Dass Besuchern an seinen Ufern die Luft weg bleiben kann, hat nicht nur mit den beeindruckenden Dimensionen dieses Gewässers zu tun: Tatsächlich ist der Titicacasee, der an Peru und Bolivien grenzt, kaum vorstellbare 15 Mal so groß wie der Bodensee.
Darüber hinaus liegt er aber als geographisches Highlight des südamerikanischen Altiplano-Hochplateaus auch auf einer Höhe von über 3.800 Metern. Deshalb ist die Luft dort sehr dünn.
Als Süßwasserreservoir hat der See existentielle Bedeutung für die Menschen im peruanisch-bolivianischen Andenhochland, ebenso als ursprünglich fischreicher Fanggrund für die Bevölkerung seiner Ufer. Die Angehörigen des indigenen Uru-Volks flechten aus dem speziellen Schilf, das am Seeufer wächst, ihre Boote, Häuser und sogar die künstlichen Inseln, auf denen sie im See leben.
Viele Fischarten verschwunden
Dieser Schatz der Natur steht seit Jahren unter Stress, und die Lage spitzt sich zu: 2,5 Kubikmeter Abwässer, die von der peruanischen und bolivianischen Bevölkerung erzeugt werden, fließen pro Sekunde in den See, viele Fischarten sind für immer verschwunden. Die internationale Umweltstiftung
Global Nature Fund (GNF) und das von ihr koordinierte globale Seennetzwerk Living Lakes verleihen dem Titicacasee deshalb am heutigen Welttag der Feuchtgebiete ihren Titel „Bedrohter See des Jahres“ – bereits zum zweiten Mal binnen elf Jahren.
Zum zweiten Mal ein unrühmlicher Titel
Die neuerliche Nominierung erklärt Biologe Dr. Thomas Schaefer, der beim GNF die Bereiche Naturschutz und Living Lakes leitet: „Beim Titicacasee stehen die Bedeutung des Gewässers für die Menschen, die mit und von ihm leben, und seine ökologische Ausbeutung in einem besonders eklatanten Missverhältnis. Im Einzugsgebiet dieses Riesensees leben etwa zwei Millionen Menschen aus Peru und Bolivien, die auf ihn als Trinkwasserreservoir angewiesen sind. Ein Großteil der Abwässer aus der Region fließt aber ungeklärt direkt in den See – z.B. aus den Großstädten Puno und Juliaca in Peru und aus El Alto in Bolivien. Dazu kommen Pestizide aus der Landwirtschaft und schwermetallverseuchte Abwässer aus teils illegalem Bergbau in der Region. Die Folgen sind drastisch und für jeden zu riechen: An manchen Ufern des Sees stinkt es – und das ist nur die offensichtlichste Folge einer sich anbahnenden ökologischen Katastrophe, der bereits ein großer Teil der Artenvielfalt im See zum Opfer gefallen ist. Wir haben den Titicacasee bereits 2012 zum Bedrohten See des Jahres ernannt.“
Juan José Ocola Salazar, Präsident des regionalen Living Lakes-Partners ALT, ergänzt: „Die Situation ist seit 2012 eher schlimmer als besser geworden, was auf den zunehmenden anthropogenen Druck auf die Wasserqualität zurückzuführen ist. Deshalb ist dieser erneute Titel ein finaler Weckruf: Wenn jetzt nichts passiert, könnte das Wasser des Sees auf Dauer nur noch unter sehr schwierigen Bedingungen als Trinkwasser für die Bewohner und Bewohnerinnen seiner Ufer nutzbar gemacht werden. Und von Arten wie dem vom Aussterben bedrohten Titicaca-Riesenfrosch müssten wir uns dann für immer verabschieden.“
Gemeinsam für die Trendwende
Als Partner im Netzwerk Living Lakes bemühen sich der GNF und die peruanisch-bolivianische Umweltschutzorganisation ALT (Autonomous Binational Authority of Lake Titicaca) um die Umkehr der Abwärtsspirale: Umweltbildungskampagnen sollen die regionale Bevölkerung im Einzugsgebiet für die Bedeutung des Sees und seine Schutzwürdigkeit sensibilisieren. ALT setzt sich als supranationale Organisation dafür ein, Repräsentanten beider Anrainerstaaten an einen Tisch zu bekommen, um Maßnahmen und Programme zur Erhaltung, Kontrolle und zum Schutz der Wasser- und hydrobiologischen Ressourcen des Titicacasees umzusetzen.
„Wir müssen klar sehen, dass die Zeit der Absichtserklärungen vorbei ist und es massiver Anstrengungen zum Schutz des Sees bedarf“, sagt Dr. Schaefer. „Deshalb animieren wir gemeinsam mit unseren Partnern sowohl die Menschen vor Ort zu umweltverträglicherem Verhalten als auch Behörden und Entscheidungsträgern zur Gestaltung eines ordnungspolitischen Rahmens, dessen Einhaltung tatsächlich überwacht und dessen Verletzung sanktioniert wird. Dass es seit geraumer Zeit Unruhen in Peru gibt, macht die Lage nicht leichter – es ist aber notwendig, auch in politisch schwierigen Zeiten ökologische Themen im Blick zu behalten.“
-Pressemitteilung GNF-