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Strategien gegen invasive Wollhandkrabben

Wollhandkrabben
Eine ausgewachsene Wollhandkrabbe ist in die Falle gegangen. Bild: Alfred-Wegener-Institut/Heleen Keirsebelik

Schutz der heimischen Ökosysteme: Das Projekt „Clancy“ sucht geeignete Strategien zur effektiven Bekämpfung massenhaft auftretender Wollhandkrabben in nordeuropäischen Flusssystemen.

Invasive Arten wie die eingeschleppte Chinesische Wollhandkrabbe bedrohen heimische Ökosysteme und richten enorme ökologische und wirtschaftliche Schäden an. Vor kurzem mahnte der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) die Entwicklung international koordinierter Strategien gegen invasive Arten an. Das Alfred-Wegener-Institut und die TU Dresden starten nun gemeinsam mit europäischen Partnern das Projekt „Clancy“. Das Ziel: die Wollhandkrabbenpopulation in den europäischen Flüssen spürbar zu reduzieren und so deren ökologisch Zustand zu verbessern.

Vor über 100 Jahren eingeschleppt

Als die Chinesische Wollhandkrabbe erstmals 1912 im norddeutschen Fluss Aller gefunden wurde, rechnete kaum jemand damit, dass sich diese merkwürdig pelzige Krabbe hier derart stark verbreiten würde. Doch heute – gut 100 Jahre später – ist klar: Die wahrscheinlich über das Ballastwasser von Frachtschiffen eingeschleppte Art besiedelt inzwischen zu Tausenden fast jeden Fluss und Graben entlang der Küsten rund um die Nordsee – von Nordfrankreich bis nach Südskandinavien. Deshalb wurde die Art von der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) auf die Liste der weltweit 100 gefährlichsten invasiven Arten gesetzt. Acht Institutionen aus Belgien, Frankreich, Schweden und Deutschland haben sich nun zusammengetan, um in dem von der EU geförderten Interreg North Sea-Projekt „Clancy“ Strategien zu entwickeln, mit denen die Wollhandkrabbenbestände effektiv verkleinert werden können.

Neues Fallenkonzept funktioniert fast ohne Beifang

Im Projekt soll länderübergreifend ein in Belgien entwickeltes Fallenkonzept getestet werden, mit dem ein Großteil der Krabben eingefangen werden könnte. Dabei wird am Grund eines Gewässers eine Rinne verlegt, in welche die Krabben während ihrer Wanderung hineinfallen. Diese ist so gebaut, dass die Tiere nicht im Stande sind, sie wieder zu verlassen. So laufen die Krabben dann über Rohre in am Ufer aufgestellt Fangkörbe. Von dort können sie einfach eingesammelt und verwertet werden. „Dieser Aufbau sorgt dafür, dass die Falle fast ohne Beifang funktioniert, da alle Tiere die schwimmen können, die Rinne wieder verlassen. Zudem müssen die Tiere, um letztendlich in den Fangkörben zu landen, selbstständig über ein Rohr aus dem Wasser klettern. Dazu sind eigentlich nur die Wollhandkrabbe, einige andere meist ebenfalls invasive Flusskrebsarten und Frösche in der Lage“ erklärt Projektmitarbeiter Oliver Hauck vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „In Belgien wurden so innerhalb von vier Jahren mit nur einer einzigen Falle ca. zweieinhalb Millionen Krabben gefangen, mit gerade mal drei Fröschen unter ihnen, die wieder ausgesetzt wurden.“

Das Fallenkonzept nutzt dabei die spezielle Biologie der Wollhandkrabben aus. „Jedes Jahr im Herbst begeben sich die erwachsenen Krabben, die eine Beinspannweite von bis zu 30 cm erreichen können, auf eine teils mehrere 100 Kilometer lange Wanderung in Richtung Küste“, berichtet Oliver Hauck weiter „Dabei überqueren sie Straßen, klettern über Staumauern, gelangen sogar in Gärten und Keller, bis sie schließlich das Meer erreichen. Dort angekommen paaren sie sich und sterben nach der Eiabgabe an Entkräftung. Im nächsten Frühjahr machen sich die jungen Wollhandkrabben wieder auf den Weg in die entgegengesetzte Richtung. Stellt man die neuartigen Fallen an Stellen auf, wo sich die Krabbenwanderung konzentriert, beispielsweise in Fischtreppen von Wehren oder Einmündungen von Flüssen und Gräben, kann man so einen großen Teil der Tiere abfangen.“

Weniger Wollhandkrabben gleich besserer Gewässerzustand?

Doch warum sollte man diesen Aufwand überhaupt betreiben? „Die schiere Masse der Tiere, die durch die Flüsse wandert, ist ein enormes Problem“, sagt Sengdavanh Thepphachanh, Forscherin am Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik der Technischen Universität Dresden (TUD). „Auch wenn niemand genau weiß, um wie viele Tiere es sich handelt, zeigt sich an vielen Stellen, dass es viele Millionen sein müssen. Und man kann davon ausgehen, dass die Massen an Krabben einen negativen Effekt auf das aquatische Ökosystem haben.“ So konnte in Studien nachgewiesen werden, dass das Auftreten vieler Wollhandkrabben mit dem Rückgang von Bodenlebewesen (Würmer, Muscheln und Insekten) und Wasserpflanzen in Verbindung steht. Darüber hinaus verursachen sie Schäden an Uferstrukturen und verstopfen Wasserentnahmestellen – etwa von Kraftwerken – entlang der großen Flüsse. Auch für Fischer und Angler sind die Krabben ein Problem, da sie nicht nur die Köder fressen, sondern auch Netze und Reusen beschädigen und die eigentlichen Zielfische anfressen. „Wenn es also gelingt, die Bestände der Wollhandkrabben deutlich zu reduzieren, leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Ziele der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie, da wir die Fließgewässer somit in einen besseren ökologischen Zustand überführen“, ergänzt Torsten Heyer als Projektleiter seitens der TUD.

Europaweite Strategie zur Bekämpfung der Wollhandkrabben

Der Test der Fallen an unterschiedlichen Standorten ist nun ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung. Zugleich werden dabei wichtige Daten zu den Bestandsgrößen und den Verwandtschaftsverhältnissen der Tiere erhoben. Alle Ergebnisse fließen dann in eine europaweite Strategie zur effektiven Bekämpfung der Wollhandkrabben ein. „Das Projekt ist ein erster Schritt, diese invasive Art über Ländergrenzen hinweg zu bekämpfen, um im Idealfall den ursprünglichen Zustand der heimischen Gewässer und Wasserwege wiederherzustellen. Die in diesem Zuge gefangenen Krabben, müssen aber natürlich tierschutzgerecht getötet werden. Auch muss man sich fragen, was dann mit den Tieren sinnvoll geschehen soll“, erklärt AWI-Wissenschaftler Björn Suckow, der die Öffentlichkeitsarbeit im Projekt koordiniert. „Deshalb begleiten wir das Projekt mit öffentlichen Aktionen und werden über die geplanten Schritte informieren.“

Acht Institute – ein Ziel

Entscheidend für einen nachhaltigen Erfolg wird dabei der kooperative internationale Ansatz des Projekts sein. So bringen neben der Technische Universität Dresden und dem Alfred-Wegener-Institut die Umweltagentur Flandern, die Provinz Ostflandern und die Universität Antwerpen aus Belgien, das GEMEL und das Cellule de Suivi du Littoral Normand aus Frankreich sowie die Hochschule Skövde aus Schweden wichtige Kompetenzen aus unterschiedlichen Bereichen in das Projekt ein.

Der Forschungsschwerpunkt der TUD liegt dabei besonders auf der Untersuchung des rheotaktischen Verhaltens der Wollhandkrabben, also auf der Frage, welche Strömungsverhältnisse die Tiere bevorzugen und unter welchen hydraulischen Bedingungen sie nicht mehr wandern können. Mit diesen Kenntnissen ist es dann möglich, optimale und gewässerspezifische Standorte für die Krabbenfallen zu identifizieren. Darüber hinaus errichtet und betreut die TUD einen Fallenstandort in der Elbe bei Dresden, um herauszufinden, ob und in welchem Umfang die Krabben aus der Nordsee über hunderte Flusskilometer stromauf migrieren können.

Das AWI übernimmt neben der internationalen Koordination der Öffentlichkeitsarbeit auch die Betreuung und Auswertung von vier Fallen im Wesereinzugsgebiet. Eine weitere Aufgabe ist die Suche nach sinnvollen Nutzungskonzepten für die anfallenden Krabben unter Beteiligung von Industriepartnern. Im Fokus steht dabei die Nutzung als Futtermittel in der Aquakultur sowie die Gewinnung von Chitin aus den Krabbenpanzern, das zum Beispiel in der Pharmaindustrie verwendet werden kann.

Dieses Projekt wird mit Mitteln der Europäischen Union im Rahmen des Interreg North Sea Programms gefördert. Finanzhilfevereinbarung Nr. 41-2-51-22.

Weitere Informationen zum Projekt: https://www.interregnorthsea.eu/clancy

-Pressemitteilung Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung-

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