Zielfische Forelle Das Hexerl

Das Hexerl


Walter Reisinger beim Hexerl-Binden an der Goiserer Traun. (Bild: Albert Pesendorfer)
Werbeanzeige der Firma Geißler aus den 30er Jahren. (Bild zum Vergrößern anklicken!)
Selbst Insektenspezialisten kehren immer wieder reumütig zum Hexerl zurück. (Bild: Albert Pesendorfer)
Original Hexe mit Dachshechel und Silberlametta gerippt.
Das pummelige Hexerl.
Eine kleine Eintagsfliege ist in der Anfangsphase des Schlupfes stecken geblieben. Man erkennt deutlich das Pummerl-Stadium.
Eine Köcherfliege beim Schlupf, in der Phase wo sie dem pummeligen Hexerl am ähnlichsten sieht.
Grey Hackle Peacock – in England gekauft, Binder unbekannt.
Bindefaden anlegen und ein rotes Wollbüschel als Tag einbinden.
Drei Fibern Pfauengras mit einem Stück schwarzen Bindefaden (Sicherungsfaden) einbinden, mit zwei zusätzlichen Windungen fixieren und den Bindefaden nach vorne führen.
Das nach vorne stehende Pfauengras (und Sicherungsfaden) verdrallen.
In der Mitte des Hakenschenkels drei Windungen machen und abbinden.
Das hintere Pfauengras mit dem Sicherungsfaden verdrallen.
Mit mehreren Wicklungen nach vorne den Körper formen. Mit dieser Technik (mittig einen Unterkörper formen) kann man perfekte pummelige Körper bilden. So dick, wie man den Unterkörper ausbildet, wird der fertige Körper. Geübte Binder verarbeiten Pfauengrasfibern mit dem Bindefaden als Sicherungsfaden in einem.
Kopfhechel einbinden und einen Hechelkranz bilden.
Die Hechel abbinden, mit einem Kopfknoten abschließen und lackieren. Die fertige Fliege – das pummelige Hexerl.

Den Namen „Hexerl“ verbinden viele Fliegenfischer, die seit Jahrzehnten an die Gmundner-Traun kommen, mit der Äschenfischerei. Und das zu Recht, denn das „Hexerl“ ist sicherlich eine der besten Äschenfliegen, die je gebunden wurden.

von Walter Reisinger

Forellen nehmen solch kleine Muster bei weitem nicht so gerne wie die schöne Fahnenträgerin. Wenn man doch mehr Forellen damit fängt, sind es meist kleinere Exemplare. Größere Forellen nehmen lieber die größere „Hexe“.

Der Unterschied zwischen dem „Hexerl“ und der „Hexe“ liegt nur in der Hakengröße. Das „Hexerl“ wird auf Haken der Größe 15 bis 18 gebunden. Alles was auf größere Haken gebunden wird, verdient nicht die Bezeichnung „Hexerl“, sondern ist die „Hexe“.

Woher kommt das „Hexerl“, wer hat es entwickelt und vor allem, was imitiert es? Fragen, die ich versuchen werde zu beantworten. Die älteste Erwähnung des Namens „Hexe“ fand ich im „Taschenbuch der Angelfischerei“ von Max von dem Borne, sechste Auflage (1922), neubearbeitet und ergänzt von Karl Fliege. In diesem Buch ist eine farbige Fliegentafel mit insgesamt 40 abgebildeten Kunstfliegen. Nr. 27 wird als „Geißlers Hexe“ beschrieben und sie wird außerdem schon eindeutig als eine „kleinere Form für die Äschenfischerei“ klassifiziert.

Die Firma Geißler hat zur damaligen Zeit, laut Herrn Fliege, mit ihren Kunstfliegen Aufsehen erregt. Besonders erwähnt er dessen „Patria“-Fliegen, die wortwörtlich „als ungemein wirksam und mit Recht als universell bezeichnet werden können“.

Auf der Farbtafel ist mit der Nummer 33 ein anderes exzellentes Muster des Herrn Geißler abgebildet, das ältere Fliegenfischer kennen dürften. „Geißlers Ruhm“, eine sehr dunkle Fliege, die auf kleinen Haken ebenfalls besonders fängig auf Äschen ist und an Steyr und Enns sehr beliebt war. Walter Brunner hat mir bestätigt, dass mit „Geißlers Ruhm“ vor ca. 30 Jahren viel und erfolgreich gefischt wurde. Die Firma Steurer in Wien hat sie bis vor einigen Jahren, bis zur Zusperrung dieses renommierten Fliegenfischergeschäftes, im Sortiment geführt.

Otto F. Geißler hat in den 30er-Jahren ein (vermutlich) gutgehendes Fliegenfischergeschäft in Nürnberg geführt. Man findet in Fischereizeitschriften damaliger Zeit wiederholt Werbeeinschaltungen. Anlässlich seines 70-jährigen Geburtstages war in der „Allgemeinen Fischerei-Zeitung“ eine kurze Würdigung dieser, für die deutschsprachige Fliegenfischerei, wichtigen Persönlichkeit. Otto F. Geißler ist am 28.11.1951 verstorben.

Aus der Allgemeinen Fischerei-Zeitung, 76. Jahrgang, Nr. 2, München, 15. Januar 1951: „Otto Geißler 70 Jahre alt. Am 17. Januar 1951 wird der Nestor der deutschen Kunstfliegenmacherzunft, Otto F. Geißler, 70 Jahre alt.

Otto F. Geißler, der dem Fabrikationsbetrieb der Bavaria Fischereigeräte OHG, Bayreuth, deren Mitinhaber er ist, vorsteht, dürfte wohl heute der älteste Spezialist in der deutschen Kunstfliegenmacherei sein. Jedenfalls haben seine Fabrikate Weltruf und dies trug offensichtlich dazu bei, dass die von ihm in der vorgenannten Firma hergestellten Spezialitäten trotz aller handelspolitischen Erschwernisse bereits wieder in Italien, Schweiz, Südafrika, Norwegen, Belgien, Australien, Amerika und England einen Klang haben.

Otto F. Geißler ist in Chemnitz geboren und besuchte das Realgymnasium. In seinen fachlichen Wanderjahren bereiste er Deutschland kreuz und quer und es gibt von Danzig bis zur Eifel, von Hamburg bis Friedrichshafen wohl nur ganz wenige Fischgewässer, die er nicht mit der Gerte begangen hat. Nachdem er auch viele Jahre in Nordamerika beruflich und waidgerecht tätig war, kehrte er in die deutsche Heimat zurück, wo er zunächst in Nürnberg, dann in Hamburg und Berlin seinen Wohnsitz nahm. Lange hielt es ihn nicht in der Großstadt. Er übersiedelte im Jahre 1938 nach dem Städtchen Hollfeld in der fränkischen Schweiz. Hier baut er in alter Frische und Rüstigkeit, mit 50 Jahren Erfahrung, die Geräte der Bavaria Fischereigeräte OHG; der erste im Betrieb und ebenso unentwegt am Wasser vor und nach seiner schweren Arbeit. Der große englische Sportangler und Fabrikant Hardy nannte ihn bei einem persönlichen Treffen in Nürnberg – den deutschen Hardy. Daneben erinnern sich viele Sportfreunde an seine so lehrreichen Lichtbildervorträge, aus denen immer wieder ein feines Verständnis und eine tiefe Kenntnis der Pflanzen- und Tierwelt ganz allgemein klang.“

Kommen wir aber zurück zum Hexerl. Wegen des damaligen Namens „Geißlers Hexe“ gehe ich davon aus, dass Geißler dieses Muster auch entwickelt hat. Hrerr Fliege gibt uns bei der erstmaligen Erwähnung keine Bindeanleitung bzw. keine Auflistung der Bindematerialien an.

Auf der Farbtafel erkennt man jedoch eindeutig eine helle Kopfhechel. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat Geißler die original englische „Witch“, die mit einer honigfarbenen, palmerartigen Körperhechel gebunden wird, nach Art der „Red Tag“ modifiziert. Damit veränderte er aber nachhaltig die Schwimmhaltung auf der Wasseroberfläche, möglicherweise das Erfolgsgeheimnis des Hexerls.

Im Borne, siebente Auflage (1933), findet man die Hexe wieder, allerdings wird der Name „Geißler“ nicht mehr erwähnt, auch nicht in Verbindung mit einer anderen Fliege. Erstmalig wird die Hexe näher beschrieben:

„27. H e x e. Phantasiefliege, in den kleinen Nummern gute Äschenfliege, groß vorzügliche Döbelfliege.

Körper: mäßig dick, bronzefarbige Fibern von der Augenfeder des Pfauen, bei den großen Nummern mit Silberlametta gerippt.

Hechel: silbergrau, Hahn oder Dachshechel.

Schwanz: ein Büschel zinnoberrot gefärbter Federfibern oder Wolle, kurz, pinselförmig.“

Bis zur 13. Auflage des Borne finden sich zur Hexe gleichlautende Bindeanleitungen und Abbildungen auf Farbtafeln. In den Auflagen 14 bis 17 (Bearbeiter Quint) wird die „Hexe“ nicht mehr erwähnt. Erst in der 18. Auflage des Borne, bearbeitet von Armin Göllner, erscheint sie wieder auf einer Farbtafel. Auch in anderen deutschsprachigen Büchern wird die „Hexe“ mit einer ähnlichen oder gleichen Bindeweise beschrieben.

Den interessantesten Beitrag zu unserem „Hexerl“ lieferte allerdings ein Engländer. William Ernest Davies veröffentlichte Anfang der 60er Jahre ein Buch mit dem Titel „FLY DRESSING AND TACKLE-MAKING“. Dieses Buch wurde von Dr. Rudolf Loebell aus dem Englischen übersetzt und bearbeitet. 1964 vom Verlag Paul Parey unter dem Titel „DAS BINDEN KÜNSTLICHER FLIEGEN“ veröffentlicht, ist es eines der ersten deutschsprachigen Bücher, dass sich ausschließlich dem Fliegenbinden widmet. Ein Kapitel in diesem Buch (Seiten 60 und 61) beschreibt Äschenfliegen, insgesamt acht Muster. Das erste Muster ist unser „Hexerl“, Muster zwei und drei sind eine Goldhexe und eine Silberhexe.

Der Autor kannte sicherlich die klassischen deutschen Fliegenbinder und deren Literatur. Auf Seite 19 schreibt er über Phantasiefliegen, dass diese gewöhnlich die Namen ihrer Erfinder tragen. Einige Zeilen weiter schreibt er wortwörtlich: „Hierher gehören auch die früher einmal sehr geschätzten Dr.-Behm-Fliegen sowie die heute überall erhältlichen Ritz- und Geissler-Fliegen.“ Er stellt allerdings keinen Zusammenhang zwischen dem Namen Geissler und der Hexe her.

Anfang der 80er Jahre kamen die amerikanischen Hahnen-Zuchtbälge auf den europäischen Markt und die Dachs-Hechel wurde sinnvollerweise durch die in kleinen Größen leichter zu beschaffende Grizzly-Hechel ersetzt. Der Name „Hexe“ wurde auf „Hexerl“ verniedlicht, da sie überaus erfolgreich in kleinen Nummern auf Äschen gefischt wurde.

Obwohl für den Tag in der original Bindeweise rote Federfibern oder rote Wolle angegeben wird (William Ernest Davies führt rote Ibisfedern oder ein rotes Wollbüschel an), setzte sich das kurze rote Wollbüschel durch. Neuerdings wird dieses rote Wollbüschel aber durch rote, wasserabweisende Kunststofffasern ersetzt.

Die Hexe war auch eine Lieblingsfliege von Hans Gebetsroither und Toni Pesendorfer, die Fischmeister der Gmundner-Traun. Es gibt laut Hans Aigner einen verbürgten Ausspruch von Hans Gebetsroither: „Wann gar nix geht, duast a Hexerl drauf und wirfst das unter die Staudn.“

Bezüglich dessen, was das Hexerl darstellen soll, gehen die Meinungen auseinander. Viele meinen, dass es ins Wasser gefallene Käfer imitiert, was zu gewissen Jahreszeiten sicherlich zutrifft.

Roman Moser hat es einmal mit dem Pummerl-Stadium in Verbindung gebracht. Gemeint ist, dass Eintagsfliegen in der Phase des Schlupfes im Thoraxbereich rundlich, pummelig werden, womit er sicherlich auch richtig liegt. Noch viel deutlicher pummelig wirken allerdings auf der Wasseroberfläche schlüpfende Köcherfliegen. Der rote Tag, der ja eine deutlich kontrastierende Farbe zum Körper hat, imitiert bei diesem Stadium möglicherweise die abstreifende Nymphen- bzw. Puppenhülle (siehe Bilder Eintagsfliege und Köcherfliege beim Schlupf).

Eine weitere Möglichkeit könnte auch die Imitation sogenannter Tanzfliegen sein. Diese kleinen Fliegen treten manchmal zu Millionen auf und tanzen dicht über den Gewässern. Männliche Fliegen stürzen sich oft auf andere Fliegen, manchmal mehrere auf einmal, verlieren dabei die Kontrolle und fallen aufs Wasser. Dieser kugelige Fliegenballen driftet kurz auf der Wasseroberfläche bevor er sich durch das Auffliegen der dunklen Insekten wieder auflöst.

Besonders Äschen steigen gerne auf diese kugeligen Fliegenballen und im Oberflächenfilm verbleibende Fliegen. Das pummelige Hexerl imitiert ideal auch dieses Stadium.

Nachdem wir die Fische nicht befragen können, werden wir nie genau wissen, als was die Fische dieses Muster sehen. Eines ist auf jeden Fall sicher, das Hexerl ist nach wie vor eines der besten Äschenmuster und wird sicherlich noch viele Fische überlisten. Für mich ist es ein Allroundmuster, immer einen letzten Versuch wert, wenn ich nicht mehr weiß, was ich sonst noch anbinden soll, oder kein passendes Muster für eine bestimmte Situation habe. Das Hexerl hat mich dann selten enttäuscht.

Auch die Engländer haben ihre „Witch“ weiterentwickelt und diese wird nun mit einer Kopfhechel statt einer palmerartigen Hechel gebunden. Die Hechel muß auch nicht mehr honigfarben sein. Interessant dabei ist, dass diese Fliege nun auch „Grayling Witch“ heißt, ein deutlicher Hinweis, dass sie auf Äschen besonders fängig ist. Inwieweit hier William Ernest Davies mit seinem Buch (siehe oben) beigetragen hat, kann ich nicht beurteilen.

Es gibt noch mehrere sehr ähnliche Muster wie „Terrys Terror“ oder „Grey Hackle Peacock“. Letzteres unterscheidet sich von unserer Hexe nur dadurch, dass sie keinen roten Tag, sondern einen körperlangen Schwanz aus roten Hahnenfibern hat.

Wenn man über das „Hexerl“ schreibt, darf man die „Red Tag“ nicht vergessen, eine Fliege, die ich in kleinen Größen dem „Hexerl“ gleichsetzen würde. Der Unterschied zu letzterer ist nur die Farbe der Kopfhechel.

Das „Hexerl“ an der Gmundner-Traun wird üblicherweise mit einem rundlich-pummeligen Körper gebunden. Schulte/Eiber beschreiben in ihrem Buch „Fliegenfischen in aller Welt“ eine „Spärliche Hexe“, sicherlich eine interessante Variante.

Innovative Fliegenbinder haben oft versucht, das Hexerl zu verändern und seine Fängigkeit zu erhöhen. Auch ich habe in dieser Richtung experimentiert, bin aber reumütig immer wieder zum „Original“ zurückgekehrt.

Bedanken möchte ich mich bei Albert Pesendorfer und Armin Göllner, die mit mir nach alten Unterlagen über das Hexerl gesucht haben, Hans Nischkauer, der mir einige hilfreiche Hinweise gegeben hat, sowie der österreichischen Fischereigesellschaft, in deren Bibliothek ich Einblick nehmen durfte. Mein letztes Erlebnis mit dem „Hexerl“ war am 10. August 1999, einen Tag vor der Sonnenfinsternis. Ich fischte am Nachmittag, ca. um 16.00 Uhr an der Goiserer-Traun. Obwohl massenhaft leere Puppenhüllen von in den vorangegangen Tagen geschlüpften Köcherfliegen auf der Wasseroberfläche zu sehen waren, war keine Fischaktivität festzustellen. Ich probierte trotzdem mehrere Köcherfliegenmuster, mit denen ich immer gut gefangen hatte. Nur eine kleine Äsche von ca. 30 cm erbarmte sich meiner. Vielleicht wäre ich mit einer Goldkopfpuppe erfolgreicher gewesen. Ich wollte aber unbedingt trocken fischen. Ein trocken gefangener Fisch hat für mich ungemein mehr Wert als ein „genymphter“. Nach etwas mehr als einer Stunde band ich (etwas frustriert) ein „Hexerl“, Hakengröße 17, an. Der zweite Wurf brachte mir eine sofortige Attacke einer schönen Äsche, die leider nicht hängen blieb. Und auf diese Art ging es weiter. Innerhalb einer halben Stunde konnte ich 7 Äschen haken und 5 davon landen. Die größte war ca. 45, die kleinste etwas unter 30 cm. Das „Hexerl“ hatte wieder einmal seine Qualitäten als Top-Äschenfliege bewiesen. Dieser Artikel erschien erstmals im Traun-Journal Nr. 7, Jahrgang 1999. Das Traun-Journal ist die offizielle Zeitschrift der Freunde der Gmundner-Traun und erscheint üblicherweise einmal jährlich.

 

Bindeanleitung: Das Hexerl

Bindematerialien:

Haken: zB. TMC 102Y, Größe 15 – 17

Bindefaden: schwarz

Tag: rote Wolle

Hinterleib: Pfauengras

Kopfhechel: grizzly, Hahnenhechel

 

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