249 Hechte in 23 Stunden an nur einer Stelle! Hecht-Papst Jan Eggers über seine 19 Reisen zum Großen Sklavensee in Nord-Kanada.
Ich habe lange überlegt, ob ich noch einen ganzen Artikel über meine Erlebnisse im Norden Kanadas für diese Serie schreiben soll. Weil ich dort aber auf so viele interessante Menschen gestoßen und so viele Geschichten erlebt habe, greife ich dennoch zur Tastatur.
Guides vor Ort werden gute Freunde
Der beste Tipp, den ich vielreisenden Anglern geben kann: Mache Deine Hausaufgaben! Sammele so viele Informationen über das neue Revier wie möglich. Und engagiere einen guten Angelguide vor Ort! Schon als ich zu ersten Mal mit Bill Tenney nach Hook Island reiste, war es für uns selbstverständlich, dass Ray Beck als Guide gebucht wurde. Das war ein riesiger Vorteil, denn Ray kannte nach mehr als 50 Jahren Jagen und Angeln in diesem immens großen Gebiet das Gewässer wie seine Westentasche. Er konnte das sich schnell verändernde Wetter genau einschätzen und ging so keine unnötigen Risiken ein. Safety first, war sein Motto.
Angelguide Ray Beck mit einem Silver Pike, der zuerst samt Köder abgerissen war und dann gleich wieder einen anderen Blinker packte.
Zwei Löffel im Maul: Trotz abgerissenem Blinker am Kiefer biss dieser Hecht zehn Minuten später erneut auf einen Blechköder.
Er ging am liebsten im Winter mit seinen Schlittenhunden auf Jagd. In die Hunde hatte er mehr Vertrauen als in ein Schneemobil. Sein Sohn Arthur hatte eine Vorliebe für Motoren, er fand es spannend, mit dem Boot plus Außenborder die starken Stromschnellen in beide Richtungen zu überqueren. Dass dabei regelmäßig eine Schraube demoliert wurde, nahm er in Kauf. Ray hatte nachher wegen ihm immer eine Stinklaune. Der andere Sohn Eric Beck war da etwas vorsichtiger und sparsamer, mit dem Material und auch den gefangenen Hechten. Eric ließ uns bei einer Stromschnelle immer aussteigen, das Boot wurde dann an einem langen Tau durch das tosend weiße Wasser gezogen.
Trapper wurden zu Guides
Als die Gastangler-Gruppen größer wurden, waren auch mehr Guides notwendig. Ray organisierte einige Trapper-Kollegen. So wurden der etwa 75-jährige Vollblut-Indianer Chummy und der etwas über 50 Jahre alte Halbblut-Indianer Gus auch zu Angelguides. Neben diesen so gennannten Vollzeit-Guides habe ich im Laufe von 25 Jahren, in denen ich in dem Gebiet gefischt habe, auch acht Teilzeit-Guides erlebt. Meistens waren das irgendwelche Familienmitglieder von Ray oder Bekannte aus Fort Resolution, die im Winter, wenn der morastige Boden gefroren war, in den Minen arbeiteten. Jeder Guide hatte so seine Lieblingsstellen und machte oft ein ziemliches Geheimnis darum, als könne man nur dort die größten Exemplare erwarten.
Der Indianer Chummy verhalf Martine Leysen zu vielen großen Hechten.
Wieder geht ein Wcohe voller Erinnerungen zu Ende: Jan Eggers besucht insgesamt 19 Mal mit verschiedenen Reisegruppen den Norden Kanadas.
Angeln um den Pot
Wenn wir Amerikaner in der Angelgruppe hatten, dann war immer der schwerste Hecht der Gewinner des Pots. Jeder Angler hatte fünf Dollar Einlage als Wetteinsatz eingezahlt. Bei einer europäischen Gruppe ging es immer um den längsten Hecht, meist war dann ein Hecht von 122 Zentimetern der Gewinner. In all den Jahren habe ich dort nur zwei größere Hechte gesehen: ein Hecht von 123 Zentimetern, den ich selbst in einem tiefen Loch unter einem Wasserfall fing, und ein schönes, schlankes Exemplar von 126 Zentimetern, mit dem Andy Breker aus Bochum sehr zufrieden war.
Wenn ich die Guides aus den ersten Jahren am Taltson mit den Guides aus den letzten Jahren vergleiche, dann entdecke ich einen interessanten Unterschied. In der Zeit von Ray Beck und vom Hook Island Camp waren es vor allem ältere Guides, die sich neben dem Guiding mit der Jagd über Wasser hielten, mit Fallenstellen und der Zucht von Schlittenhunden.
Eine jüngere Generation übernimmt das Ruder
Im Jahr 2012 waren die Guides von Eric Becks Aurora Night Lodge vor allem enthusiastische Teenager und Twens, die sich so etwas dazu verdienten. Für mich war es eine schöne Erfahrung, durch junge Burschen geführt zu werden, die ich schon seit einigen Jahren kannte. So erinnere ich mich an Little Steve, der mir einmal erzählte, dass wir Kraniche gegessen hatten, und wir das Arthur Beck nicht erzählen sollten.
Die jungen Guides mit den begehrten Cola-Dosen. Unter freiem Himmel wird Whitefish geräuchert.
Noch erstaunlicher fand ich das Guiding durch Chad. Als Inuit, wir sagen da wohl Eskimo, war er als Baby von Ray Beck und dessen Tochter Rebecca adoptiert worden. Ich habe im als Knirps von vier Jahren geholfen, seinen ersten Hecht zu fangen – natürlich mit meiner Angel. Chad und Steve hatten auch noch zwei Freunden, die gerne jagten und angelten, die Grundbegriffe des Guidings beigebracht und – nicht zu vergessen – die besten Stellen verraten. Und dann gab es da auch noch Devon, der Sohn von Eric und Kim, der als Chef-Guide fungierte. Einer der größten Unterschiede zwischen den alten und den jungen Guides war die Kommunikation. Mit der Jugend gab es viel mehr Unterhaltungen im Boot. Sie waren sehr interessiert daran, wie wir in Europa lebten. Schnell wurden Web- und E-Mail-Adressen ausgetauscht.
Begehrte Cola-Dosen
Ich weiß, dass einige der damaligen Kanada-Stammgäste heute noch immer Kontakt mit den genannten Guides der Aurora Night Lodge haben, auch wird dort immer noch gut gefangen. Ein anderer großer Unterschied zwischen Senior- und Junior-Guides war auch der Cola-Verbrauch. Wenn Ray, Chummy oder Gus während des Guidings Durst bekamen, dann schöpften sie sich einen Becher Wasser aus dem Fluss oder See. Wir Angler taten das damals dann auch. Beim Shore Lunch bekam dann jeder eine Dose Cola. In Anbetracht des Vorrates musste das reichen. Das galt auch für die Dosen, die abends getrunken wurden. Diese Rationierung hatte nichts mit Geiz oder Kostenersparnis zu tun. Mehr konnte unser Wasserflugzeug eben nicht transportieren.
Die Junior-Guides konnten nicht draußen sein ohne ihre Cola-Dosen, deshalb hatten sie sich vorher um einen großen Cola-Vorrat pro Gastfischer-Boot gekümmert. Sie tranken nicht nur Cola, abends tranken sie auch gerne ein Bierchen mit, wenn wir in der Küche uns alte Videos von früheren Trips nach Hook Island ansahen.
Jetzt wo ich diese Zeilen auf dem Bildschirm sehe, bekomme ich Heimweh nach dieser Wildnis mit den vielen Meterhechten. Die Realität ist aber, dass meine gesundheitlichen Probleme, Diabetes und Parkinson, für mich eine weitere Kanada-Reise unmöglich machen, was für ein Jammer!
Wenige Frauen in der Männerwelt
Wenn ich zurückblicke auf die 19 Angelreisen, die ich in den Norden Kanadas unternommen habe, dann komme ich zu dem Schluss, dass das dort noch immer eine reine Männerwelt ist. Einen weiblichen Angelguide habe ich noch nie erlebt. Natürlich haben uns auch ein paar Frauen begleitet, um dort selbst zu fischen. Auch meine Frau Tine ist zwei Mal mitgefahren. Die weiteren “tapferen” Frauen waren Pietie Bruins, Gerda Gilis und Martine Leysen. Sie fingen alle vier einige Meterhechte und genossen die Naturschönheiten.
Der letzte Abend einer Tour: Geselliges Beisammensein beim “Restetrinken”.
Köchin und “Camp-Direktorin” Doris Beck filetiert Walleyes fürs Abendessen und ihr Enkel Chad schaut zu.
In den meisten Lodges waren es die Frauen, die die Buchungen und den Schriftverkehr übernahmen. Anfangs per Brief und Telefon, später per E-Mail. Bei unseren ersten Reisen zu Ray Beck landete das Wasserflugzeug zuerst im Dorf Fort Resolution, um Ray und seine Frau Doris aufzusammeln.
Doris sollte unsere Köchin sein und trotz der eingeschränkten Voraussetzungen, kochte sie fantastisch. Sie fertigte auch Bildchen aus Elch-Haaren, Mokassins aus Wolf- und Elchleder und entschied, wieviel Benzin jeder Guide erhielt. Unnötig weites Fahren war nicht notwendig, rund um das Camp gab es genügend Hechte.
Als immer mehr Angler das Camp buchten, erhielt sie Hilfe von ihren Töchtern Becky und Kim, auch von Erics Freundin. Mutter Doris war die Direktorin des Camps und ich vermute, dass sie die einzige war, auf die Ray hörte und von der er Ratschläge annahm. Ich war froh, als Doris später auch auf Erics Lodge zu sehen war. Als Vollblut-Indianerin fühlte sie sich in der freien Natur viel eher auf dem richtigen Platz, als in Fort Resolution, das eher einem Reservat glich und eigentlich auch eines war. Kim und ihre Tochter Deanna bereiteten das Essen mit modernen Geräten, etwa mit der Mikrowelle oder einem Elektroherd. Doris räucherte Whitefish, filetierte Walleyes und rupfte noch Enten und Gänse. Dank dieser Dame wurde jede Mahlzeit zum Fest, das Essen war Natur pur. Über die Website www.auroranights.ca von Eric und Kim erfuhr ich 2016, dass Doris gestorben war.
Von dieser Felsspitze fing Rob Jansen 249 Hechte in 23 Stunden. Im Juni wird es in Nord-Kanada nachts kaum dunkel.
Kanadische Momente, die ich nie vergessen werde
Ich könnte noch viele Artikel über den Großen Sklaven-See und den Taltson River schreiben, über die vielen Angelfreunde aus zehn verschiedenen Ländern, die hier den Angelurlaub ihres Lebens verbracht haben. Erinnerungen an heulende Wölfe, brutale Schwarzbären, Hechte fressende Schlittenhunde, schwimmende Elche, auf die gejagt wurde, und die eine wichtige Nahrungsgrundlage sind.
Tja, dann waren da auch noch viele Bieber mit ihren Burgen, die Gänse und Enten mit ihren Jungen, die zweifellos eine Beute für die Hechte darstellten. Auch der Seeadler und der Steinadler schnappten sich regelmäßig knapp unter der Oberfläche schwimmende Fische und auch Gänse- und Entenküken.
249 Hechte in 23 Stunden – an nur einer Stelle
Die Whitefisch-Schwärme, eine wandernde Coregonen-Art, mit unseren Schnäpeln verwandt, zogen nicht nur Hechte an, auch eine Gruppe Pelikane suchten diesen nördlichen Hot-Spot auf, um sich die Mägen zu füllen. Ich erinnere mich an einen Juni-Abend, an dem ich, auf eine Felsspitze stehend, zwischen 22 und 0.30 Uhr an einer Stelle 13 Meterhechte fing. Auch muss ich an Rob Jansen denken, der in 24 Stunden eine unglaubliche Strecke hinlegen konnte. Er weiß die Anzahl immer noch ganz genau, auch wenn er um 23 Uhr wegen blutender Hände stoppen musste. Er konnte 249 Hechte fangen, darunter 55 über 100 Zentimeter. Klasse!
Raubende Pelikane füllen sich die Schnäbel mit Whitefish, einer wandernden Maränen-Art.
Dieser Hecht packte beinahe gleichzeitig zwei Jerkbaits.
Bei einer unserer ersten Touren begleitete Roy Lecy seinen Sohn Ricky. Roy meinte, dass Ricky keine 5 Dollar in den Pot für den schwersten Hecht werfen sollte, denn er würde sicher keinen 20-Pfünder fangen. Der Rest der Gruppe war damit nicht einverstanden. Alle hatten eine große Freude damit, als Ricky eine fette Hechtdame von 26 Pfund fing. Unisono wurde beschlossen, dass der Pot an Ricky gehen sollte.
Wir fingen regelmäßig Hechte, denen noch der Schwanz eines kleineren Hechtes aus dem Maul hing. Ja, das sind richtige Kannibalen. Ich habe auch oft erlebt, dass ein gehakter Hecht im Drill von einem größeren Familienmitglied angefallen wurde.
Vor allem die Fischerei mit Oberflächenködern bereitete unglaubliches Vergnügen. Man sieht die Hecht kommen, den Kunstköder verfehlen, dann aufs Neue angreifen. Hier muss man etwas warten mit dem Anschlag.
Im nächsten Teil: Der Chef von Mepps
Jetzt wird es Zeit, meine Kanada-Trilogie zu beenden, und neuen Begegnungen am Wasser entgegenzusehen. Die Hauptrollen bei den zukünftigen Teilen haben etwas gemeinsam: Sie waren alle mit am Großen Sklaven-See! Bei einer der ersten Reisen nach Hook Island reiste mein guter amerikanischer Freund Mike Sheldon mit, ein gewiefter Kunstköderangler, der alle Lodges in Kanada und Alaska besucht hatte, immer mit einem geschäftlichen Hintersinn – dem Praxistest von neuen Kunstködern. Eine Aufgabe, die er als Direktor und Eigentümer des Spinner-Giganten Mepps gerne selbst erledigte. Darüber später mehr!
Jan Eggers
Zum 10 Teil der Serie “Begegnungen am Wasser” von Jan Eggers…