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Begegnungen am Wasser, Teil 18

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"Onkel Rudolf" (rechts) sowie seine beiden jungen Angelfreunde Lubos Mudroch (Mitte) und Martin Dolak (links) mit dem Rekordwels von 92 Kilo.

Jan Eggers nimmt Sie mit auf eine Waller-Expedition hinter den Eisernen Vorhang, die er 1985 zusammen mit der Karpfenangler-Legende Kevin Maddocks unternommen hat.

Wie ich im 17. Teil schon angedeutet habe, wurden wir auf unserer Fahrt durch die Tschechoslowakische Sozialistische Republik nicht nur von der Polizei aufgehalten. Wir hatten zwar eine Karte der ČSSR dabei, aber auf der waren kleinere, oft unbefestigte Wege nicht angegeben. Deshalb fragten wir regelmäßig am liebsten ältere Wanderer, die verstanden meistens Deutsch, ob wir auf gutem Wege nach Sokolska 29 in Znojmo waren. Bedenkt, dass wir im Jahr 1985 noch kein Tom-Tom und auch kein Handy hatten. Die Fahrt war wirklich eine reine Sucherei.

In England fing Kevin Maddocks damals fast nur kleine Welse. Hier ein 11-Pfünder aus dem Withy Pool.
In England fing Kevin Maddocks damals fast nur kleine Welse. Hier ein 11-Pfünder aus dem Withy Pool.

Herzlicher Empfang mit doppelten Portionen

Onkel Rudolf war sehr erfreut, als der englische Sportwagen von Kevin vor seiner Türe parkte. Wir konnten wählen zwischen Kaffee, Tee oder etwas Stärkerem aus kleinen Gläsern, nennen wir es einmal “Hausbrand”. Weil ich seit Ende 1983 mit Onkel Rudolf und den beiden jungen Anglern Lubos Mudroch und Martin Dolak korrespondiert hatte, kannte ich bereits die spannende Fanggeschichte vom 2. August 1983. Ich hatte das Glück, dass in meiner Straße eine ursprünglich aus Tschechien stammende Dame mit Namen Ivana wohnte, die mir die Briefe von Lubos und Martin, beide zwischen 14 und 15 Jahren alt, ins Niederländische übersetzen konnte. Onkel Rudolf sprach leidlich Deutsch. Beim Briefeschreiben half ihm sein Bruder Dr. Arnost Stritzko. Durch diesen ganzen Briefwechsel war es mir geglückt, diesen Waller, der 240 cm lang und 92 Kilo schwer war, als “All Tackle World Record” anerkannt zu bekommen. Man war in Znojmo und rund um den Vranov-Stausee sehr stolz auf die drei Angler, sie wurden dort wie Ehrenbürger gefeiert.

In der Angelhütte von Onkel Rudolf hingen viele Erinnerungen an schöne Welse.

Wir hatten abgesprochen, dass Onkel Rudolf, Lubos und Martin uns am folgenden Morgen die besten Wallerstellen und ihre Art des Angelns zeigen sollten. Ein Neffe von Onkel Rudolf brachte uns am frühen Abend zu unserem Hotel, wir waren nach einer Fahrt von mehr als 1.000 Kilometer ziemlich müde. Aber vorher wollten wir noch etwas im Restaurant essen. Wir bestellten ein Menü, das gut und günstig sein sollte, und das klappte auch. Nur waren die Portionen ziemlich klein. Kevin Maddocks löste das Problem, indem er für uns gleich doppelte Portionen bestellte. Wie schliefen danach wie die Murmeltiere. Das Frühstück danach war schon reichlicher und auch sehr lecker.

In dieser Bucht des Vranov-Stausees wurde der große Wels gefangen.
In dieser Bucht des Vranov-Stausees wurde der große Wels gefangen.

Spannende Geschichte erneut erzählt

Um 9 Uhr kam Onkel Rudolf mit Lubos und Martin zum Hotel und nach der herzlichen Begrüßung stieg ich in seinen ziemlich alten Skoda. Die Jungs kletterten in Kevins modernen Sportwagen. Wir fuhren zuerst zu Onkel Rudolfs Angelhütte, die direkt am Vranov-Stausee stand. Dort war er in den Sommermonaten zu finden. Wir bewunderten die vielen Trophäen, die Kiefer von großen Wallern und die Köpfe von kapitale Hechten und Zandern. Auch die großen Heintz-Blinker und die Gaffs wurden mit Interesse betrachtet.

Martin mit seinem 85 cm langen und 6,5 kg schweren Zander.
Martin mit seinem 85 cm langen und 6,5 kg schweren Zander.

Wir begriffen, warum sich unsere tschechischen Freunde so sehr über die mitgebrachte Nylonangelschnur und die Kunstköder gefreut hatten. Lubos ließ uns die kurze und sehr steife Tokoz-Meeresrute sehen, darauf eine große TAP-Rolle mit 40er Plamenka-Mono auf der Spule. Er erzählte, dass sie zu dritt vom Boot aus Kunstköder über tiefere Stellen in der Seemitte ausgeworfen hatten. Martin bekam zuerst einen Biss, er verlor aber diesen Fisch. Zehn Minuten später krümmte sich seine Rute schon wieder. Er landete einen schönen 85er Zander von 6,5 Kilo. Die Raubfische waren offenbar aktiv und um 17 Uhr sah Lubos den großen Schwanz eines kapitalen Wallers durch die Oberfläche brechen.

Lubos präsentiert den 92-Kilo-Wels.

Das war das Signal, um mit den großen Blinkern in diese Richtung zu werfen. Nach zehn Minuten spürte Lubos einen starken Schlag in der Rute, dann kreischte die Rollenbremse auf und viel Schnur wurde abgezogen. Es folgte eine sehr spannende halbe Stunde voller Emotionen. Ein Boot, dass beinahe gekentert wäre, eine Rollenspule, die sich fast leerte, Onkel Rudolf, der mit seinem Gaff den Waller im Schwanz hakte und dabei fast über Bord gezogen wurde. Martin landete den Wels mit einem zweiten Gaff und mit vereinten Kräften wussten sie irgendwie, den Kapitalen ins Boot zu bekommen. Für einen Moment war der Waller ruhig, Onkel Rudolf sprang auf den Fisch und konnte mit einem scharfen Messer ein paar Kiemenbögen durchtrennen, um den Fisch zu töten. Die Nachricht von diesem Rekordfang verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Der Waller wurde gemessen und gewogen, es wurden sehr viele Fotos gemacht, schlussendlich kam das letzte hoch offizielle Kapitel an die Reihe.

Der Wels wurde in drei gleich große Fleischportionen aufgeteilt.
Der Wels wurde in drei gleich große Fleischportionen aufgeteilt.

Alles gerecht geteilt

Von Catch and Release hatte man in Tschechien damals natürlich noch nichts gehört. Gefangene Fische wurden gegessen und große Fische wurden nach dem Fischereigesetz unter denen aufgeteilt, die bei der Landung geholfen hatten. Der Kopf war für den Fänger, also für Lubos. Er erzählte, dass der Schädel 22 Kilo auf die Waage brachte und dass wir am Abend den präparierten Kopf bewundern könnten. Kevin fragte, was denn mit dem kopflosen Rest vom Wels passiert sei. Der war in drei gleiche Teile zerschnitten und von den Familien der Angler mit viel Appetit verspeist worden. Wir haben dann mit Onkel Rudolf noch über Catch and Release diskutiert und, dass man nicht immer alle maßigen Fische mitnehmen muss. Er gab zu, dass er es unangenehm fand, den großen Fisch nach dem spannenden Drill zu töten. Wir mussten aber auch begreifen, dass frischer Fisch eine sehr willkommene Abwechslung war, von dem kargen täglichen Speiseplan der damaligen Zeit.

Mit diesen beiden Gaffs wurde der Wels in Boot gezogen.
Mit diesen beiden Gaffs wurde der Wels in Boot gezogen.

Wo wir gerade über Essen sprechen… Wir wurden am Abend zusammen mit den Familien der drei Angler eingeladen, um in einer sehr speziellen Örtlichkeit zu dinieren. Kevin konnte seinen Sportwagen beim Hotel stehen lassen, wir mussten nur 400 Meter laufen. Zu unserer großen Überraschung waren da kein Restaurant oder ein anderes Gebäude, viel mehr nur ein Tor und dahinter einen Steintreppe, die nach unten führte. Lubos’ Vater erzählte mir, dass dort in dem Kalksteinboden ein regelrechtes Höhlensystem entstanden war, in dem er unter anderem auch seinen selbstgemachten Wein lagerte. In einem der breiten Gänge standen nett eingedeckte Tische und auch Stühle dazu. In der Mitte der Grund für dieses Treffen: Der Kopf des 92-Kilo-Wallers! Wir haben an diesem Abend viele Produkte der Region gegessen und vor allem auch getrunken. Es war sehr interessant zu sehen, wie Karpfen-Spezi Kevin Maddocks sich geräucherten, frittierten und marinierten Karpfen mit Weißwein schmecken ließ. An diesem Abend wurden Angeltage im späteren Jahr abgesprochen, bei unserem ersten Besuch war leider gerade Schonzeit.

So sah der präparierte Wallerkopf aus.
So sah der präparierte Wallerkopf aus.

Dieses Untergrund-Treffen war wirklich einer der schönsten und denkwürdigsten Momente in meinem Sportfischerleben. Beim Drillen von großen Welsen am Ebro in Spanien, auf dem Ossiachersee und dem Okavango-Fluss in Botswana habe ich an diesen Abend zurückgedacht. Kevin Maddocks hat sich nach seiner Rückkehr noch mehr in der “Catfish Conservation Group” engagiert und noch viele Welse in Europa gefangen.

Die Trophäen-Sammlung von Lubos Mudroch.
Die Trophäen-Sammlung von Lubos Mudroch.

Große Hechte und Wobbler an der Wand

Weil wir wegen der Schonzeit nicht fischen konnten und wir noch ein paar Tage Zeit hatten, Kevin hatte erst dann die Fährüberfahrt nach England gebucht, beschlossen wir, ein paar andere tschechische Bekannte anzurufen.  Zu allererst kam mir Hecht-Fanatiker Jiri Blaha in den Sinn, der 1979 einen Hecht von 25,4 kg im Lipno-Stausee gefangen hatte. Er war stets auf der Suche nach noch größeren Exemplaren. Er ging nicht ans Telefon, wahrscheinlich war er beim Fischen…

Chefredakteur Bedrich Hala von der Angelzeitschrift Rybarstvi war kurz vor Redaktionsschluss voll im Stress. Er fragte, ob wir nicht eine Woche später vorbei kommen könnten, aber das passte uns beiden natürlich nicht. Da blieb nur noch mein Korrespondent für Großhechte in der ČSSR, mein guter Freund Tomas Kroupa, der in der Stadt Kutna Hora wohnte. Er konnte sich einen Tag freinehmen, besorgte uns einen Schlafplatz bei seinen Eltern und verbesserte so sein Englisch.

Nach dieser Reise fing Kevin größere Welse, hier ein Fisch von 74lb aus dem Ebro in Spanien.
Nach dieser Reise fing Kevin größere Welse, hier ein Fisch von 74lb aus dem Ebro in Spanien.

Diesmal wurden wir unterwegs nicht von der Polizei angehalten, der Empfang war wieder sehr herzlich. Über meine Großhecht-Artikel in der Zeitschrift Rybarstvi und meinen Aufruf, einen Korrespondenten für die ČSSR zu finden, war ich mit Tomas – der Ingenieur sprach halbwegs Englisch – in Kontakt gekommen.

Er war sehr aktiv im Aufspüren von Hechten über 18 Kilo und den zugehörigen Fotos, die wir meistens durch die Unterstützung von Bedrich Hala über die Zeitschrift Rybarstvi bekamen. Dadurch erhielt Tomas auch die Möglichkeit, selbst Artikel für dieses Blatt zu schreiben. Die handelten meistens über die Angelei mit Kunstködern. Diese Angelart war damals neu in Tschechien, die Köder schwer zu bekommen oder sehr teuer.

Tomas Kroupa thront über seinen Hechtangelbüchern.
Tomas Kroupa thront über seinen Hechtangelbüchern.

Als ich Tomas fragte, ob er schon Hechte mit den neuen Rapala-Modellen, die ich ihm geschickt hatte, fangen konnte, nahm er mich mit in sein Schlafzimmer. Zu meiner großen Verwunderung hingen da fein aufgereiht in den Originalschachteln die noch nagelneuen Rapala-Wobbler. Sie waren einfach zu teuer, um damit zu fischen, das Risiko zu groß, sie zu verlieren. An der Schlafzimmerwand präsentiert, konnte er seinen Angelkollegen zeigen, welche besonderen Wobbler er besaß. Er fühlte sich dann wie ein König in seinem Reich.

Als ich später diese Geschichte in Finnland dem großen Chef Jarmo Rapala erzählte, sorgte er dafür, dass Tomas ein paar Werbe-Schautafeln mit Wobblern für die Wand bekam und dazu noch andere Wobbler, mit denen er auch fischen konnte.

Sirpa Glad-Staf von Rapala überreicht Tomas eine Rapala-Tafel für sein Schlafzimmer. Der Tscheche stellte diese Köder dann in den Angelmagazinen seines Landes vor.
Sirpa Glad-Staf von Rapala überreicht Tomas eine Rapala-Tafel für sein Schlafzimmer. Der Tscheche stellte diese Köder dann in den Angelmagazinen seines Landes vor. Bilder: Jan Eggers

Ein Problem in dieser Zeit des Kalten Krieges und der kommunistischen Ideologie war, dass viele Postsendungen, auch wenn man sie eingeschrieben verschickte, nie in der Tschechoslowakei ankamen. Ich kämpfte gegen großen bürokratischen Aufwand dafür, dass Tomas eine Woche nach Bovenkarspel reisen durfte. Ich musste dafür garantieren, dass er die Rückreise per Zug auch wieder antritt. In dieser Woche fischten wir sehr viel und er fing seinen allerersten Meterhecht an einem kleinen See bei Hensbroek.

In Kutna Hora beobachtete Kevin, wie mit primitiven Methoden Karpfen für die Küche gefangen wurden. Er schenkte Tomas ein Exemplar seines Buches “Carp Fever”, so konnte der Tscheche die neuen englischen Methoden erstmals in der Zeitschrift Rybarstvi präsentieren, was dann auch passierte.

Am nächsten Tag fuhren wir über Pilzen und Nürnberg wieder zurück in die Niederlande. Alles in allem war das ein sehr denkwürdiger Trip mit Kevin Maddocks. Im nächsten Teil gehe ich mit einem anderen englischen Karpfen-Profi auf Tour. Wer das sein wird? Nur noch etwas Geduld…

Jan Eggers

Begegnungen am Wasser, Teil 17

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