Zielfische Sonstige Grau, scheu und unglaublich stark

Grau, scheu und unglaublich stark


Meeräsche
Geschafft: Ein Anglertraum wurde wahr. Bei diesem prächtigen Drei-Kilo-Fisch sind Fehlschläge schnell vergessen.
Spinat? Brokkoli? Nein, sondern die Wunderwaffe „Magic“: mit Lebensmittelfarbe grün eingefärbtes Brot gegen nervige Möwen und verfressene Enten.

Seit langem schon träume ich davon, sie zu fangen. Und heute Abend soll der Traum von meiner ersten Meeräsche Wirklichkeit werden.

By Jörgen Larsson

Schweiß rinnt von meiner Stirn, die Watstiefel kleben fest an den Waden. Selbst jetzt, am Abend, ist die Augusthitze noch nahezu unerträglich. Ein paar Badegäste beobachten erstaunt, wie wir mit der Rute in der einen und der Ködertasche in der anderen Hand vorbeistapfen. Eine Badehose wäre im Augenblick sicher passender, aber sobald die Sonne in ein paar Stunden am Horizont verschwunden sein wird, dürften wir unsere standesgemäße Kleidung noch schätzen lernen.

Die Chancen auf die erste Meeräsche meines Lebens stehen gut, denn an meiner Seite stiefelt Mats Andersson durch die sanfte Dünung in die dänische Ostsee. Seine erste Meeräsche fing er im Sommer 1993. Nach intensiven Beobachtungen war es ihm gelungen, die scheuen Fische an kleine, treibende Brotstücke zu gewöhnen. Nach seinem ersten, unglaublich harten Meeräschen-Drill war es um Mats geschehen. Heute ist er einer der erfahrensten und erfolgreichsten Meeräschen-Angler Nordeuropas.

Der leichte ablandige Wind bringt uns leider nicht die erhoffte Abkühlung, hilft aber beim Anfüttern. Schon bald treibt ein langer Zug von Brotstücken in Richtung offenes Meer. Er wird hoffentlich alle grauen Kämpfer aus der Umgebung zu uns locken. Die Bedingungen könnten nicht besser sein. Jedes Mal in den letzten Wochen hat Mats bei solchem Wetter einen Fisch mit nach Hause gebracht.

Vom Sommergast zur Einheimischen

Die wärmeliebende Meeräsche zog im Sommer schon immer sporadisch an unsere Küsten. An Stellen mit warmen Wasser – sei es an Kraftwerksausläufen oder in tiefen Rinnen – haben die Exoten im Laufe der Zeit eine Möglichkeit zur Überwinterung gefunden. Die warmen Sommer ’96 und ’97 kamen dem Bestand sehr zugute und es hat den Anschein als hätte sich die Art beträchtlich vermehrt. Die Fische die man im Sommer antrifft sind wahrscheinlich eine Mischung aus Überwinterern und Zugereisten.

Besonders häufig kann man Meeräschen in Häfen an Molen Aumündungen oder an flachen Badestränden antreffen. Einige hundert werden mittlerweile jährlich an der Ostküste Dänemarks gefangen. Und ständig kommen neue Petri-Jünger hinzu die diese neue und spannende Fischerei ausprobieren wollen. Auch an den Stränden Norddeutschlands grassierte seit zwei Jahren das Meeräschen-Fieber. Schließlich sah man die Trupps am hellichten Tage zwischen den Badegästen umherschwimmen – sei es in der Kieler Bucht auf Fehmarn oder vor den Toren Lübecks.

Der Renner unter den Sportlern

Die Meeräsche besitzt einen muskelbepackten steinharten Körper der von einer riesigen Schwanzflosse angetrieben wird. Zur Senkung des Wasserwiderstands kann die Rückenflosse eingeklappt werden. Ergebnis: ein auf hohe Geschwindigkeit ausgelegtes Kraftpaket das einen unglaublich harten Drill bietet. Die Durchschnittsgröße von zwei bis drei Kilo machen die Meeräsche zu einer Herausforderung ohnegleichen!

Der graue Newcomer lebt in erster Linie von Algen die er von Steinen Holzpfählen und vom Grund schabt. Doch auch Muscheln Schnecken Plankton und andere Kleintiere werden nicht verschmäht. Die Lippen sind mit zahlreichen harten Warzen besetzt. Tief im Maul des Exoten befinden sich zwei Kauplatten die hartes Futter zermahlen.

Die ersten Fische zeigen sich mit den längeren Wärmeperioden des Sommers. Vor Skt. Hans einem dänischen Feiertag am 27. Juni sind sie nur sehr schwer zu überlisten. Erst Wassertemperaturen nahe der 20-Grad-Marke versprechen eine erfolgreiche Fischerei. Die besten Monate sind Juli August und September. Heiße windstille Sommertage – gerne mit einer fast unerträglich drückenden Hitze – lassen den Sonnenanbeter unter den Fischen alle Hemmungen verlieren.

Trotz des mittlerweile beachtlichen Bestands scheint die Zuwachsrate nicht sehr groß. Ein Drei-Kilo-Exemplar das man am Limnologischen Institut in Lund untersuchte entpuppte sich als wahrer Methusalem – es war zwölf Jahre alt.

Auf der Suche nach Fressplätzen

Der Schlüssel zum Erfolg ist das Auffinden der Futterplätze. Hafenbecken und Molen sind leicht zugängliche Spitzenplätze und bieten mit ihren bewachsenen Pfählen und Spundwänden eine Unzahl an Futterquellen. Das dortige Angeln hat aber auch seine Nachteile: Neugierige Passanten Möwen und Enten verscheuchen nicht nur die Fische sondern vergraulen auch so manchen Angler.

Die Fischerei entlang der Küste und im Freiwasser hat dagegen einen völlig anderen Charakter. Sieht man einmal davon ab dass die Fische am Anfang nur schwer zu finden sind können diese Gebiete tolle Fänge abseits des Hafentrubels bieten. Bei Wind erkennt man die dicht unter der Oberfläche ziehenden Trupps am leichtesten. Dann kräuseln sich die Wellen über den grauen Rücken der Fische. Normalerweise bemerkt man den Schwarm aber erst wenn die scheuen Tiere in Panik fliehen und dabei die Oberfläche aufwirbeln.

Eine Polaroidbrille ist beim Meeräschenangeln fast genauso wichtig wie Rute und Rolle. Am leichtesten lassen sich Fische auf Nahrungssuche lokalisieren. Dann sieht man in regelmäßigen Abständen die spiegelblanken Seiten in der untergehenden Sonne aufblitzen. Wenn die großen Schwärme hemmungslos fressen ragen die Flossen hunderter Fische auf einer Fläche von wenigen Quadratmetern aus dem Wasser. Bei einem romantischen Abendspaziergang mit der Frau entlang des Strandes kann man nicht nur ein paar Pluspunkte einheimsen sondern auch die Futterplätze der Meeräschen ausfindig machen. Auffällige Bodenstrukturen wie Riffe oder Spalten sollten Sie dabei genauer unter die Lupe nehmen. Im tieferen Wasser identifiziert man einen Schwarm auf der Futtersuche anhand des aufgewirbelten Schlamms.

Fischen nach der Meeräschen-Uhr

Meeräschen scheinen eine Art 24-Stunden-Rhythmus zu besitzen. Die Fische sammeln sich im Flachwasser um hier die Nacht zu verbringen. Am nächsten Morgen zwischen acht und neun Uhr steigert sich ihre Aktivität deutlich. Ein guter Zeitpunkt für die Fischerei ist daher zwischen acht und zwölf Uhr mittags. Im Laufe des Tages bilden sich kleinere Gruppen. Am Nachmittag wenn die Fische schnell und ruhelos umherschwimmen kann man sie fast nicht überlisten. Erst gegen 17 Uhr steigt wieder das Interesse an Futter und die Stunden bis zur Abenddämmerung sind eindeutig die besten des Tages.

Ab und zu kann man an der Küste Schwärme mit bis zu 1.000 Fischen beobachten. Ein imposanter Anblick wenn eine Hunderte Meter breite Front Fischleiber langsam fressend durch das flache Wasser forstet. In der Regel sind es Fische mit einem Gewicht um die drei Kilo. Mats und einem Angelkameraden gelang es vor einiger Zeit mit ihrem Boot in das Zentrum eines solchen Schwarms zu kommen. Innerhalb einer kurzen und hektischen Periode hakten sie 20 Meeräschen.

Die großen Exemplare bis über fünf Kilo trifft man dagegen eher in kleinen Trupps und im tieferen Wasser an.

Mitten zwischen den Mäulern

Die Fischerei mit schwimmendem Brot ist eine der effektivsten und zugleich spannendsten Techniken. Zuerst schwimmen die Meeräschen vollkommen desinteressiert zwischen den einzelnen Brocken umher bis sie plötzlich alle wie auf Kommando zu fressen beginnen. Was für eine Spannung den Köder mitten zwischen die hungrigen Mäuler zu platzieren.

Profis verwenden gewöhnliche Match- und Grundruten mit einer Länge von elf bis 13 Fuß. Mit einer 025er Hauptschnur und einem 020er Vorfach sind Sie für die meisten Situationen gut gerüstet. Kräftigere Schnüre vergrämen die schnurscheuen Meeräschen allzu schnell. Als Wurfgewicht dient eine kleine durchsichtige Wasserkugel oder ein „Surface Controller“ wie er bei der Karpfenfischerei Verwendung findet. Um Verhedderungen und Schnurbrüche beim Wurf zu vermeiden wird der Surface Controller in einen Boom – ein Röhrchen mit Wirbel das auf der Hauptschnur gleitet – eingehängt. Eine Gummiperle vor dem Vorfach stoppt das „Wurfgeschoß“. Der Haken der Größe 6 bis 8 wird mit einer daumennagelgroßen Brotflocke bestückt.

Für die Bisserkennung ist es von Vorteil die Schnur einzufetten. An manchen Tagen jedoch nehmen die schnurscheuen Meeräschen erst dann den Nahrungsbrocken wenn ein kleines Bleischrot zehn bis 30 Zentimeter vor dem Haken die Vorfachspitze unter Wasser drückt.

Tiefenfische ins Flache gelockt

Obwohl die Meeräsche in der Regel im Flachwasser anzutreffen ist, kommt es vor, dass die Fische im Tiefen fressen, zum Beispiel an Stellen mit kräftiger Strömung. Auch hier kann eine Fütterung mit Schwimmbrot zum Erfolg führen. Sind die Meeräschen erst einmal auf die Oberflächennahrung aufmerksam geworden, so folgen sie den treibenden Brotstücken oft bis zum Ursprung – dem Angler. Mit einer kontinuierlichen Fütterung und einer langen Kette aus driftenden Brotstücken ist es Mats Andersson schon gelungen, die Gourmets aus 14 Meter Tiefe bis ins Flachwasser zu locken.

So weit, so gut. Doch nun die Praxis: Ich schulde Ihnen nämlich noch das Ergebnis des Ausflugs, mit dem der Artikel begann. Tja – obwohl ich einen erfahrenen Meeräschen-Angler als Guide an meiner Seite hatte, fing an diesem heißen Sommerabend keiner von uns beiden eine Meeräsche. Aber ich werde es weiter versuchen, bis ich diesen Wahnsinns-Fisch endlich überlistet habe.

Foto: Verfasser

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