Zielfische Karpfen Karpfen am Kanal

Karpfen am Kanal

Hier riecht‘s förmlich nach Karpfen. Beim Fischen im Kraut empfehlen sich dicke, geflochtene Schnüre.

Am Kanal gestaltet sich die Wahl des zu beangelnden Ufers schwierig. Nicht immer beißt es an beiden Ufern gleich gut. Woran das liegen kann und wie Sie herausfinden, wo ein Versuch am meisten Sinn macht, weiß Matze Koch.

Mein Bissanzeiger schreit laut um Hilfe. Also nichts wie raus aus dem Schlafsack. Automatisiert laufe ich nach rechts. Dort habe ich die Ruten liegen, deren Köder am gegenüber liegenden Ufer platziert sind. Während ich den Fisch drille, frage ich mich, warum das eigentlich so ist, dass die Karpfen an vielen Kanälen fast ausschließlich an einem Ufer beißen, während die Köder auf der anderen Seite beharrlich ignoriert werden. Völlig egal, wie penetrant man auch vorfüttert. Ich kann regelrecht voraussagen, an welcher Rute der Biss kommt, so wie eben auch wieder.

Ich könnte ein Dutzend Kanäle aufzählen, auf die das zutrifft. Auch heute Nacht beißt bereits der dritte Fisch auf ein und derselben Seite. Dass oft eine Rute der Bringer ist und die andere so gar nicht, das kennen Karpfenangler. Doch ist es tatsächlich so, dass ein Ufer besser sein kann als das andere?

An Seen verändert sich oft die „Biss- Qualität“ eines Ufers mit dem Wind. Wo er auflandig weht, da fängt man spätestens nach zwei Tagen deutlich besser als am windabgewandten Ufer. Doch in Kanälen hat die Windrichtung kaum Wirkung auf die Fänge, denn die Winde wehen zu wenig intensiv schräg auf ein Ufer, als dass es entscheidenden Einfluss auf das Nahrungsaufkommen und den Sauerstoffgehalt haben könnte.

Da lacht das Anglerherz. Matze Koch mit einem 24 Pfund schweren Spiegler.

Selbstversuch

Darum machte ich an einem meiner Lieblingskanäle einen Test. Um Spaziergängern (und den damit verbundenen Hundehaufen) aus dem Weg zu gehen, hatte ich jahrelang stets das sehr viel unbequemere Ufer gewählt, über das man kaum einen Trolly schieben kann. Und immer fing ich am gegenüber liegenden, der Spaziergängerseite. Dass ich mich zu auffällig verhielt, und die Karpfen ans andere Ufer flüchteten, konnte ich mir zwar nicht vorstellen, aber wer weiß schon genau, was die Fische so alles wahrnehmen. Also machte ich 2010 die Probe aufs Exempel. Ich wählte das andere Ufer, befreite es vom Hundekot und fischte genau wie sonst auch. Zwei Ruten drüben, zwei auf der eigenen Seite. Und ich fing, exakt so wie immer. Diesmal eben am eigenen Ufer.

Die Sache war eigentlich klar, denn an dem erfolgreicheren Ufer befinden sich deutlich mehr Krautfelder, und das Befischen von der anderen Seite aus hatte drilltechnische Vorteile, weil man den Fisch bei der Landung besser vom Kraut fernhalten konnte. Die Fänge an beiden Ufern bewegten sich stets im Verhältnis von etwa zehn zu eins. Trotzdem brachte mich dieser Test weiter. Ich konnte zumindest sicher sein, dass meine Anwesenheit keinen Scheucheffekt verursachte.

Beide Ufer scheinen gleich, doch das gegenüber liegende ist das erfolgreichere. Warum? Matze hat so seine Theorien …

Mein nächstes Testgewässer wählte ich darum nach anderen Aspekten aus. Optisch war zwischen beiden Ufern kein Unterschied festzustellen. Trotzdem war auch hier stets ein Ufer das erfolgreichere. Allerdings lag auch hier der Grund auf der Hand: Die weniger produktive Seite befand sich an einer vielbefahrenen Straße, die erfolgreiche an einer sehr viel ruhigeren Spielstraße. Doch auch hier wollte ich es genau wissen und befütterte beide Ufer exakt auf die gleiche Weise, brachte je zwei Ruten im gleichen Abstand zum Ufer aus. Ich testete auch den Grund, so dass alle Köder auf hartem Boden zu liegen kamen und nicht etwa einer im Faulschlamm versank.

Das Ergebnis war ernüchternd: Null Bisse auf der Straßenseite, drei Karpfen auf der ruhigeren. Dafür gründelten die Enten und Blässhühner ständig auf der anderen Seite. Die störte der Verkehr nicht, und die Boilies, die offenbar liegen geblieben und weich geworden waren, wurden gierig von ihnen verputzt.

Es gibt aber auch Umstände, in denen kein Angler erkennen kann, worin der Grund liegt, dass die Fische ein Ufer bevorzugen. So zum Beispiel in einem der größten und längsten Kanäle meiner Heimat, dem Ems-Jade-Kanal. Auf den Strecken, die ich befischte, war ebenfalls ein Ufer regelmäßig die bessere Wahl. Doch beide Ufer glichen wie ein Ei dem anderen, sowohl im Hinblick auf Bewuchs, als auch von der Grundstruktur und -beschaffenheit her.

Hier machte ich einen Extremtest. Ich befütterte stur ausschließlich das erfolglosere Ufer. Zwei Wochen lang tat ich das und fischte zwei Wochenenden, an denen ich viel Zeit zum Fotografieren und Schreiben fand, denn gebissen hat es nicht ein einziges Mal. Dann befütterte ich das bessere Ufer – und fing! Einmal drei Fische und einmal zwei Fische in einer Nacht. Warum die Karpfen dieses Ufer bevorzugen, werden wir vermutlich nie erfahren.

Wer das fängigere Ufer kennt, kann viel effizienter anfüttern.

Futtertaktik anpassen

Auch wenn wir nicht wissen können, warum die Fische sich so und nicht anderes verhalten, so kann die Erkenntnis, dass sie ein Ufer bevorzugen, natürlich dazu dienen, seine Futterstrategie anzupassen, um effizienter vorzufüttern. Schließlich sind Boilies nicht ganz billig. Habe ich ein Ufer als das erfolgreichere erkannt, befüttere ich einen langen Streifen von etwa 200 Metern. Die Kugeln versenke ich alle paar Schritte zu je drei oder vier Stück. So ähnelt die Spur am ehesten dem, was die Karpfen auch an natürlicher Nahrung aufnehmen. Zudem lässt es dem Angler als zusätzlichen Vorteil die Freiheit, sich den Platz am Angeltag auszusuchen. So ist man unabhängig von anderen Sportsfreunden.

Das andere Ufer dagegen befüttere ich jetzt anders. Dass die Fische hier nicht so weit ziehen, scheint klar zu sein, daher macht es wenig Sinn, eine ebensolche Spur zu legen. Hier bringe ich ganz konzentriert nur an ein oder zwei heißen Bereichen Kostproben ein. Beim Ansitz landet dann auch der Köder einer Rute quasi als Bonus genau dort. Das kann ein Drainagerohr sein, das Sauerstoff und Nahrung einbringt, ein kleiner Einlauf oder ein überhängender Busch. So selten die Karpfen hier auch Strecke machen, sie werden diese Stellen irgendwann abspeichern und gezielt anschwimmen.

Gemeinsam mit seinem Guiding- gast freut sich Matze über einen gut 20 Pfund schweren Schuppi.

Test am Hausgewässer

Bei Filmaufnahmen für den Begleitfilm zu diesem Artikel führte ich einen etwas ungewöhnlichen Test an einem meiner Hausgewässer durch. Dieses hat eine Eigenart: Obwohl das Befischen der Karpfen dicht am Ufer fast immer die richtige Wahl ist, beißen sie meist in der Mitte. Und das keineswegs nur tagsüber, sondern eigentlich nur nachts. Mit ausgiebigem Vorfüttern war es mir zwar gelungen, auch am Ufer einige Moosrücken zu überlisten, aber die Tendenz zur Mitte ließ sich nie völlig verdrängen.

So befütterte ich beide Ufer auf einer Strecke von etwa 150 Metern intensiv zwei Wochen lang. Auf jeder Seite platzierte ich eine Rute und achtete peinlich genau darauf, dass alles identisch ist. Nicht nur Montage und Köder, auch die exakte Wassertiefe und harter Untergrund sollten übereinstimmen. Damit der Drill eines Karpfens die andere Seite nicht beunruhigt und dieser somit die Chancen nimmt, legte ich die Ruten nicht gegenüber ab, sondern etwa 100 Meter auseinander. Eine dritte Rute jedoch kam als Indikator in die Mitte, die im Falle des Falles den Gegenbeweis antreten könnte.

Der erste Biss kam um 22.15 Uhr an meinem Ufer. Den Spiegler von etwa 13 Pfund konnte ich aufgrund eines Platzregens leider nicht filmen. Um zwei Uhr biss es an der anderen Seite. Ein schöner Schuppi von 23 Pfund durfte kurz Nachtluft schnappen. Es stand 1:1 unentschieden. Um vier Uhr folgte ein Satzkarpfen an meinem Ufer, der sich vor dem Kescher losschlug. Zwei Stunden später verlor ich noch einen großen Fisch, der ebenfalls den Köder an meinem Ufer genommenen hatte.

Dieser kurze Ansitz hatte natürlich keine großartige Aussagekraft, aber zwei Dinge zeigte er dennoch deutlich: Erstens kann man Fische mit gezieltem Füttern durchaus ein Stück weit von den üblichen Fressrouten abbringen. Zweitens scheinen sie dann ein Ufer zu bevorzugen. Diese Vermutung wurde durch Ansitze in den folgenden Wochen bestätigt.

Einläufe und Vorsprünge machen eine Seite nicht zwangsläufig zur aussichtsreicheren.

Rutenablage variieren

Auch für den Aufbau und die Platzierung der Rutenauflagen kann die Kenntnis vom „besseren“ Ufer vorteilhaft sein. Angenommen, Sie wissen, dass das rechte Ufer das erfolgreiche ist. Zudem befindet sich hier der beste Platz, um das Camp aufzubauen. Dann erübrigen sich in den meisten Fällen Backleads, um die Schnur abzusenken. Das ermöglicht eine genauere Bissanzeige. Wenn man die Ruten direkt vor den ausgebrachten Köder platziert, kann sich sogar ein Swinger erledigen, denn ein Fallbiss auf so geringe Distanz ist eher unwahrscheinlich. Wenn man besser vom gegenüber liegenden Ufer aus fischt, zum Beispiel weil das Erfolgsufer mit Krautfeldern gesäumt ist, macht es Sinn, etwas schwerer zu fischen. Ich halte schon eine 2,75-lb-Rute für ausgespro- chen schwer, wähle aber eine dicke Geflechtschnur, um den Fisch unter Kontrolle zu haben.

Hierbei geht es nichtum die Tragkraft, sondern allein um die Abriebfestigkeit. Darum fische ich die extreme Stärke von 0,28 Millimetern. Geflechte bieten zugleich den Vorteil, dass man damit während der wilden Preschfluchten gefahrlos Seerosenstängel und kleinere Krautfelder durchtrennen kann.

Dementsprechend gebe ich dem Fisch schon beim Biss keinerlei Spielraum. Ich stelle die Bremse so stramm ein, wie sie auch im Drill sein soll. Das bedeutet natürlich, dass man eine sichere hintere Rutenauflage verwenden muss, die die Rute garantiert festhält, wenn der Fisch abzieht. Sollte er nach dem ersten Schock beim Anschlag trotzdem versuchen, das Kraut zu erreichen, halte ich die Spule auch schon mal mit der Hand fest. Das Risiko, den Haken aufzubiegen oder dass der Fisch ausschlitzt, ist mir lieber als ein samt Montage im Kraut festsitzender Fisch. Schließen Sie aber bitte nicht aus den ersten fünf gefangenen Karpfen auf eine bessere Uferseite. Um das mit Sicherheit beurteilen zu können, muss man das Gewässer schon einige Wochen lang befischt haben.

Wer am gegenüber liegenden Ufer fischt, braucht Swinger. Sie zeigen Fallbisse zuverlässig an.
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