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Die rätselhafte Riemann-Stationärrolle

Auf dem letzten Angelflohmarkt bin ich auf diese sehr interessante Stationärrolle ohne Rücklauf gestoßen. Laut Verkäufer soll sie von 1940-44 vom Feinmechanik-Werk Riemann in Chemnitz hergestellt worden sein.

Diese Firma wurde bereits 1866 von Hermann Riemann gegründet und produzierte vor allem Fahrrad- und Automobil-Lampen, anfangs waren das ja noch Karbid-Laternen. Diese riesige Firma hat aber auch Hupen, Fahrradständer, Sättel und alle Arten von sonstigem Zubehör hergestellt. Das bekannte Riemann-Markenzeichen waren Eichenblätter mit Eicheln in einem Kreis.

Im 2. Weltkrieg erreichte die Produktion ihren Höhepunkt. Als „Kriesgverdiener“ wurde die Firma 1945 enteignet, lief dann noch ein, zwei Jahre als „Spezialfabrik für Fahrzeugbeleuchtungen“ und wurde dann schlussendlich zum VEB Fahrzeugelektrik Karl-Marx-Stadt. Es wurden Scheinwerfer, Lichtmaschinen und Zündanlagen für Trabant und Wartburg gefertigt.

Die angebliche Riemann-Rolle besitzt ein dreieckiges Logo, ebenfalls mit Eichenblättern und Eicheln. Möglicherweise stammt sie aus der Zeit zwischen Enteignung und VEB, also aus der Zeit zwischen 1945 und 47. Das alte Riemann-Markenzeichen konnte damals nicht mehr weiterverwendet werden, das neue Logo sollte aber noch irgendwie an die berühmte Firma erinnern. Das ist aber reine Spekulation. Nirgendwo im Internet finden sich Riemann-Produkte mit einem dreieckigen Logo.

Die Rolle ähnelt mit der kreuzförmigen Bremsmutter mit Arretierungsschraube und dem spitzen Heck sehr der Rousek Record oder Stabil II (später Tokoz). Das erste Modell dieser Rollen wurde schon um 1935 in der Tschechoslowakei entwickelt, man orientierte sich damals stark an der Hardy Altex. Möglicherweise handelt es sich bei der Riemann-Rolle um einen Kriegs- oder Nachkriegs-Nachbau der Rousek. Meine Nachfrage bei tschechischen Sammlern ergab, dass diese angebliche Riemann-Rolle jedenfalls nicht aus Tschechien stammt.

Würde die Geschichte mit Riemann stimmen, dann handelt es sich bei der Rolle um das möglicherweise früheste DDR-Modell…

Fragen über Fragen… Wer hat weitere Infos zur Riemann-Rolle!? thomas.kalweit@paulparey.de

Das Logo: Zwei stark stilisierte Eichenblätter mit drei Eicheln im Dreieck.

Anmerkung vom 3. März 2020:

Ein ähnliches Logo besitzen auch die Phänomen-Fahrradwerke aus Zittau: Eine Eichel und ein Eichenblatt in einer liegenden Raute. Als Schutzblechfigur gab es von Phänomen auch vier Eichenblätter mit einer Eichel in einem Kreis. Es gab sogar eine Fahrradmarke „Eiche MJE“ aus Moers mit Eichenlaub und Eichel als Logo. Auch die Fahrradwerke Bismarck in Bergerhof hatten einen Eichenzweig als Markenzeichen, so auch Fahrräder von „Mainperle“. Das Logo der Rolle scheint also eindeutig in Richung irgendeiner Fahrradfabrik zu deuten… Übrigens: In Chemnitz, dem Sitz von Riemann, gab es damals über 50 kleinere und größere Fahrradhersteller! TK

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