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Niedersachsen: Insel Baltrum


Hot Spots auf Baltrum sind die Buhnen im Westen der Insel. Im Hintergrund ist Langeoog zu sehen.

Neuland im Norden

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  • Auf Baltrum können selbst eingefleischte Angelprofis Unbekanntes entdecken. Horst Hennings zum Beispiel hat dort seine ersten Kontakte mit ostfriesischen Wolfsbarschen geknüpft – per Fahrrad. Von Christian Hoch

  • Beim Meeresfischen macht ihm niemand etwas vor. Der Cormoran-Teamangler Horst Hennings ist schon zigmal Deutscher und Europameister geworden, also buchstäblich mit allen Wassern gewaschen. Trotzdem träumt er schon lange davon, an der deutschen Küste endlich mal einen Wolfsbarsch zu fangen.

    Als ich ihn im vergangenen Jahr per Telefon frage, ob er nicht Lust hat, mich auf einen Kurztrip nach Baltrum zu begleiten, ist Horst sofort Feuer und Flamme. Im August geht’s los. Wir treffen uns im ostfriesischen Neßmersiel. Hier setzt die Fähre nach Baltrum über. Rund eine halbe Stunde dauert die Fahrt. Im Hafen der Insel angekommen, werden wir von unseren Gastgebern Andreas und Georg Dietrich begrüßt. Beide betreiben auf Baltrum eine Pension und fischen in ihrer Freizeit am liebsten auf Wolfsbarsch.

    Noch am selben Abend wollen wir unser Glück in der Brandung versuchen. Allein der Weg zum Angelplatz ist ein echtes Abenteuer. Auf Baltrum gibt es nämlich keine Autos. Also laden wir das Angelgerät in einen Anhänger, schwingen uns auf Fahrräder und radeln zu den Buhnen auf der Westseite der Insel. Hier stehen die Chancen besonders gut, wie Andreas erklärt: „Zwischen Baltrum und Norderney gibt es einen starken Tidenstrom. Der sorgt für reichlich Nahrung.“

     

    Auf Baltrum gibt‘s Fahrräder statt Autos. Mit ein wenig Glück hängt nach dem Angeln ein schöner Wolfsbarsch am Lenker.

    Horst ist voll in seinem Element, denn das Brandungsangeln zählt zu seinen Lieblingsmethoden. Doch funktioniert das Ganze auf Wolfsbarsch ebenso, wie er es von der Fischerei auf Dorsche und Platte gewohnt ist? Was die Köder angeht, gibt es schon mal keinen nennenswerten Unterschied. Denn auch hier laufen Wattwürmer am besten, wie Andreas versichert. Allerdings fügt er hinzu, dass die Köder oft von Krebsen
    stibitzt werden. Dieses Problem kennt Horst von der Westküste. Das Schlitzohr hat prompt die richtige Antwort parat: „Ich benutze ein Vorfach mit etwas größeren Auftriebskörpern. Sie sollen den Köder ein Stück vom Grund fernhalten.“ „Wichtig ist aber, dass die Kugeln wirklich groß genug sind. Denn wir angeln hier meist mit zwei Wattwürmern, haben also immer ein bisschen mehr auf dem Haken. Das zeigt dem Fisch: da geht was“, ergänzt Andreas. Um ganz auf Nummer sicher zu gehen, umwickelt Horst die Würmer zusätzlich mit einem Gummiband. Und siehe da: Seine Taktik geht voll auf. Die Köder bleiben nahezu unversehrt, zumindest, was die Krebse angeht.

    Maik (li.) und Georg Dietrich graben Wattwürmer. Für den Anglerbedarf ist dies auf Baltrum erlaubt, außer in Naturschutzgebieten.

    Kurz nach Einbruch der Dämmerung bekommt Horst den ersten Biss. Es ist tatsächlich ein Wolfsbarsch, wenn auch nur ein kleiner Vertreter seiner Art. Und Horst wäre nicht Horst, wenn er nicht auch dafür eine plausible Erklärung auf den Lippen hätte: „Wolfsbarsche rauben meist im Schwarm und schicken erst einmal einen kleinen Späher vor. Dann kommen die Großen hinterher“, sagt der Spezi mit einem Schmunzeln. Lange dauert es nicht, da hängt bei ihm auch schon der nächste Fisch am Haken. Diesmal ist es ein halbstarker Aal. Gerade in der Zeit von Juni bis August bestehen auf Baltrum gute Aussichten auf die Schlängler. Die Brandungsangler fangen in dem Revier auch regelmäßig schöne Plattfische. Aber wir haben es ja auf die stacheligen Räuber abgesehen, von denen Andreas am Schluss noch einen kleinen erwischt. Immerhin, denn für unseren kurzen Einstand auf Baltrum ist das gar kein schlechtes Ergebnis.

    Auch Brandungsangler haben auf Baltrum alle Möglichkeiten. Es locken Wolfsbarsche, Aale oder Plattfische.

    Am nächsten Tag steht das Spinnfischen auf dem Programm. Nach ausgiebigem Frühstück in der gemütlichen Pension „Seepferdchen“ radeln wir wieder zu den Buhnen. Wie überdimensionale Finger ragen sie ins Wattenmeer hinein. Zusammen mit Dünen und Deichen sollen sie die Insel vor Sturmfluten schützen. Positiver Nebeneffekt aus anglerischer Sicht: Die Buhnen bieten sowohl Futterfischen als auch Räubern prima Einstände. Georg und Andreas konnten hier an einem Tag schon mehr als zehn Wolfsbarsche überlisten! Da passten die Bedingungen allerdings auch haargenau: glasklares Wasser, Sonnenschein und kein Wind. Heute allerdings weht ein recht frisches Lüftchen, das Wasser ist daher sehr trübe. Andreas weiß aus eigener Erfahrung, dass dies fürs Spinnfischen nicht optimal ist. Aber Ausreden gelten nicht, jetzt heißt es fischen! Horst hat an der Ostsee schon unzählige Tage beim Meerforellenfischen verbracht, welches der Angelei auf Wolfsbarsch stark ähneln soll. So zumindest hat er es oftmals gehört. Auch hier gibt es also wieder Parallelen zu seinen gewohnten Methoden – ähnlich wie beim Brandungsangeln tags zuvor. Doch mit einem hätte er nicht gerechnet: Andreas überrascht ihn nämlich mit der These, dass das Spinnfischen in diesem Revier bei ablaufendem Wasser Erfolg versprechender ist, weil man dann den Köder besser kontrollieren kann. Horst hingegen hat am Meer meist die Erfahrungen gemacht, dass steigende Pegel von Vorteil sind. Aber diesmal heißt der Zielfisch eben Wolfsbarsch, und ein echter Angelprofi wie Horst stellt sich natürlich sofort auf die neuen Gegebenheiten ein.

    Schnell hat er seine Meerforellen-Kombi einsatzbereit und geht zielsicher auf die Buhne, neben der am Tag zuvor die beiden kleinen Wolfsbarsche die Wattwürmer nahmen. Als Köder vertraut er auf einen Küstenwobbler, den er an einem vor die dünne Geflochtene geknüpften Stück Fluorocarbon montiert. Es bestätigt sich einmal mehr, dass Horst die Infos von Andreas geschickt in die Praxis zu übertragen vermag. Denn sein kompakter Küstenwobbler lässt sich bei Wind einen Tick besser werfen als ein Blinker. Und in diesem Fall kommt es auf jeden Meter an. Weiter draußen, im Bereich der Kehrströmung, hat Horst nämlich einen blauen Bereich mit klarem Wasser erspäht, was ja laut Andreas ideal fürs Spinnfischen sein soll. Genau dort taucht der Köder immer wieder ein.

    Stück für Stück tastet sich Horst mit der Spinnrute bei ablaufendem Wasser an den Buhnenkopf heran.

    Nach und nach sinkt der Pegel und gibt immer mehr vom Wellenbrecher frei, so dass sich Horst langsam Richtung Buhnenkopf vorarbeiten kann. Man merkt ihm förmlich an, dass er bis in die Haarspitzen konzentriert ist, um ja keinen Zupfer zu verpassen. In einem lauten „Ja!“ entlädt sich während des Anhiebs plötzlich die Anspannung. Aber nur für einen kurzen Moment, denn nun beginnt ein heißer Tanz. „Der Biss kam hammerhart. Anders als ich es beim Meerforellen-Blinkern gewohnt bin“, wird der Spezi später erklären. Immer wieder reißt der Wolfsbarsch Schnur von der Rolle, gibt sich selbst kurz vor den Füßen noch nicht geschlagen. Schließlich gelingt es Horst, den 56 Zentimeter langen Fisch mit einem beherzten Schwung zu stranden. Der Profi ist völlig aus dem Häuschen und springt vor Freude über seinen ersten maßigen „deutschen“ Wolfsbarsch in die Luft. „Ich bin rundum glücklich. Der Ausflug hierher hat sich wirklich gelohnt!“

    Freude pur:Horst Hennings mit seinem ersten maßigen Wolfsbarsch von der deutschen Küste – stolze 56 Zentimeter lang!

    Das hört Gastgeber Andreas natürlich gern. „Freut mich sehr, Horst. Petri Heil!“ Und weil die Wolfsbarsch-Premiere natürlich gebührend gefeiert werden muss, spendiert Andreas Horst und den anderen Anglern – passend zum Revier – ein friesisch herbes Bier. „Petri Dank!“

    Die Insel Baltrum

    Gewässer-Check: Insel Baltrum

    Unterkunft und Angel-Infos: Gäs-tehaus Seepferdchen, Andreas Dietrich, Haus Nr. 164, 26572 Baltrum Tel. 04939/264, E-Mail: seepferdchen-baltrum@t-online.de, Internet: www.seepferdchen-baltrum.de

     

    Baltrum-Infos: Baltrum liegt zwischen Norderney und Langeoog, ist nur rund 1,8 Kilometer breit sowie 5,5 Kilometer lang und damit die kleinste bewohnte Nordsee-Insel Ostfrieslands. Die Fährüberfahrt ab Neßmersiel dauert zirka eine halbe Stunde. Besonderheit: Autos sind auf der Insel nicht erlaubt. Man kann aber alles ganz bequem zu Fuß oder per Fahrrad erreichen – Baltrum ist eine echte Oase der Ruhe! Weitere Infos unter www.baltrum.de

     

    Saison: Wolfsbarsch von Ende April bis Ende Oktober; Hornhecht, Aal und Makrele von Juni bis August; Plattfische ganzjährig; Dorsche vor allem im Frühjahr und Herbst; im Sommer vereinzelt Meeräschen.

    Andreas Dietrich ist Baltrumer und Wolfsbarsch-Fan. Christian Hoch wollte es genauer wissen.

    Christian Hoch: Seit wann angelst Du gezielt auf Wolfsbarsch?

    Andreas Dietrich: Ich habe 2006 da-mit begonnen. Ein Jahr zuvor gingen Freunden von mir beim Brandungsangeln mit Wattwurm die ersten Wolfsbarsche an den Haken. Sie wussten aber damals nicht wirklich, mit welcher Fischart sie es zu tun hatten. Schließlich haben sie sich schlau gemacht und waren begeistert.

    C.H.: Also war das Ganze am Anfang eher ein Zufallsprodukt?

    A.D.: Völlig richtig. Denn ohne meine Freunde wüsste ich wahrscheinlich heute noch nicht, dass es vor Baltrum Wolfsbarsche gibt. Wir haben uns zunächst Infos aus dem Internet geholt. Da die Angelei sehr dem Meerforellenfischen ähnelt, kamen wir schließlich auf den Dreh, dass es auch mit Kunstködern sehr gut funktioniert.

    C.H.: Mit welchen denn konkret?

    A.D.: Top sind vor allem schlanke Blinker, die einen Sandaal imitieren und nicht zu dunkel sein sollten. Das Gewicht richtet sich nach der Windstärke. In der Regel kommt man mit 14 bis 25 Gramm schweren Modellen aus. Wichtig ist, dass die Köder im Zweifelsfall lieber etwas schneller als zu langsam geführt werden.

    C.H.: Wie sieht‘s denn mit anderen Kunstködern aus?

    A.D.: Obwohl Blinker meine absoluten Lieblinge sind, laufen auch Wobbler oder kleine Gummifische sehr gut. Ich kenne einige Angler, die beispielsweise auf Gummi schwören.

    C.H.: Geflochtene oder Monofil – was würdest Du empfehlen?

    A.D.: Ganz klar: Geflochtene. Denn der Anhieb muss auch auf große
    Distanzen sofort durchkommen, damit man die Kämpfer möglichst schnell aus dem Tidenstrom zwischen den Inseln herausbekommt. Sonst hat man selbst bei einem relativ kleinen Wolfsbarsch große Probleme.

    C.H.: Welchen Einfluss haben bei Euch im Wattenmeer Ebbe und Flut auf die Angelei?

    A.D.: Einen ganz entscheidenden. Zum Spinnfischen gehen wir in erster Linie bei ablaufendem Wasser, weil man dann den Köder am besten kontrollieren kann. Hinzu kommt, dass das Wasser zwischen Baltrum und Norderney nach Norden rausströmt – vorbei am Buhnenkopf. Und dort suchen Kleinfische Schutz. Da sind die Räuber natürlich nicht weit.

    C.H.: Also ist der Buhnenkopf die eigentliche Topstelle?

    A.D.: Nein, man kann entlang der
    gesamten Buhne fangen. Ich erinnere mich zum Beispiel noch gut an einen Tag, als wir bei Ebbe direkt am Buhnenkopf fischten, aber nichts ging. Plötzlich erschraken wir fast, als hinter uns das nur gut knietiefe Wasser auf halber Höhe der Buhne explodierte. Sandaale sprangen wie wild aus dem Wasser. Überall jagten die Wolfsbarsche. Wir wechselten schnell die Stelle und – rums!

    C.H.: Wie haben sich Eure Fänge in den letzten Jahren entwickelt?

    A.D.: Sowohl, was Größe und Stückzahl betrifft, fangen wir eigentlich von Jahr zu Jahr besser. Anfangs lag die Durchschnittsgröße zwischen 35 und 45 Zentimetern. Heute sind die Wolfsbarsche in der Regel 45 bis 55 Zentimeter lang. Unser Größter hatte 68 Zentimeter, Bekannte haben sogar zwei 80er erwischt! Tagesfänge von fünf Fischen und mehr pro Angler sind durchaus drin. Voraussetzung dafür ist beim Spinnfischen möglichst klares, am besten ganz ruhiges Wasser.

    C.H.: Welchen Tipp würdest Du einem Angler geben, der zum ersten Mal auf Baltrum Wolfsbarsche angeln möchte?

    A.D.: Ganz einfach: die Buhnen im Westen der Insel bei ablaufendem Wasser systematisch abfischen – dann ist der erste Wolfsbarsch nur eine Frage der Zeit.

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