Bild: J. S. Müller/VHF |
Der Verband Hessischer Fischer (VHF) publiziert seit einigen Jahren regelmäßig Informationsbroschüren über aktuelle Themen aus der Ökologie heimischer Süßwasserfische.
Die Faltblatt-Serie „Fisch des Jahres“ gibt dabei Jahr für Jahr einen Überblick über die Eigenschaften des jeweiligen Fisches, dessen Lebensweise, Körperbau, Nahrung, Fortpflanzung und die Bedrohungen, die der aktuelle Zustand unserer Gewässer mit sich bringt.
Nach der Äsche (2011), den Neunaugen (2012) und der Bachforelle (2013) hat der VHF wir im Jahr 2014 das Faltblatt Stör drucken lassen.
Die größte Gefährdung für diese und alle anderen wandernden Fischarten sind unüberwindbare Hindernisse wie Wasserkraftwerke. Hierbei haben vor allem die von der Menge an gewonnener Energie her völlig sinnlosen Kleinkraftwerke mit einer Leistung von unter 5 MW, ökologisch besonders katastrophale Folgen. Informieren Sie sich über dieses Thema mit der Broschüre „Tod in der Turbine“.
Der Stör – ein Porträt
Die Störe sind eine erdgeschichtlich sehr alte Gruppe von Knochenfischen. Sie besiedelten bereits vor 250 Millionen Jahren Meere und Flüsse. Auffallend sind die vier an der Maulspitze sitzenden Barteln, die fünf Reihen von Knochenplatten, die anstelle von Schuppen den Körper bedecken und die asymmetrische Schwanzflosse. Das Skelett wurde im Verlauf der Evolution zu Knorpeln rückentwickelt.
Noch vor einem Jahrhundert war der Stör in Deutschland häufig und stellte eine feste Größe auf heimischen Tellern dar, und zwar nicht nur der begehrte Kaviar, seine Eier. Allerdings teilt er das Schicksal aller weit wandernden Fische und ist aus unseren Flüssen verschwunden. Die Wasserkraftanlagen verhindern die für die Fortpflanzung erforderliche Wanderung.
In Nordeuropa waren zwei Störarten heimisch, der europäische Stör (Acipenser sturio) in der Nordsee und der Atlantikküste sowie der atlantische Stör (Acipenser oxyrinchus) in der Ostsee.
Störe waren auch wirtschaftlich von Bedeutung. So baute man in Hamburg 1871 eine eigene große Halle zur Vermarktung dieser Fischart. 1920 verkauften die Fischer in Altona noch 700 Exemplare. Der letzte Stör im Rhein wurde 1923 bei Rees, der letzte atlantische Stör aus der Ostsee im Jahr 1938 gefangen. Seit den 60er Jahren gilt diese Art in Deutschland als ausgestorben. Aufsehen erregte ein Einzelfang in der Nordsee im Jahr 1993. Die zoologische Sensation wurde versehentlich in der Kantine des Bonner Innenministeriums verwertet.
Lebensweise
Der europäische Stör ist mit bis zu 6 Metern Länge und bis zu 400 Kilo Gewicht der größte Fisch, der in unseren Gewässern heimisch war. Der atlantische Stör wird bis zu 4 m lang. Vor etwa tausend Jahren waren die Tiere in allen Meeren rund um Europa, mit Ausnahme der subpolaren und polaren Gewässer sehr zahlreich. Heute ist nur noch in der Gironde in Frankreich eine letzte Reliktpopulation von wenigen hundert Tieren des europäischen Störs beheimatet. Trotz der Größe sind Störe friedliche Gesellen. Sie ernähren sich von Krebsen, Muscheln, Schnecken und anderen Kleintieren sowie von kleinen Fischen am Gewässergrund. Um Nahrung zu finden, orientieren sie sich überwiegend durch den ausgeprägten Geruchs- bzw. Geschmackssinn, der in den vier Barteln an der Maulspitze besonders sensibel ist und durch das stark ausgeprägte Seitenlinienorgan, das Erschütterungen und Bewegungen auf größere Distanz orten und analysieren kann.
Fortpflanzung
Die urtümlichen Fische werden über 100 Jahre alt. Erst im Alter von 12 bis 14 Jahren werden Männchen geschlechtsreif, die Weibchen erst mit 16 bis 18 Jahren. Die Tiere nehmen nicht in jedem Jahr an der Laichwanderung teil. Weibchen laichen nur alle drei bis vier Jahre. Zum Laichen wandern Störe zwischen April und Juli aus ihrem eigentlichen Lebensraum, den küstennahen Meeren, an ihre Geburtsstätten, den Kiesbetten in den Oberläufen der Flüsse. Die Wanderung führt, je nach Wasserstand, bis zu 1000 Kilometer flussaufwärts, wobei sie schon aufgrund ihrer Größe nicht so weit flussaufwärts gelangen wie Forellen, Neunaugen oder Lachse. Nach dem Ablaichen wandern die Elterntiere sofort wieder zurück ins Meer. Die Jungtiere wandern langsamer flußabwärts und erreichen im Alter von etwa einem Jahr die brackigen Flussmündungen, wo sie einige Jahre bleiben.
Gefährdungen
Die nahezu vollständige Vernichtung der Störbestände in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert war vor allem auf die zunehmende Verbauung und Verschmutzung der Flüsse zurückzuführen. Heute fallen noch immer die wenigen verbliebenen Individuen als Beifang der industriellen Hochseefischerei zum Opfer. Der Abbau von Kies in der Gironde droht die letzten Laichgebiete Europas zu vernichten. Die Größe der Tiere ist auch ein Hindernis bei der Wiedereinbürgerung. Die Stauanlagen der Wasserkraftwerke sind schon für kleinere und sprungstärkere Wanderfische unüberwindbar. Die Dimensionen der Fischtreppe in Geesthacht an der Elbe, die für Störe bis 3 m Länge ausgelegt ist, führen Wiederansiedlungsversuche an anderen deutschen Flüssen wie Rhein, Main, Neckar oder Mosel ad absurdum, solange keine funktionierenden Wanderhilfen verfügbar sind.
Das Geeshachter Stauwerk ist das einzige Sperrwerk an der unteren Elbe. Die dort nach neuesten Forschungsergebnissen gebaute Fischaufstiegsanlage ist die einzige Anlage überhaupt, die eine nennenswerte Funktion belegen kann. Für den Fischabstieg sind bisher keine belegbar funktionierenden Wanderhilfen bekannt. Trotzdem ist die Elbe der einzige der großen deutschen Flüsse, in dem ein Versuch der Wiederansiedlung überhaupt eine Chance auf Erfolg haben könnte. Angler haben daher an der Elbe ein entsprechendes Programm iniziiert, das nun mit Hilfe der Bundesregierung umgesetzt wird. Das Projekt wird intensiv wissenschaftlich überwacht, um permanent die Fortschritte und Rückschläge in die weitere Planung einzubeziehen. Werden nicht bald funktionierende Auf- und Abstiegshilfen entwickelt und installiert, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis die friedlichen Riesen endgültig aus Europa verschwunden sind.
Andere Störarten
In Südosteuropa und in Vorderasien leben weitere Angehörige der Störfamilie. Darunter die größte Störart, der Hausen (Huso huso). Dieser war früher auch in der Donau zuhause und liefert den besonders begehrten Beluga Kaviar. Er wird im heutigen Russland, wie andere kaviarproduzierende Störarten – Sternhausen (Acipenser stellatus) und russischer Stör (Acipenser gueldenststaedtii) – rücksichtslos gejagt und wird vermutlich bald ausgerottet sein.
Der Sterlet (Acipenser ruthenus) ist mit maximal 1 Meter Länge die kleinste Störart und verbringt sein ganzes Leben im Süßwasser. Auch er kam früher in der Donau häufig vor.
Verband Hessischer Fischer e.V. (VHF) – aktiver Schutz durch Nutzung
Äsche, Bachneunauge, Bitterling, Gründling, Mühlkoppe, Muscheln, Krebse, Biber, Ringelnatter, Eisvogel, Wasseramsel sowie einige Amphibien und Libellenarten verdanken ihren Lebensraum in Hessen dem VHF. Die Entstehung von Biotopen an Fließgewässern, Teichen und Tümpeln gehen auf die ehrenamtlichen Vorarbeiten der im Verband organisierten Angelvereine zurück. Seit über 100 Jahren ist der VHF zur Stelle, wenn es um den Gewässerschutz und den Erhalt der biologischen Vielfalt geht.
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