Anfüttern, mehrtägige Ansitze, Rod Pods mit elektronischen Bissanzeigern – all das klingt nach Karpfenangeln. Was Hechtansitzer von den Boilie-Spezis lernen können, hat Thomas Kalweit von Timo Kleinekemper erfahren.
Vor einigen Jahren machten die Jungs vom Team „Pike Swat“ (www.pike-swat.de), mit dabei auch Timo Kleinekemper, in den sozialen Medien durch Großhechtfänge in Serie auf sich aufmerksam. Die Esox-Spezialisten fischten bei Eis und Schnee stets mehrere Tage aus dem Karpfenzelt heraus, vorzugsweise an den Einfahrten von Hafenanlagen, wo sich im Winter Räuber und Futterfische zusammenballen. Viele ihrer Großhechte bissen mitten in der Nacht, was für andere Raubfischspezialisten doch recht verstörend, zumindest aber ungewöhnlich war.
Fast noch mehr Aufsehen als die gigantischen Fänge erregten Unterwasseraufnahmen mit der Waterwolf-Kamera, die Timo aufzeichnen konnte. Hier zeigte sich, dass Hechte doch deutlich anders ticken, als viele selbsternannte Spezialisten glauben. Die großen Räuber scharwenzeln nämlich erst sehr lange um den toten Köderfisch herum, prüfen und begutachten ihn ausführlich, blasen ihn sogar mit einem Wasserschwall an, um ihn dann nach reiflicher Überlegung mit der äußersten Spitze des „Schnabels“, quasi wie mit einer Pinzette, aufzunehmen. Diese Prozedur kann durchaus eine halbe Stunde dauern! Hechte, die tote Köderfische fressen, sind offenbar keine ungestümen Raubtiere. „So viel Misstrauen und Vorsicht haben viele den Hechten gar nicht zugetraut. Durch die Unterwasseraufnahmen habe ich besonders viel lernen und dann erfolgreich umsetzen können“, erklärt Timo. Doch davon später mehr.
Durch die Ausnahmefänge wurde auch Dietmar Isaiasch von Zebco/Quantum auf Timo Kleinekemper aufmerksam. Beide haben dann das „Mr. Pike“-Programm mit speziellem Gerät zum Naturköderangeln (englisch: Deadbaiting) auf die Beine gestellt. Über die Jahre haben sich bei Timo einige Strategien und Montagen herauskristallisiert, mit denen man garantiert auch an deutschen Seen und Flüssen noch erfolgreicher sein kann.
Tipp 1: Futter bei die Fische
Vor allem in Großgewässern und Flüssen wandern die Hechte umher. Um sie bei ihren ausgedehnten Streifzügen zu stoppen und auf die Köder aufmerksam zu machen, füttert Timo mit nicht zu kleinen Fischstücken an. Sie müssen von den Hechten noch gut aufgenommen werden können, also kein Rubby-Dubby anfertigen. Die Köderfisch-Köpfe und Karbonaden werden großräumig mit einer Futterkelle am Angelplatz verteilt, gerne auch schon ein paar Tage vorher. Stoßen die Hechte zufällig auf eines dieser Fischstücke, beginnen sie zu suchen und nehmen die leblosen Teilchen immer weniger argwöhnisch auf. Hätten nur die Hakenköder am Grund gelegen, wäre der Esox vielleicht vorbeigeschwommen.
Timo verwendet vorzugsweise Köpfe und Mittelstücke zum Anfüttern, gerne von stark riechenden Meeresfischen. Die schönen Köderfischschwänze werden als Hakenköder verwendet, sie lassen sich besser werfen und anködern. An Kleingewässern kann das Anfüttern der Kleinfische in Kombination mit etwas Grundfutter sinnvoll sein. Action am Angelplatz lockt dort auch die Hechte herbei.
Tipp 2: Auf Grund legen
Wie verhält sich ein toter Köderfisch? Genau, er liegt unbeweglich am Boden. Und dort erwartet ihn der Hecht auch. Deshalb legt Timo seine Köderfische in der Regel an einer stinknormalen Grundmontage aus, gerne kombiniert mit einem Stehaufmännchen (Ledger Boom), um freien Schnurablauf zu gewährleisten. Manchmal poppt er den Köderfischschwanz mit auftreibendem Schaum (Foam) minimal etwas auf, damit er mit dem Schwanz auf dem Boden steht. Vor allem auf unsauberem Grund mit Kraut und Blättern bietet sich dieses leichte Aufpoppen an.
Wird mit der Pose gefischt, dann liegt im Winter der Köderfisch auch meistens auf dem Gewässerboden auf. „Ein unter der Pose im Freiwasser hängender Köderfisch treibt viel zu schnell weg, der Hecht kann ihn nicht genau mit der Nase orten und auch nicht ausgiebig prüfen“, erklärt Timo.
Tipp 3: Lange liegen lassen
Dank Timos Waterwolf-Kamera hat sich gezeigt, dass Hechte oft sehr lange Zeit um den Köder herumscharwenzeln. Sie merken offenbar instinktiv, dass etwas nicht stimmt und prüfen den Köder ganz genau. Wer zu oft einholt, zieht dem Hecht den Happen in dieser heißen Phase vor der Nase weg. Man sollte den Köder also lange an einer Stelle wirken lassen. Nur so können sich die Duftstoffe verbreiten und den Hecht zielgenau zum Köfi führen.
Bei Fehlbissen heißt es: Nerven behalten! Piept der Bissanzeiger, also nicht gleich den Köder kontrollieren. Der Hecht hält sich oft sehr lange in der Nähe des toten Köfis auf und nimmt ihn mehrfach prüfend ins Maul. Nach einem Fehlbiss kommt der Räuber in der Regel wieder. Wer zu schnell einholt, beraubt sich dieser Chance.
Tipp 4: Köderfische wechseln
Hechte sind zuweilen wählerisch. In vielen Gewässern funktioniert oft nur eine Köderfischart besonders gut. Ein Beispiel ist der Hering: Ihn mögen die Hechte entweder überhaupt nicht oder besonders gerne. Bei der Makrele liegt der Fall manchmal ähnlich. Die Sardine funktioniert eigentlich fast immer. Sie ist zudem preiswert und liegt in großen Supermärkten in der Tiefkühltheke aus.
Es ist wichtig, möglichst viele verschieden Köderfische in der Kühlbox zu haben. So lässt sich herausfinden, am besten im Team mit mehreren Anglern, auf welche Sorte die Hechte gerade stehen. Vorausgesetzt natürlich, an jeder Rute wird ein anderer Köfi präsentiert. Tote Süßwasserfische fangen ebenfalls, sie sind aber kein selektiver Hechtköder. Gerade beim Nachtangeln wird man mit einem toten Rotauge am Drillingssystem durch kleine Aale und Zander auf Trab gehalten. Mit Meeresköderfischen bleibt man von dieser hungrigen Meute weitestgehend unbehelligt.
Tipp 5: Durchängig ansitzen
Um die Beißzeiten der Hechte mitzubekommen, verbringt Timo in seinem Karpfenzelt oft mehrere Tage und Nächte am Gewässer. Vor allem bei Vollmond kommt der erhoffte Großhechtbiss auch einmal gerne nachts um drei Uhr. Gerade kürzlich konnte er einen besonders schönen Fisch um diese Zeit landen.
Die Entwarnung für Sonntagsangler: Gerade im Winter bei Frost erfolgen die Bisse aber auch gerne mittags, wenn die Sonne herauskommt und sich das Gewässer minimal erwärmt. Wie im Lehrbuch werden die Hechte dann munter. Man muss sich in der kalten Jahreszeit also nicht unbedingt die Nächte am Gewässer um die Ohren schlagen. Auch frühes Aufstehen ist bei Frost nicht erforderlich.
Ansonsten aber, laut Timo „Dreiviertel des Jahresverlaufs“, sind die Aktivitätsphasen der Hechte aber oft an die Dämmerungszeiten geknüpft. Wer jetzt das Nachtangeln nicht scheut, wird auch auf Hechte besonders erfolgreich sein.
Tipp 6: Augen auf!
Wer drei Tage nonstop am Wasser zubringt, hat viel Zeit, die Natur ganz genau zu studieren. Timo montiert bei klarem Wasser und Sonnenschein an einer Rute gerne seine Waterwolf-Kamera. Die Filme auf der kleinen SD-Karte kann er dann direkt am Wasser mit seinem Handy auswerten. So sieht er sofort, ob am Grund Futterfische aktiv sind, ob der Boden an der Angelstelle sauber oder voller Unrat ist und vor allem, wie sich die Hechte am Köfi verhalten. Prüfen die Räuber nur die halbe Makrele, ohne sie letztendlich aufzunehmen, wechselt Timo die Köderfischart und versucht sein Glück mit einer Sardine oder einem handgroßen Rotauge. Oft bringt das den erwünschten Biss.
Aber auch ohne technische Hilfe lässt sich am Wasser viel beobachten. Kormorane und Haubentaucher zeigen Futterfischvorkommen an. Sind im Winter keine fischfressenden Vögel an der Stelle, dann sind Futter und Hechte auch weit weg. Tauchende Blässhühner verraten Krautbestände und Muschelbänke.