der Landung schleppten wir unser Gepäck ans Ufer des breiten Ponoi-Flusses. Unsere Guides verteilten alles in Gummiboote, die nur noch aus Reparaturflicken bestanden und mit vorgeschichtlichen Außenbordern bestückt waren. Die letzten 15 Kilometer zu unserem Camp ging es glücklicherweise stromabwärts, wir sahen regelmäßig springende Lachse. Schnell stopften wir das Gepäck in unsere Zelte, machten die Ruten fertig und stellten uns die Frage: welcher Kunstköder?
Schwere Blinker punkten
Der Ponoi war sehr breit, der Wasserstand war niedrig und wir sahen springende Lachse vor allem zwischen den Felsbrocken in der Flussmitte. Es musste also weit geworfen werden. Meine erste Wahl war ein 40 Gramm schwerer Inköö-Blinker. Damit erreichte ich die Flussmitte und auch die Lachse, die zwischen den großen Steinen standen.
Nach ein paar Minuten spürte ich den ersten knallharten Schlag in der Rutenspitze. Schnell konnte ich meinen ersten russischen Lachs von etwa 10 Pfund landen. Durch das niedrige Wasser und die vielen Felsen verloren wir eine ganze Menge Kunstköder. Ich freute mich über meine 330 Zentimeter lange schwere Spinnrute, die große Rolle mit dicker Schnur und über meine Schachtel mit 100 Blinkern, mit denen plötzlich jeder fischen wollte.
„Schwarzer Teer“ zum Mittagessen
Als ich in einem tiefen Pool mit einem blanken kupfernen Inköö einen Lachs über 10 Kilo fing, stand Risto Rapala ebenfalls neben mir, weil er mit so einem Blinker fischen wollte. Als er damit wenig später auch einen schweren Lachs erwischte, wurde dieser Löffel von ihm fast schon als Heiligtum verehrt. Ich bekam ihn nicht mehr zurück. Kein Problem, ich fing mit den anderen Blinkern ebenfalls gut. Ein paar Lachse nahm ich fürs Abendessen und für die Zubereitung von Gravad Lax mit. Es war reine „Notwehr“, denn nach zwei Tagen hatten wir alle Kartoffeln schon aufgebraucht. Wir litten aber keine wirkliche Not, die Guides sammelten im Wald allerlei Pilze. Die wurden in Stücke geschnitten, auf ein Stück Draht aufgezogen und zum Trocknen aufgehängt. Einen Tag später kamen diese getrockneten Stücke auf ein Backblech und dieses auf das Holzfeuer. Alles wurde so zu einer glänzenden schwarzen Masse. „Sieht aus wie Teer”, hörte ich Pertti sagen. Jetzt kam noch etwas gelbe Mayonnaise darüber, dann sollten wir das essen. Anfangs hatte niemand so richtig Lust auf dieses Gericht, rückblickend betrachtet, war es aber gar nicht so schlimm. Wenn man jeden Tag Lachs essen muss, dann wächst das Verlangen auf einen Hamburger oder nach Bratwurst. Wir beschwerten und aber nicht, dafür fingen wir zu gut. In fast vier Tagen effektivem Fischen fing unsere Gruppe 178 Lachse, dazu noch schöne Forellen und Saiblinge um die 45 Zentimeter. Dass ich beim Überqueren eines Zuflusses komplett im Fluss versank, dass das Bier zu schnell verdampfte und für die Moskitos unser Blut eine Delikatesse war, all das vergisst man schnell. Die einzigartige Umgebung, die langen Drills bei 25 bis 30 Grad und die Ureinwohner aus Kanevka mit ihren Rentieren und selbstgebranntem Wodka, die werde ich nie vergessen.
Ein unvergesslicher Millenium-Trip
Leider ist in dieser Folge kein Platz mehr für noch mehr Russland-Reisen, etwa zum Varzina-Fluss und verschiedenen See, von denen ich die Namen nicht mehr genau weiß. Jetzt wechseln wir in ein Angelrevier auf der anderen Seite der Welt: ins Amazonas-Gebiet.
Im Herbst 1999 erhielt ich von Sirpa Glad-Staf eine Anfrage, ob ich Lust habe, sie bei einem Rapala Sales Meeting in Sao Paulo, Brasilien, zu begleiten. Der Rapala-Vertrieb dort, Mustad Brazil, lud uns ein, um nach dem geschäftlichen Teil eine Woche lang Rapala-Kunstköder im Sao Benedito-Fluss zu testen, mitten im Regenwald. Natürlich griff ich bei dieser einmaligen Gelegenheit zu und es ging an die Vorbereitungen zu diesem “Millenium Trip”. Am 9. Februar 2000 flogen wir über Paris nach Sao Paulo, eine Stadt mit 16 Millionen Einwohnern. Ein paar Tage später flogen wir mit dem Mustad-Direktor Helge Petersen, Journalisten und Guides über Cuiaba weiter nach Alta Floreste. Von dort brachte uns eine kleine Propellermaschine der Thaimacu Lodge an unseren Bestimmungsort. In Rekordzeit zogen wir uns dort um, machten unser Angelgerät klar und in der Abenddämmerung fing ich meinen ersten Piranha.
Ich weiß noch genau, wie erstaunt ich über die Kraft dieses nur 40 Zentimeter großen Raubfisches war. Gestaunt haben wir auch über die sehr imposante Natur: Kunterbunte Schmetterlinge, so groß wie eine Männerhand, verschiedene Eisvogelarten, Geckos und Chamäleons, die in der Dunkelheit auf Insektenjagd gingen.
Jeder Wurf ein anderer Raubfisch
Am folgenden Morgen kredenzte man uns ein reichhaltiges Frühstück mit vielen frischen Früchten. Danach ging es mit zwei Anglern und Guide per stabilem Aluboot den Fluss hinauf. Wir fischten vornehmlich mit 9 und 11 Zentimeter langen Countdown-Wobblern. Es war jedes Mal eine Überraschung, welcher Raubfisch am Kunstköder hing. Ich lernte Namen wie Piranha, Matrincha, Pacu, Bicuda, Cachorra und verschiedene Arten Tucunares, besser bekannt als Peacock Bass, kennen.
Als wir mit toten Köderfischen und Fischfetzen die tieferen Stellen befischen sollten, um gute Chancen auf eine der vielen Welsarten zu haben, gab ich der aktiven Fischerei mit Kunstködern den Vorzug.
Wir haben die Schönheiten des Amazonas-Gebietes unheimlich genossen. Die Geräusche des Urwaldes und die imposanten Wasserfälle. Das beinahe tägliche Gewitter, das für Abkühlung sorgte, die vielen starken Raubfische, die wir fingen, habe ich nach 16 Jahren immer noch genau vor Augen. Ein richtiger Traum-Trip!
Bleibt noch zu sagen, dass bei unserer Rückkehr nach Alta Floreste die Fluggesellschaft, die uns nach Cuiaba fliegen sollte, Pleite gegangen war. Was nun? Nach Drohungen des Mustad Brasil-Bosses Pedersen mit hohen Schadenersatzforderungen kam dann doch noch schnell ein Flugzeug und wir waren 18 Stunden später in Amsterdam. Ende gut, alles gut!
Starke Tiger aus dem Okavango
Geplant war, dass Sirpa in der zweiten Hälfte des Jahres 2001 verschiedene Rapala- Händler in Südafrika und Botswana besuchen sollte. Kurz vor der Reise starb unerwartet ihr Partner und die Tour wurde abgesagt. Ein paar Monate später erhielt ich von Sirpa eine Anfrage, ob ich Interesse habe, Anfang 2002 mit ihr diesen zweiwöchigen Südafrika-Trip zu unternehmen. Zuerst fragte ich, ob meine Frau mich begleiten könne. Da war kein Problem, Tine und Sirpa kannten sich inzwischen schon 25 Jahre.
Wir trafen uns alle auf dem Frankfurter Flughafen und flogen zuerst nach Johannesburg, wo der Rapala-Vertreter uns enthusiastisch begrüßte. Wir wurden in einer Art Bungalowpark untergebracht, Tine nahm an einer Sightseeing-Tour durch die Stadt teil, Sirpa und ich besuchten verschiedene große Angelgeschäfte.
Eines dieser Angelgeschäfte war gleichzeitig ein Frisörsalon und der Eigentümer war durchaus zufrieden mit dieser einzigartigen Kombination – vielleicht ist diese Kombination sogar eine gute Idee. Zum ersten Mal erlebte ich die großen Vorteile eines Laptops mit Beamer und Powerpoint-Präsentation. Daheim habe ich mir diese modernen Kommunikationsmittel auch gleich zugelegt.
Nach Pretoria war Kapstadt unser nächster Bestimmungsort, zum Glück hatten wir etwas Zeit, um uns einige interessante Sehenswürdigkeiten anzusehen. Wir fuhren mit dem Auto entlang der Blumenküste nach Durban, von dort brachte uns ein Flieger nach Francistown in Botswana.
Der Eigentümer des größten Angelgeschäfts in Botswana, gleichzeitig auch Rapala-Vertrieb, sammelte uns auf. Am folgend Tag fuhren wir mit starken Allrad-Jeeps ins Okavango-Delta, wo wir ein paar Tage fischen sollten.
Wir hatten es auf den Tigerfish abgesehen, zusätzlich kann man dort mit Kunstködern verschiedene Buntbarsche (Cichliden) fangen. Wir hatten am ersten Tag gegen Mittag ein paar Stündchen Angelzeit, in dieser kurzen Zeit lernte ich sehr viel. Von 14 knallharten Anbissen auf einen 9-cm-Magnum konnte ich gerade einen Biss verwandeln. Ich war aber trotzdem froh über meinen ersten, wenn auch kleinen “Tiger”. Am Abend habe ich einige Wobbler mit 13er Gamakatsu-Drillingen nachgerüstet, eine Nummer größer als die ursprünglichen Haken. Eine gute Idee!
Gutes Hakenlöse-Werkzeug ist natürlich ein Muss. Ich hatte großen Respekt vor dem messerscharfen Gebiss dieser Raubfische, die mir die besten Drills meiner Anglerlaufbahn bescherten. Das Okavango-Delta ist ein Paradies. Er ist der einzige Fluss, der nicht in einem Meer sondern in einer Wüste, der Kalahari, mündet. Dieses Angelrevier steht bei mir unangefochten auf Nummer 1, wenn ich mich für nur ein Angelziel entscheiden müsste. Während des Rückfluges mit einem kleinen Flugzeug sahen wir über diesem Gebiet viele Elefanten und anderes Großwild. Rückblickend auf alle Angelreisen, die ich mit oder für Rapala unternommen habe, kann ich nur allen, die dies möglich gemacht haben, sehr danken. Und das tue ich mit dem finnischen Wort für Dankeschön: Kitos!
Jan Eggers
Viel weniger Fehlbisse, schnell montierte ich bei allen Ködern diese Drillinge. Die Natur war hier fantastisch! Wir mussten aber immer Abstand von den großen Nilpferd-Gruppen halten, die wir aus der Entfernung hören konnten. Trauriger Weise verlor ich zwei Mal nach langem Drill einen starken Wels, aber die vielen Tigerfische kompensierten diesen Verlust.