Kann man Barsch und Zander an einem Tag gleichzeitig ins Visier nehmen? Birger Domeyer machte die Probe aufs Exempel.
Ein neuer Fluss, ein unbekannter Raubfischbestand und eine Mission: Große Barsche und Zander sollen es sein. Vor diesem Dilemma stehen viele aktive Raubfischangler, die außerhalb ihrer Hausgewässer auf Beutezug gehen. Denn wer sich möglichst zeitsparend ein neues Revier erarbeiten möchte, kann unmöglich mit drei verschiedenen Spinnruten und zentnerweise Gummifischen am Fluss entlang laufen. Der schmerzende Rücken wird jedem Angler schnell die Motivation rauben, auch die nächste Kurve noch abzufischen. Und schon wird die Fang-Tour zur schweißtreibenden Packesel-Tortur.
Dazu schleicht sich noch die Unsicherheit ein: Fische ich die Kurve jetzt erst mit der Zanderrute aus? Ach nee, doch lieber das Barsch-Dropshot reinwerfen. Ist aber irgendwie auch zu langsam, so komme ich nie vorwärts … Und schon ist das passiert, was die meisten Fische kostet: inkonsequentes Angeln und fehlendes Vertrauen in die eigene Taktik. Statt zwei Plätze mit vielen Methoden zu befeuern, rate ich zu einer ganz anderen Strategie: Eine einzige Methode, aber damit den ganzen Fluss absuchen.
Wenn man nach ein bis zwei Tagen einen Überblick bekommen hat, kann man schließlich immer noch gezielter an der Kurve X auf Zander mit Großgummi oder Brücke Y auf Dickbarsch mit dem Dropshot angreifen.
Einer für alle
Bei unserer Kompromiss-Methode gilt es nun, so wenig wie möglich dabei zu haben, aber gleichzeitig Großbarsche und Zander im Visier zu behalten. Für die gezielte Zanderangelei bevorzuge ich in der Regel recht große Köder, 17 oder 20 Zentimeter dürfen es dann schon sein. Damit sind die Barsche aber aus dem Spiel. Also korrigiere ich die Ködergröße so lange nach unten, bis die Barsche wieder mitspielen können. Das Ergebnis ist dann ein etwa zwölf Zentimeter langer, schlanker Gummifisch mit Schaufelschwanz.
Warum kein No-Action-Shad? Ganz einfach: Barsche reagieren im Schnitt besser auf Köder mit viel Aktion, und die Zander mögen diesen ebenfalls. Bleibt nur noch die Farbwahl. Ich selber bin ja so ein verrückter Farbfetischist, der gern alles ausprobiert und alle Töne für wichtig hält. Geht jetzt aber nicht, da lange Fußmärsche am Fluss Pflicht sind. Und wenn ich mich entscheiden muss, habe ich hauptsächlich ein Naturdekor an der Angel, also eine Ukelei-Imitation in Schwarz-Weiß. Für die Dämmerungsphasen muss dann noch eine etwas grellere
Farbe mit chartreusem Anteil dabei sein, das war‘s schon. Je weniger Köder und Farben verfügbar sind, desto weniger zweifelt man auch an seinem aktuellen Handeln und fischt konzentriert mehr Strecke ab. Das hilft fürs Erste wesentlich mehr, als ständig in der Köderbox zu wühlen, obwohl keine Fische am Platz sind.
Jetzt sagen vielleicht einige: „Der wieder mit seinen Gummifischen …“ Ja klar Gummifisch, das ist nunmal der variabelste Köder. Man kann ihn hart am Grund führen, schnell im Flachen präsentieren und auch monoton durchs Mittelwasser leiern. Mit zehn Würfen ist so eine Flusskurve dann auch ausgeangelt, und ich muss nicht erst lange in der Box suchen, um den Wobbler zu finden, der jetzt einen halben Meter tiefer läuft.
Zudem ersetzt uns der Gummifisch am Bleikopf das Echolot wie kein anderer Köder. Durch das Jiggen am Grund merkt man anhand der Länge der Absinkphasen ganz genau, ob es tief oder flach ist, der Grund aufsteigt oder abfällt. So entsteht im Kopf des Anglers bereits ein Tiefenprofil des Flusses, das immer wichtig ist, egal ob es nun schon erste Bisse gibt oder nicht. Oft findet man so schon eine tolle Abbruchkante, die mitten im Fluss zwei Meter abfällt. Okay, mittags gab es dort vielleicht keinen Biss, aber es lohnt sich bestimmt, abends noch einmal zurückzukehren. Denn hier lauert früher oder später definitiv ein Zander.
In der Dämmerung ziehen die Zander flach umher, manchmal sogar auf den Großbarsch-Plätzen.
Wie Tag und Nacht
Soviel sei vorab verraten: Zander und große Barsche sind in ihrer Standplatzwahl im Fluss grundverschieden und stehen eigentlich nie direkt beieinander. Das liegt einfach an ihrer unterschiedlichen Physiologie: Zander sehen im Dunkeln besser, mögen deshalb gern tiefe und schattige Bereiche. Eine tief ausgespülte Außenkurve, die angesprochene steile Kante oder ein Brückenpfeiler. Alles Plätze, an denen weniger Licht ist. Hier dösen die Zander tagsüber, um dann nachts sehr ufernah auf Beutezug zu gehen. In dieser Ruhephase lassen sie sich aber sehr gut mit dem Gummifisch fangen.
In diesem Verhalten liegt ebenfalls ein bedeutender Unterschied zwischen Barsch und Zander, der für die Platzwahl sehr entscheidend ist. Hat man einmal einen guten Zanderplatz gefunden, kann man diesen ruhig immer wieder befischen.
Nachts ziehen die Zander umher und parken dann bei Tagesanbruch an auffindbaren Ruheplätzen. Es werden also auch bei einigem Angeldruck immer wieder neue Zander hier eintrudeln. Für unbekannte Gewässer bedeutet das: Man kann die potenziellen Zanderstellen ruhig nach dem optischen Eindruck auswählen und befischen. Ob hier nun Angeldruck herrscht oder nicht, hat uns zunächst nicht zu kümmern. Die umherstreunenden Zander werden hier schon wieder auftauchen.
Anders sieht es bei großen Barschen aus. Zunächst einmal sind ihre Augen nicht so lichtstark wie die des Zanders. Barsche suchen deshalb gerne flache und ruhige Flussabschnitte aus, in die viel Licht einfällt. Langgezogene Schilfgürtel, vor denen es etwa einen bis zwei Meter tief ist mit ein paar Schilflücken, die Kehrwasser erzeugen, sind optimal. Barsche stehen gerne sehr dicht am Ufer, bevorzugen jedoch, ebenso wie der Zander, harten Untergrund.
Im Gegensatz zum Zander bewegen sich Barsche nicht sehr weit von ihrem Standplatz weg, um zu jagen. Ruhe- und Fressplätze sind also identisch, die Dämmerungsphasen sind die aktivsten aus Barschsicht. Nachts schwimmen Barsche wenig umher und bleiben eher dösend auf ihrem Platz stehen.
Das heißt für uns Angler: Ein guter Großbarschplatz ist sehr schnell verangelt! Ein Barsch über 40 Zentimeter Länge ist mitunter 20 Jahre alt. Wird er gefangen, dauert es extrem lange, bis dieser Standort neu besetzt wird. Wer also wirklich große Barsche fangen möchte, soll-
te sich durchs Unterholz kämpfen und Plätze aufsuchen, die am besten gar nicht
beangelt werden.
Genau hinsehen
Oder aber nicht beangelt wurden, weil sie zu schwierig sind. An der Oste in Niedersachsen hatte ich so einen Platz in Form einer Außenkurve vor mir. Vor dem gegenüber liegenden Schilfgürtel erstreckte sich ein maximal fünf Meter breiter, flacher Streifen, bevor die steile Scharkante abfiel. Die Kante selbst ist sicher ein guter Platz für Zander, aber ich hatte eher den flachen Streifen im Auge. Hin und wieder tat sich eine Schilflücke auf, und in so einer könnte ein Dickbarsch lauern.
Nicht zimperlich: Dieser 48er Barsch attackierte im Sommer einen 14er Shad.
Trotzdem erforderte es einen 40 Meter-Wurf, der auf einem Quadratmeter gro-ßen Feld landen musste. Mein Mitangler Claus Mittmann war an diesem Platz schon vorbei, hatte die Lücke nicht getroffen. Auch ich hatte meine Mühe, brauchte bestimmt 15 Versuche, bis der Gummifisch genau da landete, wo ich den Großbarsch vermutete. Beim ersten Anlupfen des Gummis erfolgte sofort der harte Biss, und ein 45er Barsch hing am Haken.
Was ich damit sagen will: Dieser Platz wurde zwar regelmäßig beangelt, aber wahrscheinlich hat seit Jahren keiner in diese kleine Lücke im Schilf geworfen. Wer Dickbarsche will, muss so einen Wurf aber riskieren. So einfach schließt sich der Kreis für unsere Doppel-Stategie. Der naturfarbene 12er Gummifisch wird also so riskant wie möglich ans gegenüber liegende Ufer geworfen und mit vollster Konzentration und kleinen Sprüngen zurückgezupft. Erfolgt keine Großbarschattacke, bleibt immer noch die Chance auf den Zander, der an der Scharkante im Tiefen lauert. Schwindet das Licht am Abend, kommt der chartreuse Gummi ins Spiel.
Ansonsten heißt es: Kilometer machen, sich nicht zu Köder-Experimenten hinreißen lassen, bevor wir nicht die Standplätze der Räuber genau ausgemacht haben.