Zielfische Karpfen Karpfen lang gemacht

Karpfen lang gemacht

Gemeinsam mit Birger Domeyer (li.) freut sich Markus Wechsler über einen feisten Bolo-Karpfen.

Statt auf Boilie und Festblei setzt Markus Wechsler auf Dosenmais, Pose und Bologneserute. Da geht im Drill die Post ab!

Von CHRISTIAN HOCH

Wenn ich das mit meiner Zanderrute vergleiche, ist das hier der reinste Schwabbelstock“, sagt Birger Domeyer. Noch kann sich mein Kollege schwer vorstellen, wie man mit einer acht Meter langen Bologneserute Karpfen bändigen soll. Quantum-Teamangler Markus Wechsler will ihm jedoch heute beweisen, dass das damit sogar richtig gut funktioniert. Dazu hat er Birger und mich im Juni vergangenen Jahres ins fränkische Altmühltal eingeladen. Weil die Altmühl selbst Hochwasser führt, wollen wir an einem Vereinssee fischen.

Bevor es am frühen Morgen losgeht, wirft Markus an zwei benachbarten Plätzen ein, zwei faustgroße Ballen Grundfutter ein, die er mit Dosenmais verfeinert hat. „Wichtig ist, dass man exakt auslotet. Denn oft entscheiden nur fünf Zentimeter über Fangen oder Nichtfangen“, erklärt der Spezi. Er hat seine Posenmontage so eingestellt, dass das Vorfach nahezu komplett auf dem Grund liegt. Der große Vorteil des Bologneseangelns: Man fischt direkt unter der Rutenspitze und kann seinen Köder punktgenau an einer Kante oder Rinne präsentieren. Entwickelt wurde die Technik in Italien an schnell fließenden Gewässern, um den Köder abtreiben zu lassen und so Barben oder Rotaugen überlisten zu können.

Markus Wechsler drillt einen Karpfen. Da muss die Bolorute zeigen, was in ihr steckt.
Markus Wechsler drillt einen Karpfen. Da muss die Bolorute zeigen, was in ihr steckt.

Während Markus noch mit dem Loten beschäftigt ist, schaut sich Birger seine Montage etwas genauer an und stutzt: „Muss das so sein, dass der Haken so dünn ist und keinen Widerhaken hat? Nicht, dass das hier ein unlauterer Wettbewerb wird“, sagt er schmunzelnd in Richtung Markus. Dieser hat natürlich prompt die passende Erklärung parat: „Keine Angst, Birger, das ist schon so gewollt. Denn mit dieser weichen Rute würde man ‘nen dicken Haken mit Widerhaken beim Anhieb nicht ins Fischmaul reinkriegen.“

Hakenspitze frei!

Der Köder selbst könnte simpler kaum sein: Dosenmais – genau wie bereits im Anfutter enthalten. Lediglich zwei Körner schiebt Markus auf den 6er Haken, dessen Spitze frei bleibt. Viele seiner Vereinskollegen meinen es diesbezüglich zu gut und verstecken ihren viel zu großen Greifer regelrecht in einer Maiskette. „Kein Wunder, dass sie damit keinen Karpfen fangen. Stattdessen jammern sie nur, dass es kaum noch Fische im See gibt. Dabei ist der  voll“, kommentiert Markus.

Auch Birgers Montage ist mittlerweile einsatzbereit. Vorsichtig schlenzt er die Pose an seinen Futterplatz. Als er die Rute ablegen will, hält Markus ihn davon ab: „Behalte sie am besten in  der Hand. Denn Du musst schnell reagieren. Und den Anhieb vorsichtig, ganz vorsichtig …“ „Oh, da muss ich mich zusammenreißen“, erwidert Birger, der es vom Gummifischangeln auf Zander gewohnt ist, bei jedem Biss sofort kräftig anzuschlagen. Er muss sich auch darauf einstellen, dass die Pose nicht unbedingt abtaucht, sondern sich vielleicht nur wenige Zentimeter zur Seite bewegt. Da das Vorfach auf dem Grund liegt, und der Karpfen keinen Widerstand spürt, wie beim Boilieangeln mit Festbleimontage der Fall, fressen sie meist weiter, ohne gleich davonzupreschen.

Ziehhhh! Markus und Birger im Doppeldrill. Sie können die Duelle für sich entscheiden.

Die Spannung steigt. Birger lässt seinen Schwimmer nicht aus den Augen. Wie angewurzelt hält er die Rute in der Hand. Denn er will auf gar keinen Fall die Montage durch leichte Wackler verziehen. Es dauert nur wenige Minuten, da geht seine Pose auf Tauchstation. Birger setzt Markus‘ Anweisungen sofort um und schlägt vorsichtig an. Dann hört man nur noch die laut kreischende Rollenbremse, und Birger ist fast sprachlos. Das Einzige, was er von sich gibt, ist zwischendurch immer wieder ein lautes „Auweija“ oder „Oh ha.“

Die Rollenbremse kreischt

Unaufhörlich reißt der Karpfen Schnur von der Rolle. Aber mit der Zeit schwinden ihm die Kräfte, und Birger beginnt, ihn Stück für Stück heranzupumpen. Als sich der Fisch dann dem eigenen Ufer nähert, merkt mein Kollege schnell, warum eine lange Rute nun von großem Vorteil ist: „Damit kann ich den Karpfen prima vom Gestrüpp fernhalten, bei ‘ner kürzeren würde die Schnur jetzt schon im Baum hängen. Und man kann auch ganz schön Druck damit ausüben.“ Das hätte er vorher nicht gedacht. Ein weiterer Vorteil der Bologneserute: „Man kann den Karpfen führen wie einen Dackel“, wie Markus es formuliert. Das bedeutet: Will der Fisch zu einem Busch schwimmen, zieht man ihn auch in diese Richtung, und er dreht sofort um.

Auf die Matte gelegt: Auch dieser Karpfen fand gefallen an zwei Maiskörnern, per Pose am Grund serviert.

Birgers Karpfen ist inzwischen reif zur Landung. Das Keschern übernimmt Markus. Geschafft! Birger hält anschließend seinen ersten Bolo-Karpfen in Händen und ist restlos begeistert. „Das war ein spannender Drill. Hat mir wahnsinnig Spaß gemacht!“ An dieser Stelle ahnt er noch nicht, dass dieser Fisch erst der Auftakt zu einem wahren Drillkonzert ist.

So dauert es nicht lange, bis er den nächsten Anhieb setzen kann. „Es scheint ja so, als ob dieser Platz ein bisschen besser ist als Deiner“, sagt er zu Markus. Dieser hat als guter Gastgeber dem Bolo-Neuling natürlich den Vortritt gelassen und lässt ihn auf seinem Hot Spot fischen.

„Das Futter rutscht an diesem Platz nach unten und bleibt in einer kleinen Rinne liegen. Genau da angelst Du.“ Dieses Beispiel verdeutlicht, wie wichtig es ist, den Platz exakt auszuloten und den Köder an markanten Strukturen am Gewässergrund zu präsentieren. Die Bolognese-Technik bietet dabei auch den Vorteil, dass man selbst bei größeren Tiefen eine Feststellpose benutzen kann, weil der Köder ja unter der Rutenspitze angeboten wird.

Einige turbulente Drillminuten später hat Birger auch Karpfen Nummer zwei in den Kescher geführt, der mit seinen rund 14 Pfund deutlich größer ist als der erste. Der Zanderspezi ist baff. Karpfen auf Ansage – und das mit dieser für ihn völlig neuen Methode. Er scheint allmählich auf den Geschmack zu kommen. Das Anködern und erneute Ausbringen der Montage kann ihm gar nicht schnell genug gehen. Markus hat also nicht zu viel versprochen. Auch er kann anschließend erst einen kleineren, dann einen etwa sechs bis sieben Kilo schweren Rüssler bändigen.

Finaler Doppeldrill

Gegen Mittag bekommen unsere beiden Petrijünger dann kurz nacheinander einen Biss. Die Karpfen schießen von links nach rechts und umgekehrt. Genau wie Markus und Birger, die teilweise gegenseitig unter der Schnur des anderen hindurch müssen, weil sich die Bahnen der Fische kreuzen. Ein urkomischer Anblick. Aber alles geht gut.

Trotz der hochstehenden Sonne sind die Karpfen erstaunlicherweise immer noch in Beißlaune. Dennoch soll‘s das gewesen sein. Schluss für heute. Auf dem Weg zum Auto begegnen wir einem anderen Angler, der mit zwei Posenruten fischt. „Und, schon was gefangen?“, frage ich. „Nein. Das Wetter ist zu schön, da beißen sie nicht …“

Geräte-Check

Rute: ca. 8 m lange Bologneserute wie die Ambition Pro Bolo von Browning
Rolle: 2.000er Stationärrolle mit Top-Bremse, z.B. die Escalade von Quantum
Schnur: 0,18er (Stillwasser) oder 0,20er Monofil (Fluss)
Haken: dünndrähtige, aber stabile 6er Haken ohne Widerhaken
Köder: Dosenmais

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