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Heringslarven unter Stress

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Riesige Schwärme von Heringslarven vor Helgoland. In der westlichen Ostsee nehmen die Bestände jedoch stark ab. Foto: Ture Tempelmann
Riesige Schwärme von Heringslarven vor Helgoland. In der westlichen Ostsee nehmen die Bestände jedoch stark ab. Foto: Ture Tempelmann

Das Auftreten mehrerer Stressfaktoren belastet junge Heringe: Wenn Larven der Schwarmfische mehreren Stressfaktoren gleichzeitig ausgesetzt sind, verringert sich ihre Fähigkeit, auf Veränderungen zu reagieren.

Experimente eines Teams aus Oldenburg und Kiel zeigen, dass dafür schon eine Kombination aus zwei Faktoren ausreicht.

Wenn Heringslarven mehreren Stressfaktoren gleichzeitig ausgesetzt sind, vermindert sich ihre Fähigkeit, auf molekularbiologischer Ebene auf diese Veränderungen zu reagieren: Bereits bei einer Kombination aus zwei Faktoren bleibt eine schützende Antwort aus. Das ist das Ergebnis eines Experiments, das ein Team um Dr. Andrea Franke vom Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB) in Kiel durchführte. Die Forschet setzten Heringslarven aus der Ostsee Stress durch erhöhte Temperaturen, Bakterien und eine Kombination aus beidem aus. Die Ergebnisse veröffentlichten sie in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Science of the Total Environment“. An der Studie waren außerdem Forscherinnen und Forscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und der Universität Kiel beteiligt.

Die Fachleute schauten sich in ihrem Experiment drei Arten von Reaktionen an, um herauszufinden, wie die Heringslarven auf verschiedene Kombinationen von Umweltveränderungen reagierten. Zum einen untersuchten sie die Aktivität aller Gene der Larven, die sogenannte Genexpression. Zum zweiten untersuchte das Team sogenannte microRNA. Dabei handelt es sich um kurze Moleküle, die im komplexen Prozess der Herstellung von Proteinen eine hemmende oder unterstützende Wirkung haben können. Über die Genexpression und über die microRNA verfügt ein Organismus über Möglichkeiten, die Bildung von Proteinen zu regulieren und somit auf Umweltveränderungen zu reagieren. Als drittes betrachteten sie das Mikrobiom der Heringslarven: Sie ermittelten anhand von Genanalysen, welche Mikroben auf und in den Tieren leben.

Gene unter Stress

Bei allen drei Analysen konnten sie Veränderungen feststellen. Besonders eindrücklich zeigte sich eine Reaktion der Larven bei der Genexpression: Waren die Tiere einer Hitzewelle oder Bakterien ausgesetzt, konnten die Forscher beobachten, dass ein großer Teil der Gene herunterreguliert war. Dies werten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als zelluläre Stressantwort, die dem Schutz von Proteinen und der Erbsubstanz DNA dient und dazu beiträgt, irreversible Zellschäden zu vermeiden.

Aus fünf Millimeter langen Heringslarven werden innerhalb eines Jahres rund zehn Zentimeter lange Jungtiere. Foto: Ture Tempelmann
Aus fünf Millimeter langen Heringslarven werden innerhalb eines Jahres rund zehn Zentimeter lange Jungtiere. Foto: Ture Tempelmann

Schlechte Aussichten für die Heringsbestände

Überraschend war allerdings, dass diese Stressantwort komplett ausblieb, wenn die Larven einer Hitzewelle und gleichzeitig den Bakterien ausgesetzt waren. „Wir hatten nicht erwartet, dass die Larven keine Reaktion auf der Ebene der Genexpression mehr zeigen, wenn mehreren Stressfaktoren gleichzeitig auftreten. Das kann bei den Larven zum Beispiel zu Proteinschädigungen und Zellschäden führen und ihr Wachstum und Überleben langfristig beeinträchtigen“, so Erstautorin Franke. Für den Heringsbestand der westlichen Ostsee, der bereits stark dezimiert ist und sich auf einem historischen Tief befindet, wären das schlechte Nachrichten.

Bisher wurde in vergleichbaren Experimenten meist nur der Effekt einzelner Stressfaktoren auf Fischlarven untersucht. Das entspreche allerdings nicht unbedingt der Realität, betont Franke: „Der Klimawandel führt oft dazu, dass Meereslebewesen und Ökosysteme mehreren Belastungen gleichzeitig ausgesetzt sind.“ Mögliche Nachfolgestudien unter Klimawandelbedingungen könnten Franke zufolge untersuchen, ob sich die Beobachtungen auch bei längerfristig angelegten Experimenten bestätigen und welche Konsequenzen das für die Überlebensfähigkeit der Fische hat.

-Pressemitteilung Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg-

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