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Begegnungen am Wasser

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Jan Eggers (rechts) und Fred Buller, vor Bullers Laden in Amersham. Der von Peter Stone überarbeitete Weltrekord-Hecht überzeugt nicht gerade durch naturgetreue Bemalung. Bild: Jan Eggers

Von Weltrekordhechten und Riesenlachsen… Im dritten Teil seiner Serie erzählt Jan Eggers über seine letzten Treffen mit dem kürzlich verstorbenen Hechtprofessor Fred Buller.

Auf Lough Mask erlebte Fred Buller tolle Hechttage, damals wurden in England die Hechte anscheinend noch gegessen. Bild: Jan Eggers
Jan Eggers und sein Freund Hugo Martel (rechts) zu Besuch bei Fred Buller. Bild: Jan Eggers
Fred Buller liebte thailändisches Essen. Tine Eggers, Jan Eggers' Frau, fand seine Restaurantwahl ausgezeichnet. Bild: Jan Eggers
Alfred Jardine fing diesen Hecht 1879 in der Nähe von Fred Bullers neuem Cottage. Bild: Jan Eggers

Teil 3: Nach der Veröffentlichung von „Pike and the Pike Angler“ war der Druck nicht mehr so groß, unbedingt fehlende Fotos, Längen und Gewichte von Großhechten ausfindig zu machen. Meine Besuche bei Fred Buller wurden deutlich entspannter. Weniger entspannend war jedoch der enorm dichte Verkehr auf der damals neuen Ringautobahn rund um London, der M25. Ich stand dort einige Male in einem gigantischen Stau, und nicht nur ich, Fred fast jeden Tag!

Doppelter Umzug

Freds Sohn Bruce, der “Chubbs” später einmal übernehmen sollte, hatte genug vom Stau und den Park-Problemen in Nord-London. Es wurde nach einer passenden Räumlichkeit außerhalb von London gesucht, in Amersham wurden die Bullers fündig.

Zur gleichen Zeit kaufte Freds Schwiegersohn David einen Bauernhof mit den nötigen Morgen Land am anderen Ende von Amersham. Zum Bauernhof gehörte ein Cottage aus dem 15. Jahrhundert, das bis dato als Kälberstall genutzt wurde. Das Cottage musste wortwörtlich ausgemistet und renoviert werden, damit Fred Buller und seine Frau Pauline darin wohnen konnten. Danach wohnte er in der unmittelbaren Nähe der Enkelkinder, unweit des geselligen Pubs von Little Missenden und nahe beim Shardeloes-See, in dem Alfred Jardine im September 1879 seinen damaligen Rekordhecht von 35lb gefangen hatte. Dass dieses angebliche Gewicht des Hechtes 130 Jahre später für einige Diskussionen in der englischen Hechtanglerwelt sorgen sollte, ahnte damals noch niemand.

Eine besondere Jagdpartie

Schleien- und Hecht-Fachmann Fred J. Taylor (links) konnte Geschichten erzählen, man sieht es ihm an. Bild: Jan Eggers

m Herbst 1982 erhielt ich eine Einladung zur Fasanenjagd. Ich sollte unbedingt meine Frau mitnehmen, bemerkte Fred. Es wurde ein anstrengender, aber sehr schöner Herbsturlaub, in dem Freds Cottage bewohnbar gemacht wurde. Wir halfen beim Einpacken von Büchern und Perma-Produkten fürs Fliegenbinden. Dann musste ich als Treiber mit zur Jagdpartie. Der Abschluss dieses spannenden Tages in der hügeligen Landschaft von Buckinghamshire war ein Abendessen daheim bei Fred J. Taylor. Von meinen neuen Freunden erhielt ich an diesem Abend ein besonders Geschenk: einen Spitznamen, der später mein Firmenname wurde – The Pike Ferret, das Hecht-Frettchen. Während des Diners fragte Fred Taylor Fred Buller einige Male, ob er seine jungen Frettchen für die Baujagd sehen wolle. Fred B. zeigte wenig Interesse und antwortete Fred T.: “No, I am busy with my own Pike Ferret”, und zeigte dabei auf mich.

Neue Freunde bei PAC

Während einer meiner Besuche hat mich Fred zu einem Abend des Pike Anglers Club (PAC) eingeladen. Dort konnte ich berühmte Hechtangler wie Barrie Rickards, Vic Bellars, Jim Gibbinson, Martyn Page und Neville Fickling kennenlernen. Es blieb nicht bei der Einladung, auf der jährlichen PAC-Konferenz musste ich einen Vortrag über europäische Großhechte halten. Da kam mir auch die Idee, den SNB, die niederländisch-belgische Hechtstudiengruppe zu gründen. Ich arbeitete weiter an dieser Idee und am 11. März 1984 wurde der SNB gegründet, PAC-Vorsitzender Vic Bellars war der Ehrengast.

Projekte über Projekte

So lange ich Fred Buller kenne, habe ich immer wieder über die Energie gestaunt, mit der er neue Projekte in Angriff genommen hat. Nach seinem Buch “Pike II” war das nicht nur der viel Energie fressende, doppelte Umzug. Nebenher war er auch immer mit einem neuen Buch beschäftigt, und er schrieb nicht nur Bücher über den Hecht. Viele Jahre hat er zusammen mit Hugh Falkus, der 1996 verstorben ist, am Buch “Dame Juliana, The Angling Treatyse and its Mysteries” gearbeitet. Er hielt dieses Werk über das älteste englische Angelbuch für sein bestes.

In diesem Buch hat Buller weitere Geschichten über Europas Großhechte zusammengefasst. Bild: Jan Eggers

Alles in allem hat Fred 25 Jahre zusammen mit Falkus und dann noch fünf Jahre lang alleine an diesem 2001 erschienenen Buch gearbeitet. Ein Jahr vorher war “Angling, the solitary vice” erschienen, ein Buch mit 28 interessanten Themen aus der Fischwelt.

Ein wichtiges Projekt war die komplett überarbeitete zweite Auflage von “Freshwater Fishing”. Ich habe eine ganze Menge Informationen und Fotos zu diesem 325 Seiten dicken Buch beigesteuert, das Fred auch zusammen mit Falkus verfasst hat. Es ging 1988 in Druck. Für die Liebhaber von großen Hechten schrieb Buller dann 2003 noch “Great Pike Stories”, ein Buch mit Angel-Geschichten, und 2005 erschien noch “More Mammoth Pike”. Über ein weiteres, gedrucktes Lebenswerk von Fred werde ich später noch berichten. Vorher werde ich aber noch seinen größten Lebenstraum verraten: er wollte unbedingt seinen eigenen Wein machen! Wenn ich bei ihm auf Besuch war, half ich ihm dabei, Sachen für den Versand einzupacken. Zwischendurch gab es dann immer eine Teepause. Vom englischen Kaffee hielt Fred nicht viel und er freute sich, als ich ihm für die Abendstunden Kaffee aus den Niederlanden mitgebracht habe. Nach dem Kaffee war dann immer noch Zeit für ein gutes Glas Rotwein. An der Südseite seines Hauses, das er Kingham’s Vine getauft hatte, hatte sich Fred einen kleinen Weingarten angelegt. Er hatte sich sogar Bücher über die Weinherstellung gekauft, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir zusammen ein Glas “Chateau de Shardeloes” getrunken haben.

Verhinderte Angeltouren

Fred Buller mit einer schönen Forelle aus dem Lough Mask in Irland. Bild: Jan Eggers

Fred fischte gerne in Irland auf Hecht. Er hatte in früheren Jahren, als die Preise für Häuser dort noch sehr niedrig waren, ein Cottage am Ufer des Lough Mask gekauft. Wie oft er mir angeboten hat, dort einmal Angelurlaub zu machen, weiß ich nicht mehr. Endlich sollten wir einmal zusammen dort fischen, unerwartet musste ich dann aber geschäftlich in die USA. Weil ich 1985 den Schritt gewagt hatte, als freier Angeljournalist und Berater mein tägliches Brot zu verdienen, wurde die Frequenz der Briefe zwischen Fred und mir geringer. Aber immer, wenn ich Firmen wie Partridge, Normark, Drennan oder Shakespeare in England besuchte, oder auf der Messe Efttex in Birmingham war, oder Vorträge beim PAC oder der Lure Angling Society (LAS) halten sollte, besuchte ich immer auch mein großes Vorbild. Vor allem die Diskussionen mit Fred und anderen Köpfen der englischen Angelwelt, ich denke da an Fred Taylor, Colin Dyson, Kevin Maddocks oder Alan Bramley von Partridge waren inspirierend und dauerten bis in die Morgenstunden. Natürlich schickte ich immer noch Fotos und Informationen über Großhechte an Fred, vor allem Exemplare über 50lb, um die sich eine besondere Geschichte rankte. Fred verwendete diese dann in seinen neuen Büchern, etwa in “More Mammoth Pike”.

Weltrekordhecht auf Reisen

In den 90er Jahren schrieben wir uns immer weniger, wir blieben aber in telefonischem Kontakt. Fred schickte mir regelmäßig seine neuesten Bücher und ich stellte diese dann in Europas Angelzeitschriften vor. Weil ich mich nicht mehr genau an alle unsere Telefongespräche erinnern kann, habe ich über diesen Zeitabschnitt nicht mehr so viele Informationen. Zu dieser Zeit zog sich Fred auch immer mehr aus dem Geschäft Chubbs Ltd. zurück, sein Sohn Bruce übernahm die Firmenleitung. Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass Fred es bedauert hat, nun mehr daheim zu sein, als in seiner Werkstatt. Zuhause war er umringt durch viele besondere Bücher, dort fühlte er sich wie ein Fisch im Wasser. Ich bin dann noch einmal bei Fred gewesen, mit einem großen Fisch ohne Wasser. Womit? Das werde ich jetzt erzählen.

Der IGFA-Weltrekordhecht von 25 Kilo, gefangen von Lothar Louis, war von einem Hobby-Präparator ausgestopft worden. Lothar Louis war wirklich nicht zufrieden mit dem Endresultat. Peter Stone hatte mir einmal erzählt, dass er einen Hecht über 50lb kostenlos präparieren würde. Sein Angebot galt auch für diesen Rekordhecht. Ich habe also diesen Hecht zu Peter Stone gebracht, und ein Jahr später wieder abgeholt. Auf dem Rückweg habe ich “Chubbs” besucht und dieses inzwischen historische Foto gemacht.

Kompendium der Großlachse

Ende der 1990er Jahre starb Freds Frau und es brach eine schwere Zeit für ihn an. Glücklicherweise hatte er noch ein neues Projekt. Dafür hatte er mehr oder weniger sein ganzes Leben lang Notizen, Fotos, Bücher und Zeitschriften gesammelt: Salmo salar, der Atlantische Lachs. Sein Plan war “The Domesday Book of Giant Salmon” zu schreiben, darin verzeichnet alle Lachse über 50lb, die mit der Fliege, und alle Lachse über 60lb, die mit Wobbler, Blinker, Devon, Spinner usw. gefangen worden waren.

2004 erhielt ich einen Brief mit der Frage, ob ich nicht bei der Suche nach vor allem skandinavischen Großlachsen mithelfen wolle. Natürlich wollte ich das! Fred hatte 40 Jahre lang alle Informationen über große Lachse aufbewahrt, ich hatte 50 Jahre alte Abu-Kataloge, Jahrbücher und Angelzeitschriften aus Norwegen, Schweden und Finnland – nicht zu vergessen, mein Netzwerk aus guten Freunden bei Rapala, Kuusamo, Abu, Nils Master und Sölvkroken.

Viele Stunden saß Jan Eggers mit Fred Buller zusammen, um Fakten über Großhechte und Riesenlachse zu erfassen. Bild: Jan Eggers
Jahrelange Kleinarbeit: Die Großlachsliste von Fred Buller und Jan Eggers. Bild: Jan Eggers
Fred Buller bei der Vorstellung seines zweiten Lachsbuches. Bild: Jan Eggers

Die Geschichte wiederholte sich. Wie im Jahr 1981 fuhr ich auch 2004 mit einem Koffer voller Großlachs-Dokumente nach Little Missenden. Fred war sehr erstaunt. Er hatte überhaupt nicht erwartet, dass nach dem Zweiten Weltkrieg so viele 50 und 60 Pfund schwere Lachse in Flüssen wie Tana, Alta, Namsen und Mörrum sowie in der Ostsee gefangen worden waren. Seine Anerkennung gab mir ein gutes Gefühl. Wir saßen zusammen in seinem Studierzimmer mit einer Liste, auf der alle wichtigen Informationen verzeichnet wurden. Diese gingen dann zum Koautoren David Hatwell. Dave konnte gut mit Computern und Excel umgehen, und so kamen die neuen Infos auf den richtigen Platz in der Großlachs-Liste. Ein altes norwegisches Buch über den Fluss Namsen war eine Goldmine voller fehlender Daten und Fotos. In diesem Augenblick freute ich mich, dass ich einmal Schwedisch gelernt hatte und Norwegisch verstehen konnte.

Fred Bullers formidables Lachs-Buch, fast 500 Seiten dick, mit 467 dokumentierten Großlachsen ist schon jetzt ein echter Klassiker. Es wurde am 25. Oktober 2007 veröffentlicht. Als Dank für meinen Beitrag erhielt ich von Fred ein sehr originelles Geschenk: die Nummer 17 von 30 luxuriösen Autoren-Exemplaren. Danke Dir, Fred! Inzwischen ist 2010 der zweite Teil erschienen. Vor allem Leser haben eine Menge neuer Lachsgeschichten beigesteuert. Beide Bücher wurden Margaret gewidmet, der Witwe eines guten Freundes von Fred. Sie trägt inzwischen offiziell den Nachnamen Buller.

Auch in den letzten Jahren wurden immer noch Fanginformationen großer Lachse an Fred geschickt. Er hat Dave Hatwell gebeten, den dritten Teil in Angriff zu nehmen. Ich habe auch schon neue Lachsinfos an Dave geschickt, per E-Mail, das geht schneller als der frühere Brief.

Geehrt von der Queen

Im Frühjahr 2010 wurde Fred Buller offiziell durch die Queen für seinen Beitrag auf dem Gebiet der Literatur und der Angelfischerei geehrt und zum OBE ernannt. Diese Abkürzung für “Officer of the Most Excellent Order of the British Empire” durfte er fortan hinter seinem Namen führen. Er hat sich sehr über diese Ehrung gefreut, die er sehr verdient hat. Da gibt es noch so viel zu erzählen über diesen Mann, der ein guter Freund war, und dem ich so viel zu verdanken habe, weil er mein Leben total verändert hat.

An diesem Tag, an dem ich diese Zeilen schreibe, dem 9. Februar 2016, geht es Fred sehr schlecht. Dave Hatwell schrieb mir gestern in einer Mail, dass es mit Freds Gesundheit schnell abwärts gehe und er in ein Hospiz aufgenommen wurde. Wie gerne hätte ich ein fröhliches Ende dieses Zweiteilers über mein Vorbild und großen Angelfreund geschrieben, die Wirklichkeit sieht leider anders aus. Nochmals danke, Fred!

Jan Eggers

Am 16. Februar 2016 ist Fred Buller nach kurzer Krankheit im Alter von 89 Jahren verstorben. Ein Nachruf…

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