Verrückte Angler
Kälte, Schnee, Eisgang und Hagelschauer. Nicht das Wetter, nachdem sich ein normaler Mensch sehnt. Aber seit wann sind Angler normale Menschen? Nur, wer die Natur in all ihren Facetten lieben lernt, weiß, was ihm entgeht, wenn er hinter dem Ofen bleibt. Ich gebe zu: Wenn die ersten Fröste kommen, und wir Hechtdreharbeiten ansetzen, wenn die Finger dann – noch nicht an die Kälte gewöhnt – zu gefühlten Eisblöcken werden, wünscht man sich genau da hin. Hinter den Ofen.
Ofen oder Hecht? Man hat die Wahl. Vordergründig scheint der Ofen weit vorne zu liegen. Wer den ersten Hecht am Band hat, sieht das anders…
Merkwürdigerweise passt man sich – wenn man durchhält – schnell an. Selbst Moni, die – frauentypisch – schnell mit kalten Gliedmaßen zu kämpfen hat, ist nach einigen Stunden, und den ersten Hechten, kaum noch vom Wasser wegzukriegen.
Und raus mit dem Gummi! Trotz typisch weiblicher Frösteltendenzen ist meine Gattin nicht vom Wasser wegzukriegen, wenn die Hechte mitspielen.
Mein neuestes Werk „Faszination Winterhecht“, zeigt, wie sehr ich mit dieser Art der Angelei verwachsen bin. Keine Mücken. Keine Bullenhitze unter dem Schirm. Keine Anfütteraktionen. Keine tagelangen Wartephasen wie beim Karpfenangeln.Kalte Hände? So what?
Ich räume auch gerne mit mit manchem Mythos auf, und soll ich mal was verraten? Manchmal habe ich meine eigenen Zeilen, die zwar aus der Praxis direkt am Wasser stammen, noch selber gar nicht ausreichend verinnerlicht. Viele Dinge stecken halt so fest verwurzelt in unseren Köpfen, dass man sie nur schwer herausbekommt.
Hechtpower im Schneeschauer
Dazu gehört der alte Spruch: „Im Winter stehen die Hechte tief!“ Nein! Das tun sie eben längst nicht immer. Mag sein, dass sie im Baggersee bei anhaltenden Frostperioden in sechs Metern Tiefe zu finden sind, meine Erfahrung zeigt aber, der Hecht ist kein typischer Tiefwasserfisch, wie etwa der Zander, und bleibt immer so flach wie es irgend geht. Wenn das Wasser in vier Metern Tiefe vier Grad hat, und in zwölf Metern ebenfalls, dann weiß ich genau, wo er stehen wir: Flacher!
Ein Hecht-Topspot: Die tiefe Brücke! Aber längst nicht immer halten sich die Hechte so tief auf, wie man meint!
Ein Erlebnis der vorletzten Woche zeigt, dass auch ich mich von Zeit zu Zeit schwerer mit dem Aufräumen von Mythen tue, als ich es wahrhaben will. Eine schöne Spinntour lag hinter uns.Vormittags in Schnee und Hagel, nachmittags kam die Sonne durch und machte alles matschig. Als die Sonne richtig strahlte, wurde ich missmutig, meist ist das kein gutes Zeichen, die flachen Polder sind dann zu lichtdurchflutet. Wir fuhren planlos von Stelle zu Stelle. Neue Stellen, wohlgemerkt, wir waren auf Erkundungstour. Dann wurde es Zeit für einen heißen Kakao. Ich hielt an an einem Platz der toll aussah: Steg, Einlauf, Brücke, Mauer, Kraut. Perfekt. Moni bereitete Kaffee und Berliner vor, ich legte eine Naturköderrute mit Stint ab. Nein, das wird nichts, die schönste Stelle, eine kleine Verbreiterung, sie war einfach zu flach. Keine 40cm. „Lass uns weiterfahren, das macht keinen Sinn hier!“ rief ich Moni zu, die mit gefüllten Bechern zum Steg kam. Sie stutzte. „Hast Du nicht selber geschrieben „zu flach geht nicht!“? Mist. Dass die Frauen einen immer so fies entlarven können. Na gut, als Frau Ober mit Berlinern und Kakaotassen konnte ich sie auch kaum zurückschicken, wir machten unsere Pause an dieser aussichtslosen Stelle. Genieße ich jedenfalls die Süßigkeit und das Heißgetränk. Aussichtslos war diese Stelle aber nicht lange. Genau genommen nur so lange, bis meine Stintpose zu wandern begann. Wie immer muss ein Hecht geahnt haben, dass sich da jemand Kadao einschenkt, ein absoluter Garant für Bisse.
Ein neuer Beweis: Hechte stehen im Winter nicht immer tief! 93cm in 40cm Wassertiefe. Aufrecht hinstellen kann der sich da nicht mehr…
Der Anschlag saß, der Drill war stark, dicke Schlammwolken wirbelte der Fisch auf, und ein 93er Hecht lag im Kescher, aus 40cm Tiefe, bei strahlender Sonne. Vielleicht hat er sich gesonnt? Was soll die Spekulation? Der Fisch hat gebissen. In einer Tiefe die die Länge meines Vorfaches um 20cm unterschritt. Nebenan in der Mitte waren es 1,5m. „Siehste, Dein Buch hat doch recht!“ strahlte Moni, die fangtechnisch bis dahin mal wieder vorne gelegen hatte. Komisch. Ich fühlte mich wie Roger Willoughby, der auch mit seinem eigenen Buch am Wasser stand und fing.
„Wer in seinem eigenen Buch liest, fängt mehr!“- Szene aus dem Film „Ein Goldfisch an der Leine“ („Men´s favorite Sport?“)
Fische stehen auch im Winter gerne flach. Damit überraschte mich vor vielen Jahren schon Hechtpapst Jan Eggers, der das nämlich auch behauptete, und meinte zu wissen, das läge an der Vorbereitung auf die bevorstehende Laichzeit im Februar/März. Wo er recht hat…