Im März und April wollen Friedfische noch nicht so richtig beißen. Thomas Kalweit überzeugte Markus Heine jedoch davon, es jetzt unbedingt auf kapitale Brassen zu versuchen. Wie und wo man sie fängt, lesen Sie im Interview.
Markus Heine: Mein größter Brassen war knapp 60 Zentimeter lang. Aber auch der schleimte den Kescher schon ordentlich voll. Größer muss es nun wirklich nicht sein, oder?
Thomas Kalweit: Ein Angler, der Angst vor Fischschleim hat?! Gibt es sowas? Doch Spaß beiseite: Gerade kurz vor, während und nach der Laichzeit besitzen Brassen nur sehr wenig Schleim. Die Männchen bilden dann ihren Laichausschlag aus, um damit die Weibchen zum Ablaichen zu stimulieren. Bei rauem Laichausschlag wäre eine glitschige Schleimschicht kontraproduktiv.
Da ich vor allem im zeitigen Frühjahr auf Großbrassen fische, ist übermäßiger Schleim für mich also kein Problem. Übrigens ist ein Hecht oft deutlich schleimiger als ein Frühjahrsbrassen aus ei-nem glasklaren Baggersee. Besonders schleimig sind die Brassen oft aus stark belasteten Gewässern, etwa dem Rhein.
Heine: Wie ich von Dir weiß, hast Du jahrzehntelang auf den zweistelligen Brassen gewartet. Jetzt hast Du ihn. Und was ist das für ein Gefühl?
Kalweit: Ein schönes! Es geht nichts über einen knorrigen Brassen von der Größe eines Gullideckels! Das sind richtige Urviecher. Es ist auch eine sehr interessante und anspruchsvolle Fischerei, zu einer Zeit, in der noch nicht viel anderes beißen will. Ich habe schon gute Brassen im März bei Schneetreiben gefangen. Unglaublich, wenn in diesem tot geglaubten Wasser dann eine große goldene Scheibe am Haken aufblitzt.
Heine: Bist Du eigentlich den Karpfenanglern dankbar? Ich glaube nämlich, dass die Brassen erst durch ihre Anfütteraktionen so groß geworden sind.
Kalweit: Die tragen sicherlich ihren Teil dazu bei. Es gibt aber auch wirklich große Brassen in wenig beangelten Naturgewässern, in denen es vor Tubifex und Zuckmückenlarven nur so wimmelt. Viel wichtiger als stark fütternde Karpfenangler ist, dass es nur sehr wenige Brassen im Gewässer gibt. Denn nur dann können sie auch richtig groß werden. In einem Gewässer mit verbuttetem Massenbestand wird es nie wirklich kapitale Brassen von deutlich über zehn Pfund geben.
Heine: Wie schon gesagt, habe ich noch keinen großen Brassen gefangen und war auch nicht dabei, wenn ein Zweistelliger gedrillt wurde. Kämpfen solche Kaliber eigentlich gut? Wie ein Karpfen?
Kalweit: Nein, sie schlagen nur wütend mit dem Kopf hin und her, mit einem Karpfen ist die Kampfkraft nicht vergleichbar. Große Brassen machen nur an angepasstem Gerät wirklich Spaß, an Ruten von 1,5 bis maximal 2,25 lb. An der leichten Gerte sind sie aber der absolute Knaller, sie kämpfen wie ein widerborstiger Bulle, den man am Nasenring durch die Gegend zieht.
Heine: Gehen wir mal davon aus, dass ich jetzt auch einen zweistelligen Brassen fangen möchte. Wie sollte ich mich darauf vorbereiten?
Kalweit: Der erste Schritt ist die Gewässersuche, Du brauchst einen größeren See mit nur wenigen, dafür großen Brassen. Ich studiere da vor allem die Fanglisten von Angelzeitschriften. Dann musst Du herausbekommen, in welcher flachen Bucht sie sich im zeitigen Frühjahr zum Laichen sammeln. Also viel dort spazieren gehen und mit Anglern sprechen. Karpfenangler geben bereitwillig über Brassen Auskunft. Dann ab März bis Mai dort regelmäßig fischen und füttern. Viel mehr ist es nicht.
Heine: Ein größerer See? Davon gibt es viele. Komm schon, Thomas, Du kanst mir doch ruhig einige Gewässer verraten…
Kalweit: Das hättest Du gerne, Gewässer werde ich Dir keine verraten, aber große Brassen gibt es in sehr vielen Baggerseen, in denen man beim normalen Feedern nur wenige oder gar keine Brassen fängt. Flüsse sind oft nicht die beste Wahl, weil es dort zu viele Brassen gibt. Ich fische mit Mini-Boilies und dem Method-Feeder, eine Top-Methode für diesen Zweck.
Heine: Fährst Du überhaupt an weit entfernte Gewässer, um dort Fische zu fangen? Oder zählt ein Fang vor der Haustür mehr?
Kalweit: Ich fahre sehr viel fürs Angeln, zum Brassenangeln sogar mehrere hundert Kilometer für eine Wochenendtour. Ich hole mir an den unbekannten Gewässern aber oft eine blutige Nase, trotzdem oder gerade deswegen lerne ich dort viel. Richtig gut fange ich dann an meinen Hausgewässern, wenn die zickigen Brassen mal mitspielen wollen. Über diese Fische freue ich mich dann besonders, ist doch klar.
Heine: Wann sollte ich angeln? Muss ich mir beim Brassenangeln auch die Nächte um die Ohren schlagen?
Kalweit: Im Frühjahr frühmorgens und in der Abenddämmerung, wer will auch nachts. Es ist schon hart, am Wochenende morgens um 4.30 Uhr aufzustehen, aber was tut man nicht alles. Auf dem Höhepunkt der Laichzeit beißen sie ein paar Tage wie wild den ganzen Tag über. Im Sommer ist dann nachts und in den Dämmerungsphasen die beste Zeit.
Heine: Wenn Brassen nachts am Platz sind, beißt es doch ständig, und man bekommt sicher kein Auge zu, oder?
Kalweit: Bei einem zu großen Bestand an mittleren Brassen ist das zumindest im Sommer auf jeden Fall so. Im perfekten Gewässer mit nur wenigen großen Brassen bekommt man im Idealfall nur ein, zwei Bisse, das sind dann aber hoffentlich anständige Fische. Das kann aber trotzdem sehr hart sein, wenn man im März bei wenigen Grad nachts mehrfach aus dem Schlafsack raus muss. Wenn ich ehrlich bin, fange ich meine Fische am liebsten tagsgüber.
Heine: Wie sehen Deine Montagen genau aus?
Kalweit: Es ist quasi abgespecktes Karpfenangeln, es wird mit der Haarmontage am Bolt-Rig gefischt. Wenn die Brassen beißen, wird mit der Spomb vorgefüttert, gekochter Hartmais, Miniboilies und Pellets sind hier perfekt. Um dem Method-Feeder wird dann Grundfutter geknetet, das mit gecrushten Boilies und Pellets gespickt ist.
Heine: Und jetzt verrate mir bitte auch noch den allerbesten Köder. Deinen Erfolgsköder am besten.
Kalweit: Ich schwöre auf kleine Pop-up-Boilies (zwölf bis 14 Millimeter) in den Signalfarben Gelb oder Orange. Sehr gut funktionieren beißende Fruchtflavours, etwa Pineapple, aber auch Strawberry oder Peach. Bei der Nachtfischerei sind sinkende Boilies besser, etwa kleine Fisch-Boilies oder Pellets an Haar.
Heine: Kann ich große Brassen auch fangen, ohne wochenlang vorzufüttern?
Kalweit: Mit viel Glück kann man das. Doch moderates Vorfüttern erhöht die Chancen enorm. Ich gehe häufig im Frühjahr am selben Platz fischen, dabei gelangt immer Futter an den Spot. Extra nur zum Anfüttern ans Wasser fahre ich sehr selten. Das Vorfach knetet man in den Futterballen am Method Feeder ein. Gelbe Köder, hier ein kleiner Pop-up-Boilie, heben sich gut vom Futter ab.
Heine: Anscheinend muss man große Brassen wie Karpfen aussitzen. Wie vertreibst Du Dir die Zeit am Wasser?
Kalweit: Die Geduld darf man nicht verlieren. Oft gehe ich im März und April zehn Mal hintereinander fischen, ohne einen Biss zu bekommen. Wenn ich alleine angeln gehe, dann ist mir oft extrem langweilig. Ich lese etwas, suche im Flachwasser nach angetriebenen Schwimmern, botanisiere, daddele auf dem Handy rum, laufe wieder etwas am Ufer entlang… Eigentlich das, was andere Angler auch so machen. Idealerweise gehe ich nur zu zweit zum Fischen, erst dann macht mir Angeln richtig Spaß.
Heine: Über Verwertung sprechen wir ja selten bei unseren Interviews. Beim Brassen möchte ich aber eine Ausnahme machen. Meine Frau liebt nämlich geräucherte Brassen. Ich war verwundert, wie gut die schmecken. Schon probiert?
Kalweit: Natürlich habe ich das schon, vor allem in Kindertagen. Schmeckt sehr gut, wenn nur die Massen an Gräten nicht wären. Ich habe das einmal böse als „Glaswolle mit Fischgeschmack“ beschrieben. Man hat leider oft mehr Finger im Mund als Fischfleisch. Wenn man aber alleine ist und sich vor anderen nicht genieren muss, dann sind Brassen durchaus ein Genuss. Wir sollten aber bedenken, dass es in richtigen Großbrassengewässern oft nur sehr wenige Brassen gibt. Wenn da einer zu viel räubert, kann es mit den Brassen schnell vorbei sein. Dann lieber bei Massenbeständen kleine Brassen zu Fischfrikadellen verarbeiten.
Heine: Kommen wir zum Schluss noch einmal zum Brassenschleim zurück. Wie bekommst Du den Kescher denn wieder sauber?
Kalweit: Einfach nach dem Angeln im Wasser kurz durchspülen. Dann daheim draußen ein, zwei Tage trocknen und auslüften lassen. Nach zwei Tagen ist der Geruch komplett verflogen. Die Stinkerei entsteht nur, wenn ein noch feuchter Kescher bei warmen Temperaturen im Auto, schlimmstenfalls in einem Müllsack, ein paar Stunden vor sich hin modert. Übrigens stinken Rotaugen- und Hechtkescher deutlich schlimmer, beide Arten haben diesen eigentümlichen metallischen Geruch, der bei beiden fast identisch ist.