Strömungen wirbeln Sedimente vom Meeresboden auf und transportieren sie weiter. Die Grundschleppnetzfischerei erhöht diesen Transport um bis zu einem Drittel, wie Forschende des Helmholtz-Zentrums Hereon nun in einer neuen Modellstudie zeigen.
Das kann die Funktion der Ostsee als natürlichen Kohlenstoffspeicher verringern und erhebliche Auswirkungen auf den Nährstoffhaushalt von Küstenmeeren haben.
Strömt besonders dichtes Wasser als sogenannte Bodenströmung über den Meeresboden, hinterlässt es rinnenartige Konturlinien und verändert so die Form des Meeresbodens. Um diese Strömungspfade besser nachvollziehen zu können, hat Dr. Lucas Porz vom Institut für Küstensysteme am Helmholtz-Zentrum Hereon, zusammen mit Projektleiter Dr. Wenyan Zhang und Institutsleiterin Prof. Corinna Schrum, zwei Schlammdepotzentren in der Ostsee untersucht. Sie verglichen dafür verschiedene Computersimulationen mit geologischen und ozeanographischen Daten. Diese bestätigten, dass sich auf diese Weise zuverlässige Vorhersagen zu den Strömungspfaden in der Ostsee treffen lassen und auch vergangene Strömungsmuster erklärt werden können. Auf dieser Basis untersuchten die Forschenden dann den Einfluss der Grundschleppnetzfischerei auf die Sedimentverteilung in der Ostsee.
„Das neuartige an unserem Ansatz ist, dass wir in unseren Simulationen die tatsächliche Grundschleppnetzaktivität einzelner Schiffe einbeziehen, statt wie in bisherigen Studien üblich die Verteilung der Fischereiflotten nur zu schätzen. Somit berücksichtigen wir auch saisonale und witterungsbedingte Schwankungen in der Fischereiaktivität.“, erklärt Lucas Porz, Erstautor der Studie.
Großer Einfluss der Grundschleppnetzfischerei
Das Ergebnis: Die Grundschleppnetzfischerei ist für einen um 14 Prozent höheren Schwebstoffgehalt und einen um bis zu 30 Prozent höheren Schwebstofftransport in der westlichen Ostsee verantwortlich. Diese Stoffe haben sich über Jahrzehnte und Jahrhunderte als Sedimentschichten am Meeresboden abgelagert. Die Grundschleppnetze wühlen diese Schichten auf und greifen damit aktiv in natürliche Prozesse ein. Langfristig könnte das nicht nur Konsequenzen für den Meeresboden haben, sondern auch die Atmosphäre. Denn vor allem die Schlammdepotzentren gelten als große Kohlenstoffsenke.
Netze wirbeln Schlick auf
Wie die Simulationen zeigen, wird eine große Menge an Schlick im Kattegat – einem Arm der Ostsee zwischen Dänemark und Schweden – durch die Schleppnetze aufgewirbelt. Die natürlichen Strömungen transportieren die aufgewirbelten Schwebstoffe dann in die Ostsee. Ein Teil davon löst sich im Wasser und wird in das Treibhausgas umgesetzt. „Der Einfluss der Grundschleppnetzfischerei könnte also zu einer verringerten Speicherkapazität der Schlammdepotzentren für Kohlenstoff führen. Die aufgewirbelten Nähr- und Schadstoffe könnten darüber hinaus auch den Nährstoffkreislauf und das Ökosystem der Küstenmeere beeinträchtigen. Wir sind dabei, unsere Modelle um biogeochemische Prozesse zu erweitern, um diese Effekte beziffern zu können“, so Porz.
Um eine solide Wissensgrundlage für Entscheidungen in der marinen Raumordnung zu erhalten, wie etwa bei der Einrichtung von Nullnutzungszonen, bedarf es weiterer Forschung. Diese wird momentan am Hereon in Kooperation mit weiteren Forschungseinrichtungen im Rahmen des Projekts APOC umgesetzt. Hier untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Einfluss des Menschen auf die Transportwege des Kohlenstoffs in der Nordsee. Das erlaubt Rückschlüsse auf ihre aktuelle und zukünftige Ökosystemleistung, auf die die Welt im Angesicht des immer schneller voranschreitenden Klimawandels angewiesen ist.
-Pressemitteilung Hereon-