Zielfische Barsch Kannibalische Kapitale

Kannibalische Kapitale


Kapitaler Bursche: Solche Pfundskerle lohnen den ganzen Einsatz.

Großbarsche auf tote Jungbrut? Aber ja! Weniger Bisse, dafür aber prächtige Exemplare, heißt das Erfolgsrezept von Thomas Kalweit für das Posenangeln im See.

By Thomas Kalweit

In den meisten Gewässern leben Myriaden von Kleinbarschen. Doch nur wenige davon überschreiten die 500-Gramm-Grenze. Und die Brocken über 1,5 Kilo sind so spärlich gesät, daß ihr Fang – von ein paar Top-Gewässern abgesehen – quasi wie ein „Sechser im Barsch-Lotto“ anmutet. Und doch: Das Beschreiten von neuen Angelwegen macht sich auch bei der Pirsch auf die Stachelritter mit den feuerroten Flossen bezahlt.

Das klassische Erfolgs-Rezept für den gezielten Fang von Kapitalen lautet: „Arbeite Dich mit Tauwurm, Zocker oder Twister durch die unzähligen Kleinbarsche, um irgendwann einmal den ersehnten großen zu erbeuten.“

Die wohl fängigste Standard-Methode für den Winter – so heißt es – sei der Tauwurm am Bodenblei, der gezielt in den tiefsten Gewässerbereichen angeboten wird. Diese Rechnung geht auch irgendwann auf, erfordert aber ein hohes Maß an Geduld.

Dieser relativ große Köder ist zwar ziemlich selektiv, dennoch attackieren ihn immer wieder auch „Zwerge“. Falls der fette Kringler in einer Vertiefung am Grund abgeboten wird, die von einem Trupp Großbarsche besetzt ist, kann man mit dieser Methode sicherlich gute Erfolge erzielen. Doch das Verhältnis von halbstarken Barschen zu den kapitalen liegt meistens bei 100 zu 1. Weiteres Problem: Die Angelstelle wird immer wieder durch den Drill von Kleinbarschen gestört; die großen werden mißtrauisch und beißen kaum noch.

Der Zufall bringt es an den Tag

Wie rettet man sich nun aus der Bredouille? Ich bin durch Zufallstreffer beim Aal- und Zanderangeln darauf gestoßen: Großbarsche fressen unter bestimmten Bedingungen auch tote Futterfische. Denn immer wieder vergriffen sich fette Großmäuler an den ausgelegten Ködern.

Auf den ersten Blick scheint dieser Tip wenig erfolgversprechend. Aber wenn man alte englische Angelliteratur durchforstet, stößt man immer wieder auf die gleichen Empfehlungen. So verwendete man zu Anfang dieses Jahrhunderts zum Barschfang im Hornsea Mere sogar erfolgreich blutig-rote Kiemenbögen. Am Croxby Pond wurde ausschließlich mit Gründlingsköpfen beködert.

Vor allem in sehr trüben Gewässern mit einer Sichttiefe von unter 50 Zentimetern oder bei der Nachtangelei erwies sich der frisch getötete Mini-Schuppenträger als gute Alternative zu anderen Ködern. Massenfänge sind bei diesem Verführer kaum drin, dafür aber Bisse von massigen Barschen, meist über ein Pfund schwer.

Konzentration an wenigen Stellen

Im Winter liegt der Vorteil dieser stationären Angelei darin, daß sich die Brut zusammen mit den Räubern an den tiefen Stellen oder im Schutz von Bootsstegen sammelt. Dort sind dann auch die Kapitalen naturgemäß besser zu fangen (Zeichnung 1), weil sie ihren eigenen Nachwuchs zum Fressen gern haben. So kenne ich zum Beispiel ein Gewässer mit einem Bombentrichter aus dem 2. Weltkrieg; dieser Spot ist ein Barsch-Fangplatz schlechthin. Der See selbst ist im Winter durch aufgewirbelte Tonsedimente stark milchig angetrübt. Vor allem bei sehr stürmischem Wetter hat man gute Erfolgsaussichten.

Die Erfahrung bestätigt, daß frisch getötete Kleinbarsche bei weitem die besten Köder sind. Nur sie besitzen anscheinend den speziellen, unwiderstehlichen Duft. Kurz vor dem Auswerfen ritze ich die kleinen Fische leicht ein, damit sich das Aroma besser verbreitet. Am fängigsten sind Exemplare in Längen um die 15 Zentimeter.

Schaut man sich das Maul eines Großbarsches an, so ist ein solcher Köder sicherlich nicht zu knapp bemessen. Und außerdem: Je kleiner, um so weniger Duftstoffe kann er schließlich ins Wasser abgeben.

Mit kleinen toten Weißfischen fing ich weniger gut. Eine prima Alternative sind allerdings Gründlinge, vorausgesetzt, sie sind in dem jeweiligen Gewässer heimisch. Diese sollten ebenfalls frisch getötet sein, damit ihr Aroma möglichst intensiv duftet. Daher bringe ich sie in Eimer ans Wasser und töte sie erst unmittelbar vor dem Anködern.

Den Fisch piekse ich auf einen Einzelhaken der Größe 2 bis 8, der direkt an die Hauptschnur gebunden ist. Eine Tragkraft von drei Kilogramm reicht absolut aus, falls nicht in der Nähe von Hindernissen gefischt wird. Möglichst feines Material ist von Vorteil, denn die Prachtburschen sind häufig sehr schnurscheu.

Punktbebleiung unter der Pose

Die Pose tariere ich direkt unter dem Schwimmkörper mit Schrotbleien aus (Zeichnung 2). Das ergibt quasi ein extrem langes „Vorfach“. Der anbeißende Räuber spürt keinen Widerstand durch etwaige Gewichte, die ihm beim Abziehen auf die Flanken fallen.

In Gewässern mit Hechtbestand schalte ich aus waidmännischen Gründen ein Stahlvorfach vor, nehme jedoch in Kauf, daß damit die Fänge von kapitalen Großmäulern zurückgehen.

Den Barschen wird der Leckerbissen kurz über Grund oder am Boden schleifend präsentiert. Auch bei sehr starkem Wind fische ich mit der Pose, denn Wellen und Strömung hauchen dem toten Fisch „Leben“ ein.

Jagen die Barsche jedoch eher im Mittelwasser, macht der Griff zu kleineren Posen durchaus Sinn. Außerdem injiziere ich dem toten Köderfisch mit einer Spritze etwas Luft in den Körper und halte ihn auf diese Weise in der Schwebe.

Fette Kringler nur im Notfall

Dies gilt auch für den Tauwurm, den ich jedoch nur präsentiere, wenn auf den Köderfisch partout nichts beißen will. Auch er bekommt Luft in die Vorderpartie gespritzt (Zeichnung 3).

So bewegt sich der Kringler am Bodenblei nicht nur attraktiver, sondern kann sich auch nicht in Schlamm oder Kraut einwühlen, wo die Barsche ihn kaum finden würden.

Angeboten werden die natürlichen Köder an einer weichen und sensiblen Gerte. Der Barsch hat im Vergleich zu anderen Fischarten kein knorpeliges Maul, und oft sitzt der Haken nach dem Anschlag nur in einem dünnen Häutchen. Mit einer zu steifen Rute verliert man daher zu viele knapp gehakte Großmäuler.

Ideal sind leichte englische Modelle, Typ „Avon“, mit einer Länge von etwa zwölf Fuß (= 3,65 Meter) und einer Testkurve bis zu 1,5 lb. Hervorragend eignen sich auch Feederruten – vor allem zum Posenfischen auf Großbarsche.

Eine weiche Spitzenaktion ist Trumpf, um die rasanten Fluchten eines Barsches abzufedern. Die Rute sollte aber noch über genügend Rückgrat verfügen, um Köderfische bis zu 30 Gramm Gewicht problemlos auswerfen zu können.

Doch hat tatsächlich einmal ein mehrpfündiger Geselle gebissen, heißt es – selbst mit dem passenden Gerät – sehr vorsichtig zu drillen: Oft genug sind gerade die vorsichtigen Kapitalen nur „hauchdünn“ gehakt.

Foto: Piet Driessen

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