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Sensations-Konvolut bei Hildebrandt‘s

Ein kompletter Schaukasten mit altem Angelgerät aus der Zeit um 1860-70 kann jetzt bei Hildebrandt's ersteigert werden. Bilder: H. Wurm

Beim Hildebrandt Auktionshaus wird gerade ein atemberaubender Schaukasten in der aktuellen Auktion angeboten, Startgebot 6.000-9.000 Euro.

Der opulente Schaukasten mit altem Angelgerät aus der Zeit um 1860-70 hat die Grösse 1150 x 965 mm, darin finden sich 24 originale Verkaufstafeln. Die Papptafeln tragen das Wappen des britischen Königshauses mit Löwe und Einhorn. Es müsste sich bei der Firma also um einen Hoflieferanten (Royal Warrant) gehandelt haben, möglicherweise Farlows.

Eine Papptafel trägt spektakuläre Glasköder, deren Flossen mit „Edkins Patent“ gepunzt sind. Es handelt sich wohl um die legendären und extrem seltenen „Edkins Patent Glass Lures“, ganz frühe Kunstköder aus Glas aus der Zeit um 1850-70. Der Hersteller dieser Köder stammt wahrscheinlich aus Redditch, viel weiß man über ihn aber nicht. Diese Glasköder waren ab 1866 auch im ersten Allcock-Katalog vertreten. Die Glaskörper auf den Fotos enthalten schon Tinsel, nach der Fachliteratur (Graham Turner) wurden diese auch von Wyers Freres in Paris vertrieben. Andere Köder im Schaukasten sind anscheinend mit Gregory gemarkt.

Weitere Tafeln tragen Haken mit Vorfächern, Käfer, Zubehörteile, verschiedene Schnüre, Fliegen mit Vorfach, Lachsfliegen, Gaffhaken, dazu ganz frühe Holzruten mit der ersten Rutenring-Generation und eine Messingrolle, eine weitere Rolle fehlt leider.

Des Weiteren liegen zwei in rotem Leder gebundene Bücher im Schuber bei: The Modern Practial Angler von H. Cholmondeley-Pennell, 1870, und Angling, or How to angle and where to go, von Robert Blakey. Der Wappen auf den Bucheinbänden weist vielleicht auf den früheren Besitzer hin, der sich die Bücher hat aufwändig neu binden lassen. Es könnte ein Wappen aus Frankreich, Spanien oder Südeuropa sein. Unten im Wappen ist der französische Orden vom Goldenen Vlies abgebildet (der mit dem hängenden Panterfell), im Zentrum die französischen Fleur-de-lis (drei Lilien), wahrscheinlich hoher Adel aus Spanien/Frankreich/Italien. Der mit M.S.B. gekennzeichnete Schaukasten trägt die gleiche Königskrone.

Verbindung nach Bayern

Man glaubt es kaum: Aber der Schaukasten konnte auf einem Flohmarkt am Tegernsee erworben werden und stammt aus dem Herzoglichen Hausstand von Ludwig Wilhelm in Bayern, er hatte übrigens eine portugiesische Mutter, was eventuell zum oben genannten Wappen passen könnte. In der Mitte des 19. Jahrhunderts waren viele bayerische Adlige begeisterte Angler, sogar König Ludwig II. hat in seiner Jugend regelmäßig gefischt, auch sein Bruder Otto und seine Mutter Marie, die einmal an einem Tag 29 Hecht in einem Bergsee fing. Schon lange fragt man sich, wo das Angelzeug der königlichen Familie abgeblieben ist… Der Schaukasten stammt vielleicht aus einem adeligen Privatmuseum, einem Jagd- und Angelzimmer oder aus einer Wunderkammer. Da hatte offenbar vor 160 Jahren jemand das Geld, sich das ganze Programm einer englischen Angelgeräte-Firma zu bestellen – und hat es dann nie benutzt.

Hier geht es zur Auktion mit weiteren Fotos…

Infos, Fragen und Anregungen bitte an thomas.kalweit@paulparey.de

"Edkins Patent"
Spektakuläre Glasköder aus der Frühzeit der Angelei. Die Flossen der großen Köder sind mit "Edkins Patent" gepunzt.
Auf den Büchern prangt ein Adelswappen, das mit dem französische Orden vom Goldenen Vlies (hängendes Panterfell unten) und den französischen Fleur-de-lis (drei Lilien) im Zentrum in Richtung Frankreich, Spanien oder Südeuropa verweist.
Auf dem geschlossenen Schaukasten ist die gleiche Königskrone und das Monogramm M.S.B. zu sehen.
Die allerersten Rutenringe waren einfache Metallringe, die mit Garn angewickelt wurden und so für den Transport anklappbar waren.
Bei den frühen Angelruten aus der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Rolle noch ganz am unteren Ende angebracht, wie bei den heutigen Fliegenruten, auch wenn mit der Rute mit Pose oder Blinker gefischt wurde.
Noch weitere spektakuläre Köder finden sich im Konvolut.
Vor 160 Jahren fielen die Fliegen deutlich buschiger aus.

Anmerkung vom 25. November 2023:

Angelausrüstung von Sissis Schwester!

Der Auktionator Hans Wurm hat bei der Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften zum Wappen recherchieren lassen. Nach Meinung der Fachleute könnte das Wappen auf den Buchdeckeln das Wappen des Hauses Bourbon-Sizilien sein, eine Nebenlinie der spanischen Bourbonen, es sieht diesem bis auf kleinere Abweichnungen sehr ähnlich. „M.S.B.“ könnte deshalb als „Marie Sophie Herzogin in Bayern“ (1841-1925) interpretiert werden, ab 1859 war sie Königin beider Sizilien. Nach dem Ende ihres Königreichs verbrachte sie ihr Exil in ganz Europa, in Rom, in Augsburg, am Gardasee und in Paris, ab 1914 dann in München. Nach ihrem Tod könnte sie den Schaukasten an ihren Neffen Herzog Ludwig Wilhelm in Bayern vererbt haben. Marie Sophie war eine begeisterte Jägerin, sie kaufte sogar ein Jagdschloss in England, dort könnte sie das englische Angelgerät erworben oder geschenkt bekommen haben. Sie war eine sehr interessante Frau, schwamm nackt im Meer und sorgte so für Skandale, rauchte in der Öffentlichkeit Zigarillos. Da liegt es nicht fern, dass sie auch eine begeisterte Anglerin gewesen ist. Das war damals anscheinend in weiblichen Adelskreisen durchaus üblich, auch Kaiserin „Sissi“ von Österreich-Ungarn, die Schwester von Maria Sophie, und Queen Victoria haben gerne gefischt.

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