Im 8. Teil seiner Serie nimmt uns Jan Eggers wieder mit in die USA. Er ist dort vielen Angler-Persönlichkeiten und Fischarten begegnet.
Nach dem ersten Amerika-Trip in den 1980er Jahren hat sich viel in meinem Leben verändert. Besser gesagt: sehr viel! Ich hatte damals so viele neue Kontakte geschlossen, es ergaben sich neue Möglichkeiten, deshalb wurden meine Arbeitstage immer länger. Ich verfasste viele Artikel für The In-Fisherman, mittlerweile auf einer Schreibmaschine, und erhielt viele Leser-Anfragen. Der Titel “Europa-Korrespondent” dieses sehr geschätzten Angelmagazins öffnete mir viele Türen. Es folgten Einladungen zu Angelmessen, auf denen ich Diavorträge über Europas Großhechte halten sollte. Ich erinnere mich noch gut an die Chicagoland Outdoor Show, mit 250.000 Besuchern eine wichtige Messe, auf der 1.000 Zuhörer meinem Vortrag über die größten Hechtgroßmütter Europas lauschten. Nach dieser Präsentation fragten mich nicht nur Hechtangler, ob ich ihr Angelguide sein möchte (darüber später mehr), sondern auch Angelgerätehersteller nahmen Kontakt auf.
Große Unterschiede: USA und Europa
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie erstaunt al Lindner und Doug Stange über die positiven Eigenschaften meiner 3,60 Meter langen Naturköder-Hechtrute mit einer Testkurve von 2,5lb waren. Man konnte den Köderfisch damit nicht nur viel weiter werfen, auch der Anschlag auf große Distanz und das Drillen funktionierte besser, als mit einer kurzen, steifen Rute vom Modell “Besenstiel”, mit dem die Yankees fischten.
Auf diversen Angelsportmessen habe ich in der Folgezeit mit vielen Export-Managern von Firmen wie Berkley, Zebco, Fenwick, Cabelas und Bass Pro über die Unterschiede in puncto Material und Köderpräsentation zwischen Europa und den USA gesprochen. Meine Schlussfolgerung: Die Mehrzahl dieser Manager hatte keine Idee, wie, auf was und womit in Europa gefischt wird. Sie gingen davon aus, dass Produkte, die in den USA erfolgreich waren, auch in Europa einschlagen müssten. Verkehrt gedacht! Und da haben wir noch gar nicht über die nicht-metrischen Angaben bezüglich Schnurdicke, Wurfgewicht, Rutenlänge oder Rollenfassung gesprochen. Kurzum, es wurde Zeit, den Export-Managern der genannten Firmen die Basisinformationen über den europäischen Angelsport zu vermitteln. Glaubt mir, das war nicht einfach, denn sie gaben nicht gerne zu, dass sie nur wenig über den europäischen Markt wussten, auf dem sie ihre Produkte verkaufen wollten. Sie waren alle schon zufrieden, wenn sie nur für möglichst viele Länder in Europa einen Vertriebspartner gefunden hatten. Ob das auch der richtige Partner für das jeweilige Produkt war, dessen Sortiment auch zu ihnen passte, der genügend Handelsvertreter und Bonität besaß, überhaupt Interesse am Verkaufen hatte, war für sie nur schwer zu beantworten. Bei vielen AFTMA- (heute Icast) und EFTTEX-Messen kamen diese Themen regelmäßig immer wieder auf den Tisch.
Viele europäische Großhändler bestehen auf einen Exklusiv-Vertrieb. So haben sie weniger Probleme mit Konkurrenz und können ihre eigenen Produkte besser promoten. In den ersten Jahren habe ich für verschiedene Hersteller neue Vertriebspartner gesucht und gefunden. Wenn diese Firmen Interesse hatten, dann mussten sie einen Marketing-Plan für die kommenden Jahre vorlegen. Wurde dieser Plan akzeptiert, dann konnte der Vertrag geschlossen werden. Erst wenn die gesteckten Ziele eingehalten wurden, konnte über einen Exklusiv-Vertrag für die nächsten Jahre verhandelt werden.
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass sich das alles abspielte in einer Zeit ohne Fax, Computer, Mail, Mobiltelefon oder Social Media. Wir meinen inzwischen, ohne diese Hilfsmittel nicht mehr auskommen zu können. Die persönlichen Kontakte fanden vor allem auf den genannten Messen statt. Einige Firmen hielten auch mit ihren Vertriebspartnern internationale Sales Meetings ab. Zurückblickend auf diese sehr arbeitsintensive Zeit mit sehr vielen Flugstunden kann ich sagen, dass ich sehr viel gelernt und viele gute Freunde gefunden habe.
Messen haben auch schöne Seiten
Als ich zu Messen nach Amerika, Italien, Kanada, Frankreich, Tschechien, England oder Spanien reiste, wurden nach Ablauf der Messen von den Geräteherstellern auch immer Angeltage organisiert. Eine der ersten Angeltouren dieser Art werde ich nie wieder vergessen. Sie fand statt nach der AFTMA-Show in New Orleans. Der General Manager von Mister Twister, mein guter Freund Bob Cummings, hatte mich eingeladen, mir die Produktionshallen von Mister Twister in Minden, Louisiana, zu zeigen. Wenn ich Zeit und Lust hätte, könne ich auch mit ihm zusammen fischen gehen, im Salz- und Süßwasser. Der Kontakt zu Mister Twister war durch den Spinner-Hersteller Mepps zustande gekommen, der bei Mister Twister vor allem weiche Gummiköder zugekauft hat. Mepps war eine der ersten Firmen, deren Berater ich wurde.
Durch meine Erfahrungen in der Kunststoff-Industrie schaute ich mit mehr als durchschnittlichem Interesse bei Mister Twister auf das Extrudieren und Spritzgießen von Tausenden verschiedenen weichen Kunststoffködern. Am folgenden Tag ging es mit einem richtigen Bass-Boot mit mehr als 200 PS auf einen der vielen Flüsse. Mit dem Auto durfte man nicht schneller als 85 km/h fahren, mit diesem Boot durften wir mit über 100 km/h brettern. Wir fingen Largemouth Bass, Crappies, Blue Gills, aber auch die Fahrt entlang der alten Plantagen, auf denen früher Sklaven schufteten, fand ich interessant.
Am folgenden Tag ging es ins Salzwasser, auf den Golf von Mexiko. Wir wollten Redfish fangen. Sehr früh räumte ich mein Bett, um schon um 6 Uhr morgens das Charterboot zu besteigen. Warum so früh? Wegen der Hitze! Es sollte mehr als 40 Grad heiß werden, dazu noch eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit, wirklich kaum auszuhalten. Nach einigen eiskalten Erfrischungsgetränken, vielen unbekannten Raubfischen und einigen starken Redfishes waren wir mittags wieder im Hafen. Die Dusche danach war herrlich – endlich wieder trockene Kleidung am Leib.
Schöne Fische bei Minustemperaturen
In den 1980er Jahren gab es viele Angelsportmessen in den USA. Einige speziell nur für Händler und die Industrie, andere speziell für die Konsumenten, die Angler. Auf beiden Messetypen hatte “The In-Fisherman” meistens einen Stand. Regelmäßig erhielt ich eine Einladung zur Messe, um dort einen Diavortrag über große europäische Hechte und Zander zu halten. Reisekosten wurden übernommen. Auf dem Flughafen von Minneapolis sammelte mich jemand von “The In-Fisherman” ein und brachte mich zur Redaktion nach Brainerd. Anlässlich einer großen Endverbraucher-Messe im Februar in Chicago wurde die Frage an mich herangetragen, ob ich mit nach Kanada möchte, um dort einen Film übers Eisangeln auf Hecht mit totem Köderfisch zu drehen. Natürlich willigte ich ein und Al Lindner hatte richtig warme Klamotten für mich besorgt. Von Brainerd aus ging es mit ein paar Autos zum Whitesell Lake an der Grenze zu Winnipeg, Kanada.
Der lokale Guide Ted Jowett hatte alles gut vorbereitet, Stellen, tote Köderfische, Tip-ups als Bissanzeiger, kurze Eisangel-Ruten. Wir konnten mit den Autos über das ungefähr einen Meter dicke Eis direkt zu den gebohrten Löchern fahren. Dann beobachteten wir aus der warmen Kabine, draußen waren es Minus 15 Grad, ob die Fahne des Tip-ups hochklappte. Das war das Zeichen, dass ein Hecht den Golden Shiner oder die Forelle gepackt hatte.
Zur Abwechslung fischten wir mit den kurzen Pimpeln und 20er Mono auf der Spule auch aktiv. Ich hatte einen toten Köderfisch auf den Drilling gesteckt, den ich einfach in den Wirbel eingehängt hatte. Ich bewegte den Köder ganz langsam auf und ab. Und was ich erhoffte, geschah dann auch: Ich fühlte, wie ein Hecht den Golden Shiner packte und Schnur von der Spule zog. Genau wie daheim in den Poldern schlug ich nicht zu hart an und fühlte gleich starken Widerstand. Wegen der dünnen Schnur stellte ich die Bremse sehr weich ein. Es wurde ein langer, sehr langer Drill.
Zu allem Überdruss schwamm der Hecht auch noch in die Schnur eines der benachbarten Tip-ups, aber das entdeckten wir glücklicherweise sofort. Um die lange Geschichte kurz zu erzählen: Nach fast einer Stunde eiskalter, aber trotzdem sehr erwärmender Spannung tauchte dieser dicke Meterhecht mit der Schwanzflosse zuerst auf dem Eisloch auf. Inzwischen war es zu dunkel geworden, um zu filmen. Es wurden aber genügend Fotos gemacht.
Walleyes, Coho-Lachse, Musky, Skamania-Forellen und Karpfen
Ich merke gerade, dass ich problemlos noch einige Artikel über meine verschiedenen Angeltrips nach Amerika schreiben könnte. Die Erinnerungen an die vielen Walleyes, der Neffe unseres Zanders, die ich zusammen mit Doug Stange und Gary Roach auf dem Erie Lake und Mille Lacs Lake fing, tauchen gerade auf. Ich denke an die tolle Tour mit Darrell Lowrance, dem großen Boss des gleichnamigen Echolot-Herstellers, auf dem Lake Michigan. Wir fingen beim Schleppen starke Coho-Lachse und Skamania-Forellen, danach besuchten wir die Fabrik in Tulsa, beeindruckend!
Natürlich wollte ich auch Muskies fangen, der größere Bruder unseres Hechtes. Chefredakteur Doug Stange organisierte ein Wochenende auf dem Leech Lake in Minnesota. Ich saß bei Mark Windels, Hersteller von Musky-Kunstködern, mit im Boot. Mark brachte mir die verschiedenen Fangtechniken bei. Ich erinnere mich noch gut an seinen Schrei “Follower” (Nachläufer) – ein Musky verfolgte meinen Bucktail Spinner. Der nächste Ruf war “figure eight”. Ich steckte meine Rutenspitze ins Wasser und machte die Acht, dann sah ich wie mein erster größerer Musky von 96 Zentimetern den Spinner packte. Ein gewaltiger Moment!
Doug fing an diesem Tag noch einen schön gezeichneten Tiger Musky, eine Kreuzung zwischen Hecht und Musky. Dieses Wochenende war in jeder Beziehung ein Erfolg – vielen Dank, Freunde! Für viele amerikanische Angelgeräte-Hersteller, Berkley an erster Stelle, und die Redakteure der US-Angelzeitschriften war die Popularität des Karpfens als Angelfisch in Europa nur schwer zu begreifen.
Zusammen mit dem damaligen Karpfen-Guru Duncan Kay wurde ich 1986 vom Tourismus-Departement in die Staaten Nord- und Süd-Dakota eingeladen, um dort das Potential für Karpfenangler auszuloten. Wir fingen sehr viele mittelgroße Karpfen. Die erste Frage der Angler vor Ort war, ob wir sie räuchern wollen. Wie ich lernen musste, war das dort eine regionale Spezialität. Nein, mit Karpfen haben die Yankees wenig am Hut, sie fischen lieber auf Raubfische. Der Largemouth Bass steht an erster Stelle. Aber auch die Familie der Hechtartigen ist dort populär.
Ich erhielt viele Anfragen auf meine Artikel und Vorträge über europäische Großhechte. Eine Anfrage bekam ich von William Leonard Tenney, nennen wir ihn Bill, aus Crystal Bay bei Minneapolis. Ich nächsten Teil werde ich verraten, wie ich zusammen mit Bill die besten Gewässer für Großhechte im Norden Kanadas entdeckte. Es wird ein Artikel über Träume werden, die wahr geworden sind. Nur noch etwas Geduld!
Jan Eggers