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Fjord in Grönland erzeugt Erdbeben-Signal

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Ein ganzer Berggipfel (Bild links) rutschte in den Fjord und löste ein weltweit erkennbares seismisches Signal aus. Fotos: Søren Rysgaard (links), Danish Army (rechts). Collage: Elias Kobel, KIT
Ein ganzer Berggipfel (Bild links) rutschte in den Fjord und löste ein weltweit erkennbares seismisches Signal aus. Fotos: Søren Rysgaard (links), Danish Army (rechts). Collage: Elias Kobel, KIT

Im September 2023 registrierten Erdbebenmessgeräte weltweit ein einzigartiges seismisches Signal, das stellenweise bis zu neun Tage lang sichtbar war. Verursacht wurde es durch einen massiven Erdrutsch im Dickson-Fjord in Grönland.

Was diesen auslöste und warum das Signal so lange anhielt, haben Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der ganzen Welt untersucht. Sie fanden heraus, dass die Quelle der Schwingungen das anhaltende Hin- und Herschwappen von Wasser in dem engen Fjord war. Die Fachleute zeigten auch den Zusammenhang zwischen dem Erdrutsch und dem Ausdünnen eines Gletschers auf, das sie auf den Klimawandel zurückführen. Ihre Ergebnisse haben sie in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

Wie ein monotones Brummen

Mit empfindlichen wissenschaftlichen Instrumenten, den Seismometern, lassen sich Schwingungen aufzeichnen, welche die Erde durchdringen. Die Geräte messen diese seismischen Wellen in der Regel bei Erdbeben, sie können aber auch Informationen über Bewegungen großer Wasser- oder Erdmassen an der Erdoberfläche erfassen. „Im September 2023 entdeckten wir ein Signal, das global zu erkennen war“, sagt Dr. Thomas Forbriger vom Geophysikalischen Institut des KIT. „Es sah völlig anders aus als ein Erdbeben. Das Signal war eine Schwingung mit einer einzigen dominierenden Frequenz, wie ein monotones Brummen, das sehr langsam abklingt.“

Um dem Phänomen auf den Grund zu gehen, schlossen sich 68 Forscherinnen und Forscher aus 40 Einrichtungen in 15 Ländern und unterschiedlichen Disziplinen zusammen. Sie kombinierten Seismometer- und Infraschalldaten, Feldmessungen, Boden- und Satellitenbilder, Simulationen von Tsunamiwellen sowie Bildmaterial des dänischen Militärs. „Dank dieser disziplinübergreifenden Zusammenarbeit und der einzigartigen Kombination aus lokalen Daten und globalen Fernbeobachtungen konnten wir die außergewöhnliche Abfolge der Ereignisse rekonstruieren“, so Forbriger. „Dazu haben Messdaten von der Qualität, wie sie das KIT und die Universität Stuttgart am geowissenschaftlichen Black Forest Observatory aufzeichnen, entscheidend beigetragen.“

Über Tage schwappendes Wasser in Fjord erzeugte Signal

Über kürzlich zu diesem Thema bereits veröffentlichte Ergebnisse hinaus, konnten die Forschenden mithilfe der Vor-Ort-Beobachtungen und der Messdaten direkt aus dem abgelegenen Dickson-Fjord in Grönland ein realistisches hochaufgelöstes numerisches Modell erstellen, mit dem sie das Ereignis rekonstruieren und die Ursache des Signals belegen konnten. Das Modell ergab, dass eine „Seiche“ für die auf global messbaren Schwingungen verantwortlich war. Dieses Phänomen ähnelt dem Hin- und Herschwappen von Wasser in einer Badewanne, das entsteht, wenn man auf einer Seite einsteigt und dabei das Wasser verdrängt.

Sturz eines Berggipfels in den Fjord

Die Seiche wurde durch einen massiven Erdrutsch im Fjord verursacht. Auslöser war der Einsturz eines Berggipfels, der sich zuvor 1.200 Meter über den Fjord erhob. „Das Volumen des herabstürzenden Materials war enorm – mehr als 25 Millionen Kubikmeter. Das ist genug, um 10 000 olympische Schwimmbecken zu füllen“, so Kristian Svennevig vom Geologischen Dienst von Dänemark und Grönland (GEUS), der die Untersuchungen koordiniert hat. Die herabstürzende Masse verdrängte eine große Wassermenge im Fjord, die als anfangs 200 Meter hoher Megatsunami aus diesem hinauslief. Die durch das nur wenige Minuten dauernde Ereignis entstandenen Wasserwellen schwappten daraufhin Tage lang in dem engen Fjord hin und her.

Seismische Wellen durch Wassermassenbewegung

Die Berechnungen der Forschenden ergaben, dass das Wasser mit einer Periode von circa 90 Sekunden quer zum Fjord hin- und herschwappte, was der Schwingungsperiode der beobachteten seismischen Wellen entspricht. „Dass er zu einer solchen Schwingung fähig ist, scheint eine besondere Eigenschaft des Dickson-Fjords zu sein. In der wissenschaftlichen Literatur gibt es bisher praktisch keine Berichte über Schwappschwingungen dieser Frequenz, die derart langsam abklingen. Unsere Beobachtung ist auch in dieser Hinsicht einzigartig“, betont Rudolf Widmer-Schnidrig von der Universität Stuttgart.

Die Bewegungen der großen Wassermasse erzeugten seismische Wellen, die an den nächsten Messstationen über neun Tage lang messbar waren. Die Wellen liefen um die Erde und waren bis in die Antarktis in fast 20 000 Kilometern Entfernung beobachtbar. Der Studie zufolge war der Tsunami einer der höchsten in der jüngeren Geschichte. Außerhalb des Fjords beschädigten vier Meter hohe Wasserwellen eine Forschungsbasis auf der 70 Kilometer entfernten Insel Ella und zerstörten kulturelle sowie archäologische Stätten im gesamten Fjordsystem.

Gletschereis auf dem Rückzug

Die Forscherinnen und Forscher untersuchten auch, wie es zu dem massiven Erdrutsch kommen konnte. Auf Satellitenbildern konnten sie erkennen, dass sich der Gletscher am Fuß des Berges in den letzten Jahrzehnten stark ausgedünnt hat. Der Erdrutsch und der Tsunami seien zudem die ersten, die in Nordost-Grönland beobachtet wurden. Die Forschenden führen das Ereignis auf den Klimawandel zurück. Es zeige, dass sich dieser auch dort bereits stark auswirkt. Die Untersuchungen verdeutlichen die Zusammenhänge zwischen dem Klimawandel und Prozessen in der Atmosphäre, der Destabilisierung des Gletschereises (Kryosphäre), den Bewegungen von Wassermassen (Hydrosphäre) und der festen Erdkruste (Lithosphäre).

Die Fachleute planen, seismische Instrumente im Dickson-Fjord zu installieren, um das Gebiet noch besser zu verstehen. „Bei diesem Ereignis hatten wir Glück, dass keine Menschen verletzt wurden. Aber unsere Studie zeigt, dass es angesichts des sich rasant beschleunigenden Klimawandels wichtiger denn je sein wird, auch Regionen, die bisher als stabil galten, zu charakterisieren und zu überwachen“, sagt Svennevig. „Nur so können wir künftig rechtzeitig vor solchen massiven Erdrutschen und Tsunamis warnen.“

-Pressemitteilung KIT-

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