Aufmerksame Blog-Leser kennen meine Vorliebe für Angelrollen aus der Frühzeit unseres Hobbys.
Kürzlich konnte ich diese uralte Messingrolle aus der Schweiz aus der Zeit von um oder sogar vor 1850 erwerben (Durchmesser 78mm, Breite 67mm). Es handelt sich um ein größeres Modell ohne Klicker zum Hechtfischen oder Schleppangeln und zeigt alle Indizien von Rollen aus dieser Periode. Rollen aus dieser Zeit waren alle sehr breit gebaut, im Grunde sahen sie aus wie Multirollen, obwohl sie keine Übersetzung hatten. Mit den Jahrzehnten wurden die Rollen dann immer schmaler, eine gute Hilfe für die Datierung. Rollen vor 1850 lassen sich nur schwer genau datieren, da sich in den 50 Jahren zuvor die Bauweise kaum verändert hat. Angelrollen war in dieser Zeit extrem selten und nur den Reichen vorbehalten. Viele wohlhabende Engländer urlaubten im 18. Jahrhundert in der Schweiz, so könnte die Rolle dorthin gelangt sein. Vielleicht wurde aber auch so ein englisches Modell dort nachgebaut.
Dann besitzt diese Rolle sehr dünne Streben, ist ungewöhnlich fragil und wackelig, fast nicht praxistauglich. Ich bezeichne sie deshalb gerne auch als Vogelkäfig-Rollen, obwohl dieser Begriff nicht ganz korrekt ist. Diese frühen Rollen wurden entweder aus England importiert oder nach englischen Vorbildern, oft aus Büchern, von Dorfschlossern nachgebaut, es stecken also nicht immer bekannte Hersteller dahinter. Weitere gute Indizien für die Altersbestimmung sind auch der lange Fuß, der Bein-Knauf und die geschwungene Kurbel. Einige Jahrzehnte später bekommen die Rollen gerade Kurbeln und haben oft Knäufe aus Holz.
Der Fuß ist sehr wackelig, unklar, wie er überhaupt an der Querstrebe befestigt ist, die Kurbel ist viel zu filigran, bringt kaum Kraft auf die große Spule, richtig durchdacht ist das Modell nicht. Was ebenfalls für ein hohes Alter spricht. Bespult ist die Rolle noch mit grober Hanfschnur. Die dünnen Streben sind an einem Ende mit winzigen handgefeilten Muttern gesichert. Die Rolle kann also zur Wartung auseinandergenommen werden. Der Spulenkern wurden an die Seitenscheiben gelötet, die Lötstellen danach sauber glattgeschliffen. Auch am Ansatz der Kurbel sieht man eine blankpolierte Lötstelle. Leider wurde diese Rolle von einem früheren Besitzer geputzt, die Patina ist also verloren, aber damit muss ich leben.
Infos, Fragen und Anregungen bitte an thomas.kalweit@paulparey.de