Matze Koch scheint sich nicht zwischen Hering und Banane entscheiden zu können. Er will herausfinden, ob die Karpfen deftige oder süße Köder bevorzugen.
In jungen Jahren war ich mit Kartoffeln, Maden, Würmern, Bohnen, Mais oder anderen Leckereien beim Karpfen-Ansitz erfolgreich. Freunde hielten sich für fortschrittlicher und fischten mit Kichererbsen und Erdnüssen. In einem Urlaub im Schwarzwald wurde ich überrascht, als ich alte Hasen einen Karpfen nach dem anderen fangen sah – mit Nudeln. Es gibt sogar Gewässer, in denen Karpfen Kleinfische fressen. Der englische Allrounder Des Taylor berichtet von Aalansitzen, bei denen er auf die fingerlangen Köderfische mehr Karpfen als Aale fing. Karpfen sind Allesfresser. Das dürfte unbestritten sein. Zudem sind sie sehr anpassungsfähig.
Schon Klein-Matze machte es sich zu Nutze, wenn andere ihm die Vorfütterarbeit abnahmen. Nein, ein Schmarotzer, der anderen Anglern den Lohn ihrer Mühe streitig macht, war ich nie. Aber eine Omi, die jeden Tag die Essensreste im Kanal entsorgte, entging meiner Aufmerksamkeit nicht. Dankbar nahm ich solche „zufälligen“ Futterstellen genauso gerne an wie meine Zielfische.
Aber was fressen Karpfen denn nun wirklich gerne? Eher gezuckerte Süßkartoffeln aus dem Glas? Oder doch lieber Erdknollen mit Salz und Gulaschsauce aus Omas Lebensmittelentsorgung? Komischerweise wäre zu meiner Jugendzeit kaum jemand auf die Idee gekommen, auf Karpfen mit herben Ködern anzusitzen. Süß dominierte die „Szene“ ganz klar. Und das ist eigentlich verrückt, denn die natürliche Nahrung der Karpfen besteht nicht aus Bananen oder Schwarzwälder-Kirschtorte, sondern aus ausgesprochen herben Bestandteilen, beispielsweise Muscheln, Schnecken, Tubifex oder anderen Kleintieren, die wenig Süße mitbringen.
Anpassungsfähig, wie er ist, brauchte der Karpfen allerdings nicht lange, um herauszufinden, dass die süßen Brotflocken, die beim Entenfüttern zum Grund sinken, ganz ausgezeichnet schmecken.
Boilie: Fluch oder Segen?
Mit dem Boilie eröffneten sich dem Angler ungeahnte Möglichkeiten. Nie zuvor konnte er aus einer solchen Fülle von Duft- und Geschmacksrichtungen wählen. Doch ist das Segen oder eher Fluch? Welche Sorte soll es denn nun sein? Ein Jungangler fragte mich mal, ob ich mit Muschelboilies denn auch in Gewässern fischen würde, in denen gar keine Muscheln vorkommen. Meine Antwort lautete: „Fischst Du mit Banane-Boilies auch nur da, wo Bananen vorkommen?“ Mit herzhaftem Lachen beantwortete er sich die Frage selber.
Karpfen fressen alles, was nahrhaft und gut verdaulich ist. Ist demnach diese Fülle an Sorten überhaupt notwendig? Und wie wählt man die Sorte richtig aus? Dafür gibt es zwei Grundprinzipien: Das erste ist die Vorliebe der Fische, sofern es die überhaupt gibt. Dazu später mehr. Das zweite Grundprinzip sind die Erfahrungen der Angler, die man sich zu Nutze machen kann. Soll heißen: Wenn auf süß gut gefangen wird, sollte man auch süß fischen. Ist das Gewässer aber stark beangelt, und die Fänge lassen zu wünschen übrig, dann kann es sinnvoll sein, sich von der Masse der „Süßangler“ abzuheben und bewusst andere Wege zu gehen. Karpfen sind zwar anpassungsfähig, aber nicht doof. Nach einiger Zeit erkennen sie Gefahr, die in diesem Fall der Geruch sein kann, der ihnen einen unerwünschten Landausflug bescherte. Die Gepflogenheit, schwergewichtige Karpfen, die kein Koch als Genuss einstufen würde, zurückzusetzen, verschärft die Lage, weil nicht nur abgekommene, sondern fast alle Karpfen ständig dazu lernen.
Der Praxistest
Als ich erste Prototypen meiner selbst entwickelten Boiliesorten testen wollte, machte ich mit meinem Kumpel Bernd die Probe aufs Exempel. Wir fütterten mit zwei Sorten vor: eine süße (Tropic Birdfood, mit fruchtigem Aroma) und einen Stinker (Monstercrab Robin Red, deftig). Mit beiden Sorten fütterten wir wild durcheinander gemischt an. Wir wollten wissen, ob in dem zehn Hektar großen See eine Tendenz erkennbar sein würde. Jedes Mal, wenn wir mit einer Rute fingen, wechselten wir anschließend auf die andere Ködersorte. Wir fingen gut, und das Endergebnis lautete 4:4. Das war mehr als deutlich. Den dortigen Fischen schien es völlig schnuppe zu sein, was sie fressen, Hauptsache, es macht satt und schmeckt.
Genau das gleiche Experiment führte ich zwei Jahre nach diesem ersten Test erneut durch. Diesmal kamen als süßer Köder „Ananas/Maracuja“ und als Stinker „Hummer/Knoblauch“ zum Einsatz. An einem ersten Testkanal waren die Ergebnisse erneut ausgeglichen. Aber ist es wirklich völlig egal, wie ein Boilie riecht?
Ein zweiter Kanal musste Aufschluss geben. Die Futtertaktik war stets die gleiche. Wild gemischt, bot ich die Köder an, die Farbe sollte nicht ausschlaggebend sein, darum wählte ich ähnlich eingefärbte Sorten. Der Geschmack unterschied sich aber drastisch. Denn ich bin mir in einem Punkt sicher: Ob man mit einem roten Kirsch- oder Erdbeerboilie fischt, das ist total egal.
Der Test gestaltete sich jedoch nicht einfach. Weder das Wetter, noch die Fische spielten mit. Denn um einen halbwegs aussagekräftigen Versuch zu machen, müssen schon einige Karpfen überlistet werden. In der ersten Nacht biss auf die süße Fruchtnote ein kapitaler Spiegelkarpfen von etwas über 30 Pfund, doch dann kam Dauerregen auf, und die Bisse blieben aus. Eine zweite Nacht brachte mir zwar zwei tolle Fische von 22 (herb) und 24 Pfund (süß), aber fünf bis sechs Karpfen pro Nacht wären schon wichtig gewesen, um eine Tendenz zu erkennen.
Dann befütterte ich ein anderes Gewässer, in der Annahme, hier würden zwar kleinere, aber dafür mehr Fische schwimmen. Doch da machten mir ein Sturm und ein zehnstündiger Dauerregen alle Hoffnungen zunichte, ich blieb sogar Schneider. Ganz so einfach, wie das immer aussieht, ist es mit dem Fangen nämlich nicht. Zudem hatte ich den Test erst Ende September begonnen, so dass mir die Zeit wegzurennen drohte.
Keine klare Tendenz
Ein letzter Versuch an einer belebten Stelle sollte den letzten Aufschluss geben. Ich fütterte einige Male mit beiden Sorten vor und probierte einen Kurzansitz bis Mitternacht. Das Ergebnis war auch hier ausgeglichen. Zwei Karpfen konnte ich auf süß und herb haken, doch leider verlor ich beide Fische. Kurz vor Ende der Sitzung erbarmte sich noch ein kleiner Schuppi von etwa zehn Pfund. Er nahm erneut einen Stinker. Damit hatte ich zwar etliche schöne Fische fangen können, nur die erhoffte Tendenz blieb leider aus. Karpfen sind und bleiben eben Allesfresser und nehmen, was ihnen schmeckt. Dabei sind sie nicht mal wählerisch, sondern fressen beide Geschmacksrichtungen munter durcheinander. In der Mehrzahl der Gewässer wird es demnach völlig schnuppe sein, welche Sorte man verwendet. Hier sollte man besser auf die Erfolgsköder der anderen Angler achten. In einigen Revieren scheinen die Karpfen aber in der Tat eine bestimmte Geschmacksrichtung zu bevorzugen.
Wenn ein Kunstköderangler felsenfest behauptet, der Gummifisch in Rot-Grün-Gelb sei die beste Farbe überhaupt, dann vergisst er dabei vielleicht, dass er die auch am häufigsten einsetzt. Vielleicht, weil er mal damit an einem Tag gut fing. Dann ist es die logische Folge, dass er damit auch am meisten fängt. Wichtiger an einem guten Boilie ist vielmehr, dass er regelmäßig genommen wird und den Fischen nicht nach wenigen Tagen Bauchschmerzen bereitet. Probieren Sie also selber, bis Sie die genauen Vorlieben „Ihrer“ Karpfen kennen. Vielleicht spielt ja auch Ihre persönliche Vorliebe die wichtigste Rolle. Schließlich will nicht jeder bei der Wochenend-Erholung Hummer-Knoblauch-Aroma einatmen, sondern schnüffelt womöglich lieber an einem Kokos-Hanf-Duft. In diesem Sinne: Petri Heil!