Wasserpflanzen in Seen und Flüssen bieten wichtige Rückzugsgebiete für Tiere, bringen Sauerstoff ins Wasser und entfernen Nährstoffe. Dennoch sie sind nicht überall beliebt: Manch einen stören sie beim Angeln oder Wassersport, außerdem verändern sie die Hydrologie eines Gewässers.
Treten Wasserpflanzen in Massen auf, werden sie daher häufig entfernt. Forscherinnen und Forscher unter Beteiligung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben in Freilandexperimenten untersucht, warum es zu solchen Massenentwicklungen kommt und welche Folgen das Entfernen hat. Wie die Auswertung verschiedener Managementansätze zeigte, kann auch die Option „nichts tun“ in Betracht gezogen werden.
Wasserpflanzen (Makrophyten) können auf unterschiedliche Weise wachsen: Einige schwimmen frei ohne Wurzeln an der Wasseroberfläche, andere wurzeln am Gewässergrund und bilden Schwimmblätter, die aus dem Wasser ragen, wieder andere bleiben ganz untergetaucht. Bei optimalen Bedingungen können sie sich massenhaft ausbreiten. Dies ist entweder der Fall, wenn wachstumsfördernde Faktoren wie ein hohes Nährstoff-, Licht-, und Kohlenstoffangebot und warme Temperaturen vorliegen. Oder wenn Störungen, die das Pflanzenwachstum hemmen – wie starke Strömung, Überschwemmungen, Trockenheit und Pflanzenfraß – seltener oder gar nicht mehr auftreten.
Spree und Kemnader See: Regulierte Strömung begünstigt Wasserpflanzenwachstum
Solche natürlichen Störungen fehlen zum Beispiel in begradigten und strömungsregulierten Fließgewässern: So ist die Spree durch Regulierung zu einem langsam fließenden Fluss geworden, dessen Nährstoffgehalt das Wachstum verschiedener einheimischer untergetauchter Wasserpflanzen begünstigt.
Im Fall des Kemnader Sees, einem Stausee bei Bochum, ist durch die Regulierung der Ruhr ein nährstoffreicher See mit großen Flachwasserzonen entstanden, dessen Dynamik kaum noch durch Überschwemmungen oder Trockenperioden verändert wird und so eine Massenentwicklung der nicht heimischen Schmalblättrigen Wasserpest fördert.
„Die Massenentwicklung von Makrophyten in nährstoffreichen, sommerwarmen, regulierten Flüssen ist ein bekanntes Phänomen. Doch auch bei der Regulierung von nährstoffarmen, kalten Flüssen sollte das Risiko von Massenentwicklungen von Wasserpflanzen berücksichtigt werden. Durch die Regulierung verliert das System an Dynamik, da der Wasserabfluss gleichmäßiger erfolgt. Das allein kann Massenentwicklungen fördern, auch wenn der Nährstoffgehalt gering ist“, sagt IGB-Forscherin Dr. Sabine Hilt, die an der Studie beteiligt war.
Nutzer empfinden Wasserpflanzen als störend
Doch wie nehmen die Menschen vor Ort Wasserpflanzen wahr? Wenig überraschend ergaben die im Rahmen der Studie durchgeführten Befragungen von Anwohnern und Gewässernutzern, dass Wasserpflanzen umso häufiger als störend empfunden werden, je dichter sie sind – bezogen auf die Bewuchsfläche und die Wuchshöhe. Ab wann eine Störung wahrgenommen wird, ist abhängig vom jeweiligen Gewässertyp und der befragten Nutzergruppe.
Im Untersuchungsgebiet der Spree (zwischen Große Tränke und Dämeritzsee) empfanden 80 Prozent der Anwohnerinnen und Anwohner, aber nur 63 Prozent der temporären Gewässernutzerinnen und Gewässernutzer die Massenentwicklung einheimischer Wasserpflanzen als störend. Beide Gruppen sorgten sich um die biologische Vielfalt. Die Anwohnerschaft war jedoch stärker über die Auswirkungen der Massenentwicklung auf die biologische Vielfalt beunruhigt als die Erholungssuchenden. „Das ist erstaunlich, denn heimische Wasserpflanzen fördern die biologische Vielfalt. Das wird aber offenbar nicht so wahrgenommen“, stellt Sabine Hilt fest.
Am Hartbeespoort-Damm in Südafrika, wo die Forscherinnen und Forscher ebenfalls Befragungen durchführten, empfanden sogar mehr als 90 Prozent der Besucher und Anwohner die massive Ausbreitung der nicht heimischen Wasserhyazinthe als störend. Dabei ging es den Menschen in erster Linie um die biologische Vielfalt und erst in zweiter Linie um das Bootfahren und die Schönheit der Landschaft. „Das hohe Störungsempfinden könnte damit zusammenhängen, dass der Kampf gegen die Wasserhyazinthe den Menschen dort seit Jahrzehnten bekannt ist, verbunden mit der hohen Bedeutung des Gewässers für das ganze Land“, ordnet Sabine Hilt die Ergebnisse ein.
Effekte der Entfernung von Wasserpflanzen auf das Gewässer
Eine häufige Maßnahme zur Bekämpfung von Wasserpflanzen ist das Krauten, also das Mähen oder mechanische Entfernen mit Mähbooten. Wie sich die Pflanzenmahd auf die Ökologie, die Wasserqualität und den Wasserhaushalt auswirkt, untersuchte das Forschungsteam in Vorher-Nachher-Feldexperimenten an den sechs Seen, Stauseen und Flüssen. „Da Wasserpflanzen auch wichtige Ökosystemleistungen für uns Menschen erbringen, ist es wichtig, die möglichen negativen Folgen der Entfernung zu kennen und diese im Gewässermanagement gewissenhaft und nach guter fachlicher Praxis abzuwägen“, sagt IGB-Forscher Dr. Jan Köhler, Mitautor der Studie.
- Wasserhaushalt: Wasserspiegel kann absinken – das kann gut oder schlecht sein
In Flüssen und Bächen verengen dichte Wasserpflanzenbestände den Fließquerschnitt und erzeugen Turbulenzen um Stängel und Blätter, die die Strömung verlangsamen. In der Folge erhöhen dichte Pflanzenbestände den Wasserstand flussaufwärts. Die Forscherinnen und Forscher analysierten langjährige Daten zu Abfluss, Wasserstand und Wasserpflanzenbiomasse, um den Staueffekt zu berechnen. Im untersuchten Abschnitt der Spree erhöhten bewurzelte Wasserpflanzen den mittleren Wasserstand um 60 bis 90 Zentimeter (Mittelwerte Juni und Juli 2011-2021) und verlangsamten die mittlere Fließgeschwindigkeit um 35 Prozent. Je nach Gewässertyp kann dieser Effekt vorteilhaft oder nachteilig sein: „Bei hohen Abflüssen kann dieser Staueffekt lokal das Hochwasserrisiko erhöhen. In Flüssen und Bächen mit geringer bis mäßiger Wasserführung kann die Stauwirkung der Wasserpflanzen dagegen von Vorteil sein. Durch den hohen Wasserstand im Fluss wird auch der Grundwasserspiegel in der angrenzenden Aue angehoben. In der Spree spiegeln sich Änderungen des Flusswasserspiegels innerhalb weniger Stunden im Grundwasser wider. Dadurch können Trockenperioden gemildert werden. Die größere Heterogenität bietet außerdem zusätzliche Lebensräume und kann die Artenvielfalt fördern“, erklärt Jan Köhler.
Wie sich die Entfernung der Pflanzen genau auf den Wasserstand auswirkt, hängt von der räumlichen Ausdehnung und der Intensität der Entfernung ab. Um einen Staueffekt vollständig zu verhindern, müssten alle Makrophyten auf einer ausreichend langen Strecke entfernt werden. An der Spree wurde beispielsweise seit 2002 jeden Sommer gemäht, in manchen Jahren auf der gesamten 34 km langen Strecke, in anderen Jahren auf Abschnitten von 3 bis 8 km Länge. Die Wasserstände sanken in den gemähten Abschnitten um 20-30 cm, allerdings nur für wenige Wochen, bis die Wasserpflanzen wieder nachwuchsen.
- Kohlenstoff- und Nährstoffkreislauf: Weniger Pflanzen, mehr Nährstoffe
Die Entfernung von Wasserpflanzen kann die Nährstoffbelastung erhöhen. In den Feldexperimenten wurde die Wasserchemie in Kontroll- und Belastungsgebieten vor, eine Woche nach und sechs Wochen nach der Entfernung der Wasserpflanzen gemessen. An mehreren Standorten zeigten diese Vorher-Nachher-Messungen einen Anstieg der Nährstoffkonzentrationen, so beispielsweise auch an der Spree und im Kemnader See. Das liegt daran, dass Wasserpflanzen Nährstoffe aufnehmen. Außerdem filtern sie Partikel aus dem Wasser und fördern die Sedimentation von Schwebstoffen. Die Nährstoffbelastung kann aber auch steigen, wenn bei der Entfernung Nährstoffe aus dem Sediment freigesetzt werden.
- Eindämmung invasiver Arten: Andere Arten füllen die Lücke
„Nicht heimische Wasserpflanzenarten können die lokale aquatische Artenvielfalt durch Ressourcenkonkurrenz oder Lebensraumveränderung bedrohen. Das ist eigentlich ein gutes Argument für ihre Entfernung. Studien wie unsere haben jedoch gezeigt, dass die gezielte Entfernung nicht heimischer Wasserpflanzen keine Garantie dafür ist, dass das Problem der empfundenen Belästigung gelöst wird. Andere heimische oder nicht heimische Arten können dann den Lebensraum besiedeln und ähnliche Probleme für die Nutzer des Ökosystems verursachen“, sagt Sabine Hilt.
Ein Beispiel: Im Freilandexperiment am südafrikanischen Hartbeespoort-Stausee wurde die Massenentwicklung der nicht heimischen, frei schwimmenden Wasserhyazinthe biologisch kontrolliert, indem Insekten ausgesetzt wurden, die sich gezielt von der Wasserhyazinthe ernähren und keine anderen Pflanzen fressen. Die Forschenden fanden erste Anzeichen dafür, dass eine andere, ebenfalls invasive frei schwimmende Pflanzenart, der Kleine Schwimmfarn, die Oberhand gewinnt, wenn die Wasserhyazinthe zurückgedrängt wird.
- Biologische Vielfalt: Strukturreiche Lebensräume können verloren gehen
Wasserpflanzen sorgen in der Regel für eine hohe Strukturvielfalt im Gewässer, die vielen Organismen Lebensraum und Unterschlupf bietet. Darüber hinaus stellen sie eine wichtige Nahrungsquelle für Wasserorganismen dar. Verschiedene Studien zeigen trotz hoher Variabilität der Ergebnisse, dass in flachen Seen mit hohem Wasserpflanzenbestand generell eine höhere Vielfalt an Zooplankton, Wirbellosen, Fischen und Vögeln vorkommt.
In der aktuellen Studie waren die Ergebnisse nicht so eindeutig; An einigen Standorten war die Biodiversität bei starkem Wasserpflanzenbewuchs sogar geringer oder es gab keinen erkennbaren Unterschied. „Dies könnte auf das Auftreten dichter, artenarmer, häufig nicht heimischer Wasserpflanzenteppiche zurückzuführen sein, die die vielfältigere einheimische Vegetation verdrängen können. Dies führt zu einer Homogenisierung der aquatischen Lebensgemeinschaften und in einigen Fällen zu sauerstoffarmen Bedingungen, was sich wiederum negativ auf die aquatische Artenvielfalt auswirkt“, erklärt Sabine Hilt.
Management von Wasserpflanzen nutzt vor allem dem Erholungswert
Da die Ursachen für die Massenentwicklung von Wasserpflanzen oft schwer zu bekämpfen sind, werden jedes Jahr erhebliche Mittel für ihre Entfernung aufgewendet, obwohl dies nur eine kurzfristige Wirkung hat. Ziel der Entfernung kann es sein, Überschwemmungen angrenzender Grundstücke oder die Verstopfung von Wasserkraftwerken und Wasserleitungen zu verhindern oder Freizeitaktivitäten wie Bootfahren, Schwimmen und Angeln zu erleichtern.
„Bei der Entscheidung, ob Wasserpflanzen gemäht werden sollen oder nicht, bietet das Konzept der Ökosystemleistungen einen geeigneten Rahmen. In dieser Studie haben wir zwölf Ökosystemleistungen von Gewässern identifiziert, die durch Massenentwicklungen von Wasserpflanzen beeinflusst werden – entweder positiv oder negativ. Indem wir die Ökosystemleistungen in Geldeinheiten pro Flächen- und Zeiteinheit ausgedrückt haben, konnten wir sie summieren und ihren ökonomischen Gesamtwert abschätzen“, sagt Sabine Hilt. Das Forschungsteam berechnete den jeweiligen Wert für drei Szenarien: 1) nichts tun, 2) derzeitige Managementpraxis mit teilweiser Entfernung der Pflanzen und 3) maximale Entfernung.
Insgesamt zeigte sich, dass die Ökosystemleistungen für die Erholung – wie Angeln, Baden, Bootfahren – den gesellschaftlichen Gesamtwert des Wasserpflanzenmanagements dominieren. Allerdings waren nur wenige Erholungssuchende bereit, für eine intensivere Entfernung von Wasserpflanzen zu bezahlen. Dies deckt sich mit anderen Studien, die jedoch oft nur einzelne Erholungsformen wie Angeln betrachten und nicht-monetäre Ansätze verwenden.
Zielkonflikt an der Spree: Landwirtschaftlicher Nutzen versus biologische Vielfalt
Im Fall der Spree stellten die Forscherinnen und Forscher einen deutlichen Zielkonflikt zwischen den Ökosystemleistungen fest: Szenario 3 mit der maximalen Entfernung der Pflanzen führte zu einem höheren Wert der Futtermittelproduktion aus den landwirtschaftlichen Auenwiesen (plus 40 Prozent), da der niedrigere Grundwasserspiegel die Produktionskapazität der Aue erhöhte. Gleichzeitig führte die Absenkung des Grundwasserspiegels aber auch zu einem Rückgang der biologischen Vielfalt (minus 50 Prozent), wahrscheinlich insbesondere von auf der Roten Liste stehenden Feuchtgebietspflanzenarten in den Auenschutzgebieten.
„Unsere Erhebungen haben gezeigt, dass Managemententscheidungen bisher oft nur auf den Bedürfnissen einer bestimmten Nutzergruppe beruhen. Der gesamtgesellschaftliche Nutzen der Entfernung von Wasserpflanzen ist aber nicht größer, als wenn man sie wachsen lässt. Die Option des ‚Nichtstuns‘ im Umgang mit als störend empfundenen Wasserpflanzen sollte daher nicht zu schnell verworfen werden“, fasst Sabine Hilt die Ergebnisse zusammen.
-Pressemitteilung Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB)-