Kleine Flüsse, kleine Fische? Fehlanzeige! In den schmalen und tiefen Auen lauern die kapitalen Exemplare. |
Peter A. Christensen über die Faszination der jütländischen Auen.
Aus einem Unterstand schießt ein Schatten in meine Richtung. Der mächtige Schwall attackiert Sekunden später einen kleinen Mepps-Spinner. Eine wirklich schöne Forelle. Aber was ist das? Ich traue meinen Augen kaum: ein noch gewaltigerer, zweiter Schatten! Schockiert starre ich ins klare Wasser, wo eine gigantische Bachforelle, ohne Zweifel jenseits der 60-Zentimeter-Marke, nervös umherschwimmt. Sie folgt dem „kleinen“ Artgenossen mit einem Stückchen Abstand, um dann wieder in die Tiefen zu entschwinden.
Ein paar Augenblicke später gleitet eine dicke Bachforelle mit wunderschönen, knallroten Punkten und Bronze schimmernden Seiten von ungefähr 50 Zentimetern Länge ins Netz. Eine ganze Saison ist gerettet, wenn man nur einen Fisch von diesem Kaliber landen kann. Heute aber habe ich noch eine Rechnung offen: Wieder und immer wieder werfe ich über den vermeintlichen Standplatz, aber der ungleich größere Fisch ist anscheinend weg. Erst einige Jahre später soll ich ihn wiedersehen…
Die meisten Auen in Dänemark haben Strecken, die für Tageskartengäste zugänglich sind. Die besten Fließgewässer befinden sich in Jütland, wo es unzählige Möglichkeiten gibt, eine spannende Fischerei auf Bachforelle, Lachs, Äsche und Meerforelle zu erleben.
Die Saison erstreckt sich von April bis Oktober. Im Frühjahr hat der Spinnangler die besten Chancen. Das Kraut steht noch nicht besonders hoch, die Salmoniden sind nach der überstandenen Laichzeit hungrig und daher eifrig bemüht, Organismen und kleine Fische zu sich zu nehmen.
Wenn es wärmer wird, schlägt die Stunde der Trockenfliegen- und Nymphenfischer. Der Insektenschlupf beginnt. Vor allem kleinere und mittelgroße Forellen jagen nun direkt an der Oberfläche nach Nahrung. Die guten Fangaussichten reichen bis in den zeitigen Herbst hinein.
Im Juli und August wachsen die Auen ziemlich zu. Jetzt kann mit einer kleinen Avon-Pose und einer Handvoll Würmern sehr effektiv an den Rändern der Krautfelder, in den tiefen Löchern und unter überhängenden Bäumen gefischt werden. Also an Stellen, die für den Spinn- oder Fliegenfischer nur schwer zugänglich sind.
Im September und Oktober ist die Zeit der silberfarbenen Touristen: Lachse- und Meerforellen stehen jetzt bei vielen Auen-Anglern ganz oben auf der Wunschliste. Neben dem Fliegenfischen sind auch das Spinnangeln und der Einsatz von Naturködern erfolgreich.
Die jütländischen Flüsse sind berühmt für ihren Salmonidenreichtum. Im Folgenden möchte ich Ihnen einige Auen vorstellen, in denen sehr gute Chancen für den Fang einer kapitalen Bachforelle bestehen.
1. Konge Au
Die Konge Au, zu deutsch „Königsau“, liegt nur etwa eine Stunde Fahrt von der Deutschen Grenze entfernt und hat einen äußerst langen und variantenreichen Lauf. Schnelle Abschnitte wechseln sich mit unzähligen Gumpen und tiefen Rinnen ab. An ihren breitesten Passagen ist sie mitunter bis etwa 15 Meter breit, der größte Teil ist allerdings schmaler. Eine äußerst fruchtbare Vegetation im Fluss schafft Massen von Standplätzen für die Fische. Der Bestand an Bachforellen und Äschen ist enorm. Ein stabiler Schlupf von Wasserinsekten macht den Fluss besonders für Trockenfliegenfischer interessant.
Die Königsau bietet tolles Angeln in wunderschöner Natur und einen exzellenten Fischbestand. Hier ist jeder Angeltag ein Erlebnis.
2. Varde Au System
Fährt man von der Konge Au weiter gen Norden, trifft man bald auf die Varde Au. Sie ist der einzige Wasserlauf mit einer Mündung ins Wattenmeer, der nicht künstlich begradigt wurde. Ungehindert schlängelt sich der malerische Fluss durch die Landschaft. Der Hauptfluss, die Varde Au, hat vermutlich Dänemarks beste Lachsfischerei zu bieten, während in ihren Zuflüssen, der Ansager Au, der Grinsted Au und der Holme Au, sehr gute Bestände
von Bachforellen anzutreffen sind. Überall finden sich neben den Rotgetupften auch Regenbogenforellen und Äschen.
3. Ansager Au
Diese Au hat einen fast unglaublichen Großfischbestand. Die Anzahl der Fische jenseits der 40-Zentimeter-Marke ist unübertroffen Die Chancen, auf einen Traum-Bachforelle sind hier somit sehr groß. Der Fischereidruck ist deshalb aber auch höher als in den anderen Auen.
Da die Ufer nicht sehr stark bewachsen sind, ist der Fluss sehr gut zugänglich. Fliegenfischer finden hier gute Möglichkeiten, um entspannt werfen zu können. Auch für Flugangel-Neulinge ist die Ansager Au daher ideal.
Die florierende Teichwirtschaft entlang der Ansager Au sorgt durch entwischende Fische gleichzeitig unfreiwillig für einen guten Bestand an Regenbogenforellen und Saiblingen.
4. Grinsted Au
Nahe der Ansager Au befindet sich die Grindsted Au. Der Fluss ist eine typische, idyllische Au mit einem großem Bestand an schönen Äschen. Aber auch viele Bachforellen mit einem besonders hohen Schnittgewicht fühlen sich in dem glasklaren Wasser wohl. Die Au schlängelt sich in weiten Teilen durch eine wunderschöne Heidelandschaft.
Das Angeln in der Au ist ein Traum. Oft können die Fische mit dem bloßen Auge entdeckt und gezielt angeworfen werden. Es ist hier nicht ungewöhnlich, Schwärme von Äschen im Strom stehen zu sehen oder den Schatten einer großen Bachforelle unter einer wedelnden Krautfahne.
5. Holme Au
Ähnlich wie die Konge Au, zeichnet die Holme Au ein sehr dichter Fisch-bestand aus. Dieser besteht zu etwa gleichen Teilen aus Bach- und Regenbogenforellen sowie Äschen.
Die besten Stellen sind sehr leicht zugänglich. Aus diesem Grund ist der Befischungsdruck an einigen Strecken ziemlich hoch (besonders bei Puglund und Starup). Es gibt jedoch auch solche Abschnitte, an denen man in ruhiger Atmosphäre den Salmoniden nachstellen kann.
Aufgrund einiger Staustufen in ihrem Unterlauf hat die Holme Au nur einen begrenzten Aufstieg von Meerforellen.
6. Lille Au
Trotz ihres Namens, der zu Deutsch „Kleiner Bach“ bedeutet, ist die Lille Au ein langer und schöner Fluss, an dem eine traumhafte Bachforellenfischerei möglich ist. Die Au schlängelt sich mitten durch Jütland, zentral gelegen zwischen vielen anderen spannenden Flüssen. Das Gewässer hat einen massiven Aufstieg von Meerforellen, die im Laufe der Saison die Bachforellen an ihren üblichen Standplätzen vertreiben, was die Fischerei auf die Rotgetupften oft schwierig macht. Wer es hier also gezielt auf Farios versuchen möchte, dem sei das späte Frühjahr empfohlen.
Wiedersehen macht Freude
Die große Bachforelle zu Beginn des Artikels spukte noch lange, nachdem sie in den klaren Tiefen der Au verschwunden war, in meinem Kopf herum. Ich hatte sie noch die ganze Saison versucht zu erwischen. Und die nächste Saison, und die darauf folgende auch. Ohne jedes Resultat! Die Rechnung blieb also offen.
Ein schöner Sommerabend im letzten Jahr: Die Mücken schwirren über dem Fluss, und ich bewege mich im Schneckentempo in Richtung des Platzes, wo ich den Fisch Jahre zuvor gesehen hatte.
Der erste Wurf. Direkt nach dem Auftreffen des Köders auf der Wasseroberfläche schießt ein Ruck durch die Rute. Sofort sehe ich den Fisch an der Oberfläche. Er zeigt mir seine Breitseite, und ich traue meinen Augen kaum. Ich schreie und jubele und lande ohne Rücksicht auf eventuelle materielle Verluste mit einem Platscher im Fluss, um eine bessere Position zu bekommen. Nach einem kurzen, harten Drill gleitet der majestätische Fisch irgendwann über den Rand meines viel zu kleinen Forellenkeschers. Über siebzig Zentimeter misst das Prachtexemplar und wiegt mehr als drei Kilo! Den nachfolgenden Jubeltanz kann man kaum in Worte fassen, aber es ist ja wohl nur zu verständlich, wenn man in der Hand eine von „Dänemarks fantastischen Forellen“ hält.
Extra-Tipp
Entlang der Flüsse befinden sich häufig sumpfige Uferzonen. Es ist deshalb ratsam, die Auen mit Watstiefeln zu begehen. Viele Auen werden im übrigen so selten befischt, dass die Ufer komplett zuwachsen, weshalb es zu empfehlen ist, generell eine etwas längere Rute als normal zu wählen, um beim Auswerfen über den Uferbewuchs hinausreichen zu können.
Internet-Tipp
Dänischer Tourismusverband: www.visitdenmark.com;
Den staatlichen dänischen Fischereischein (obligatorisch an allen Gewässern) erhalten Sie in Postämtern, Touristenbüros oder im Internet: www.fisketegn.dk (die Einnahmen werden für den Besatz und die Pflege von Jungfisch-Gewässern in Dänemark verwendet). Tageskarten: www.dagkort.dk; Angelführer: www.fiskeguides.dk
Auf vielen dänischen Campingplätzen kann man günstig einfache Hütten oder auch komfortable Ferienwohnungen mieten. Übersicht der Campingplätze entlang der beschriebenen Angelgewässer: www.dk-camp.dk und www.foldingbro.dk (Königsau); www.kvie.dk-camp.dk (Ansager Au); www.grindsted.dk-camp.dk; www.holmeaacamping.dk; www.langaa-camping.dk (Lille Au).
Auen-Check
Mindestmaße: Lachs: 60, Meerforelle 40, Bach-/Regenbogenforelle 30, Äsche 33 Zentimeter. In vielen Flüssen ist die Entnahme reglementiert. Bitte genaue Bestimmungen den jeweiligen Tageskarten entnehmen.
Schonzeiten: Alle dänischen Fließgewässer sind vom 15. November bis einschließlich 15. Januar geschlossen. Einige Flüsse sogar vom 1. November bis zum 1. April. Für Äschen bitte abweichende Schonzeiten beachten (oft bis 15. Mai).
Bestimmungen: Köderfische und Maden sind an vielen Gewässern verboten. Weitere Detailregeln gehen aus den Angelscheinen der jeweiligen Gewässer hervor.
Ungeschriebenes Gesetz: Um die sehr guten Salmonidenbestände in den dänischen Auen auch für nachfolgende Generationen zu erhalten, wird es gerne gesehen, wenn Fische schonend zurückgesetzt werden. Das gilt besonders für kapitale Fänge.