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Richtig alte Rolle erwischt

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Flohmarkt-Schnäppchen: Messingrolle mit sehr langem Fuß aus dünnem Blech, geschwungener Kurbel und Messingknauf. Der Kurbelarm hat Kupferfarbe angenommen, weil er bei einer Lötreparatur offenbar ausgeglüht wurde.

Gestern auf der großen Euroshow in Vught, Europas größtem Angelflohmarkt in den Niederlanden, konnte ich wieder so einige Schnäppchen machen.

Darunter auch wieder eine uralte Messingrolle vom dem Ende des 19. Jahrhunderts, die ich für nur unglaubliche 10 Euro aus einem Rollenhaufen heraus erwerben konnte. Abbildungen solcher Rollen finden wir in der frühen deutschen und internationalen Angelliteratur, etwa in Bischoff 1859, von dem Borne 1875/1882 oder d’Alquen, Handbuch der feinen Angelkunst, 1862. Im „Angelsport“ von H. Stork aus dem Jahr 1898 sind die Messingrollen ohne Multiplikator dann schon alle schmal gebaut, die moderne Zeit bricht an.

Ich habe ein paar Jahre die Anfänge der Angelliteratur ausgewertet und einiges an Abbildungen zusammengetragen. Hier ein paar Erkennungsmerkmale dieser frühen Messingrollen, die meist englischer Herkunft waren, aber auch in Deutschland und in unseren Nachbarländern nachgebaut wurden, als grobe Faustregeln:

  • Ungewöhnlich filigrane Bauweise, viel zu dünnes Blech und zu dünne Streben, deshalb alles oft leicht verbogen. Rollen wirken manchmal wie ein Eigenbau – damals wurden von wohlhabenden Anglern oft Schlosser oder Büchsenmacher mit dem Nachbau englischer Rollen beauftragt.
  • Spule deutlich breiter als wir es von Messingrollen ohne Multiplikator aus der Zeit nach 1900 kennen. Grobe Faustregel: Je breiter die Spule, desto älter die Rolle.
  • Extrem langer Fuß, oft mit Bohrungen zum Anschrauben an eine Holzrute. Je länger der Fuß, desto älter die Rolle. Rollen aus dieser Zeit besitzen anstatt Fuß auch Schellen und Dorne zum Anschrauben an die Holzrute.
  • Stets geschwungene Einarm-Kurbel, Knauf aus Messing oder weißem Bein, nie aus Holz oder Horn. Letztere Materialien wurden erst etwas später benutzt. Ein nicht drehbar gelagerter Knauf ist ein Indiz für eine besonders alte Rolle.
  • Diese Merkmale muss man immer in der Zusammenschau bewerten. In „abgelegenen“ Gebieten, die nicht der neuesten Mode folgten (z.B. Schottland oder Bayern), wurden auch noch 1920 Rollen mit geschwungener Kurbel gebaut, nie aber in Kombination mit breiter Spule und langem Fuß! Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel!

Demnächst mehr vom Flohmarkt in Vught! Infos und Anregungen bitte an thomas.kalweit@paulparey.de

Vergleich mit einer Rolle in Max von dem Borne, Taschenbuch der Angelfischerei, 1875. Man beachte den Messingknauf der Kurbel. Die Borne-Rolle hat einen noch längeren Fuß und eine noch breitere Spule.
Die Rolle ist sehr filigran gebaut. Der viel zu dünne Fuß ist angenietet, die flache Querstrebe ist nur mit einem Nietpunkt mit der Frontplatte verbunden. Eine sehr wackelige Angelegenheit.
Die Spule ist vergleichsweise breit, die Streben und die Achse viel zu dünn. Durchmesser der Rolle ca. 5 cm, Breite ca. 4 cm.
Die Spule ist auf der Rückseite mehrfach durchbohrt.
Auf der Rückplatte finden wir genau passend zu den Bohrungen ein Loch. Hier konnte offenbar ein Splint hindurchgesteckt werden, um das Ablaufen der Schnur bei abgelegter Grundrute zu verhindern. Diese Rolle hatte ja noch keine Ratsche.
Vergleichbare Rolle mit breiter Spule und langem Fuß im Ulmer Staudenmayer-Katalog aus der Zeit vor 1900. Man beachte die dünne Achse bzw. den dünnen Spulenkern.
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