Der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) hat am 31. Mai 2022 seine Fangempfehlung für den Atlantischen Lachs in der Ostsee für das Jahr 2023 veröffentlicht.
Dazu eine Stellungnahme des Deutschen Angelfischerverbandes e.V., des Landesanglerverbandes Mecklenburg-Vorpommern e.V., des Landessportfischerverbandes Schleswig-Holstein e.V., des Deutscher Meeresanglerverbander e.V. und des Boots-Angler-Clusb e.V, beruhend auf der Position der European Anglers Alliance (EAA):
Das Gutachten des ICES enthält Vorschläge für Maßnahmen zur Stärkung und zum Schutz schwacher Lachsbestände in einigen wenigen Flüssen durch Schließung der Befischung auf den gemischten Bestand, sowohl für die Freizeit- als auch für die kommerzielle Fischerei im Hauptbecken. Küstenfischerei ist nur in der Ålandsee, im Bottnischen Meerbusen und im Bottnischen Meerbusen (nördlich von 59,30 N) während der Laichwanderung (Anfang Mai bis Ende August) möglich.
Reaktion auf das ICES-Gutachten
Das letztjährige ICES-Gutachten für das Jahr 2022 beinhaltete bereits eine ähnliche Forderung zur Schließung der Lachsfischerei. Im Anschluss an jenes ICES-Gutachten beschloss der Rat „Landwirtschaft und Fischerei“ der EU, die Fangmöglichkeiten für Atlantischen Lachs (Salmo salar) für 2022 in der Ostsee auf einen Fisch mit abgetrennter Fettflosse pro Freizeitangler pro Tag zu begrenzen. Diese Entscheidung stützte sich auf eine Studie, die zeigte, dass die Sterblichkeit bei zurückgesetzten Fischen, die beim Schleppangeln gefangen wurden, bei etwa 25 % liegt. Diese 34 Jahre alte Studie bezieht sich jedoch auf andere Lachsarten (Coho und Chinook, Oncorhynchus-Gattung) in einer anderen Umwelt/Region (Hawk Inlet, Golf von Alaska, Pazifischer Ozean) und unter Verwendung anderer Fanggeräte. Daher ist sie nach unserer Auffassung nicht auf die hiesige Schleppangelfischerei auf Atlantischen Lachs (Salmo salar) in der Ostsee übertragbar. Die European Anglers Alliance ist daher der Ansicht, dass eine angemessenere Studie über die Sterblichkeit von zurückgesetzten Ostseelachsen bei der modernen Schleppangelfischerei ein wichtiger Schritt bei der Wahl der richtigen Managementmethoden für die Fischerei ist.
Angler engagieren sich ehrenamtlich für den Lachs
Die organisierten Angler in Europa (EAA), nationale Anglerverbände und einzelne Angler haben sich schon immer für die Gesundheit und das Wohlergehen der Lachsbestände in der Ostsee engagiert. Anglerverbände sind aktiv an der Renaturierung von Flüssen beteiligt und investieren viel Zeit, Geld und Energie um die Lachspopulationen wieder zu stärken. Angler haben ein ureigenes Interesse am Ostseelachs und sind sich einig, dass die derzeitige Bewirtschaftung des Ostseelachses geändert werden muss. Gleichzeitig muss die Möglichkeit, weiterhin auf Lachs zu angeln, erhalten bleiben. Alle Angler kennen, verstehen und respektieren die Vorschriften, die für ihre Fischerei gelten, einschließlich der täglichen Fangbeschränkungen (Bag-limits), saisonaler Schließungen und Mindestmaße. Das Angeln spendet die Motivation für unsere Mitglieder, sich für den Schutz der Gewässer und seiner Lebewesen einzusetzen. Eine große, kaum zu beziffernde Anzahl an freiwilligen Arbeitskräften leistet mit Freude ihren Dienst bei der Flussrenaturierung, der Überwachung von Fischbeständen und der Wasserqualität sowie bei der Fischereikontrolle. Die Einbindung solcher Interessengruppen in Entscheidungsprozesse ist unerlässlich, wenn wir die Bürgerinnen und Bürger für das Wohlergehen der Umwelt im Allgemeinen und des Lachses im Besonderen gewinnen wollen.
Wirtschaftliche Bedeutung der Freizeitfischerei
Neben der sozialen Bedeutung des Engagements von Anglern ist auch die wirtschaftliche Komponente der Freizeitfischerei auf Lachs in der Ostsee von großer Bedeutung. Die Schleppangelfischerei ist ein wichtiger Sektor für Einkommen und Arbeitsplätze in den Küstengemeinden. Untersuchungen des Thünen-Instituts für Ostseefischerei haben ergeben, dass Lachsangler allein in Deutschland pro Person und Jahr etwa 2.750 € im Rahmen der Angelei ausgeben. Dies entspricht Gesamtausgaben von 5 Millionen € oder 1.000 € pro entnommenem Lachs. Eine Erhebung des finnischen Verbands für Freizeitfischerei zeigt ähnliche Ergebnisse mit Direktinvestitionen von 3.461 € pro Trolling-Boot bei Kosten von 1.081 € pro angelandetem Lachs. Die EAA ist der Ansicht, dass die Meeresfischerei auf Ostseelachs bei entsprechender Regulierung minimale Auswirkungen auf die Flussbestände hat. Gleichzeitig bleiben die Angelmöglichkeiten sowie die damit verbundenen regionalen Aktivitäten erhalten.
Bestandssituation des Atlantischen Lachses in der Ostsee
Der Ostseelachsbestand setzt sich aus einer Vielzahl von Lachspopulationen zusammen, die aus verschiedenen Flüssen entlang der Ostseeküste stammen. Dabei werden die Bestände bzw. die einzelnen Flusspopulationen in sechs Bestandseinheiten („Assessment units“ – AUs) eingeteilt (s. Abbildung). Die Einteilung in die AUs erfolgte auf Grundlage biologischer und genetischer Eigenschaften der Populationen. Für die wissenschaftlichen Fangempfehlungen des ICES werden die AUs 1-5 zusammengefasst. Sie bilden die Grundlage für die Empfehlung für die ICES-Untergebiete 22-31 (gesamte Ostsee ohne Finnischen Meerbusen). Für die AU 6 (Finnischer Meerbusen, ICES-Untergebiet 32) wird eine separate Fangempfehlung veröffentlicht.
Wie das Thünen-Institut in seinen Erläuterungen zu den ICES-Empfehlungen ausführt, wird der Lachsbestand in der Ostsee (fressende Fische im Meer) auf 1–1,5 Millionen Tiere geschätzt. Insgesamt hat sich die Lachspopulation in der Ostsee seit den 1990er Jahren sehr positiv entwickelt. Die Gesamtfänge haben sich von ca. 1,2 Millionen. Lachsen im Jahr 1990 auf etwa 145.000 Lachse im letzten Jahr reduziert. Vor allem die Verringerung des Fischereiaufwands in der kommerziellen Fischerei, z.B. durch das Verbot der Treibnetzfischerei in der Ostsee, trug laut dem Thünen-Institut dazu bei.
Die Sicht des DAFV und der angeschlossenen Vereine
„Natürlich hat das Angeln auf den vermischten Lachsbestand in der Ostsee auch einen Einfluss auf Flussgebietseinheiten, in denen die Bestände keinen guten Zustand aufweisen, aber die fischereiliche Sterblichkeit durch die Freizeitangler ist sicher nicht die Ursache für die jeweiligen Probleme, sonst wären die Bestände in der Ostsee in den letzten Jahren insgesamt wohl kaum gestiegen. Dazu kommt der positive Einfluss der Angler durch das ehrenamtliche Engagement zum Erhalt der Bestände in ganz Europa.
Forderungen, das Angeln zu verbieten, ist für die Politik oft die erste und leider auch einzige Wahl zum Schutz der Bestände, wie man bei der Ausweisung der Naturschutzgebiete in der Ostsee in Deutschland gesehen hat. Bis heute ist das Angelverbot die einzige „Schutzmaßnahme“, die umgesetzt wurde. Die Angler sind bereit, einen zusätzlichen Beitrag über verringerte Tagesfangentnahmen und erhöhte Mindestmaße beizutragen, aber solange die Politik unseren langjährigen Forderungen nicht nachkommt, die strukturellen und ökologischen Probleme in den jeweiligen Flussgebietseinheiten genauso vehement anzugehen, wird sich an der Gesamtsituation wohl kaum etwas ändern. Solange den Lachsen der Weg auf ihrer Wanderung in die Laichgebiete versperrt ist und über die Hälfte der wenigen Nachkommen durch überschützte Prädatoren auf ihrem Weg ins Meer aufgefressen werden, ist keine Besserung in Sicht“, so Klaus-Dieter Mau, Präsident des Deutschen Angelfischerverbandes e.V.
Andreas Weber, 1. Vorsitzender vom Bootsanglerclub e.V. (BAC) dazu: „Für das Jahr 2022 wurde für Angler die Entnahme von Wildfischen (was geschätzt zweidrittel des Bestandes ausmacht) verboten und gleichzeitig die Tagesfangbegrenzung in Deutschland von drei auf einen Fisch pro Tag heruntergesetzt. Für die Angler ist die geltende Regelung frustrierend. Es ist schwer genug, überhaupt einen Lachs am Tag zu fangen. Hat dieser eine Fettflosse fährt man oft ohne Fang nach Hause und wenn er das Zurücksetzten nicht überlebt, ergibt sich auch kein Schonungseffekt. Die Managementmaßnahmen basieren auf einer 34 Jahre alten Studie zur Überlebenswahrscheinlichkeit von pazifischen Lachsen in Alaska und der nicht unumstrittenen und nicht flächendeckend eingesetzten Praxis, Besatzfischen die Fettflosse abzuschneiden. Mit dem Argument, die Entnahme von Wildfischen gänzlich zu verbieten, solange einige wenige Flussgebietseinheiten einen schlechten Zustand aufweisen, ohne die wahren Probleme der Flüsse anzugehen, kommt einem ewigen Entnahmeverbot für Wildfische in der Ostsee für Angler gleich.“
Fehlende Durchgängigkeit der Flüsse und zunehmende Prädation durch den Kormoran
Es gibt keinen schlüssigen Nachweis, dass die geringe Sterblichkeit durch die Freizeitfischerei auf den vermischten Bestand in der Ostsee ein wesentlicher Grund für die schwachen Lachspopulationen in den Flüssen der Bewertungseinheit fünf ist. Die derzeitige Situation wird durch Probleme in den Flüssen der Einzugsgebiete verursacht. Dazu gehören Wanderhindernisse, Kormoran-Prädation und fehlende Laichhabitate, die die Bestandsentwicklung einschränken. Angler haben ein ureigenes Interesse am Ostseelachs und sind sich einig, dass es wichtig ist, die derzeitige Bewirtschaftung des Ostseelachses zu ändern. Allerdings glauben wir, dass das Recht der europäischen Bürger, auf die Ostsee hinauszufahren, die Umwelt zu erleben, zu fischen und zu angeln, so weit wie möglich erhalten bleiben sollte. Ohne das Engagement der Angler wird es sehr schwierig sein, die öffentlichen Investitionen in die Wiederherstellung der Wildlachsbestände, die Beseitigung von Wanderhindernissen und die Sanierung von Flüssen aufrechtzuerhalten. Wir sind daher der Ansicht, dass ein Bag-Limit von einem Fisch (wild oder mit abgeschnittener Fettflosse) pro Angler und Tag für Meeresangler südlich des 59,30. nördlichen Breitengrades ein geeignetes Mittel ist, um die Auswirkungen des Angelns auf die Bestände der Bewertungseinheit fünf Bestände zu begrenzen und gleichzeitig die Investitionen der Angler in die Wiederherstellung der Flüsse zu erhalten. Für die Freizeitfischerei nördlich von 59,30 Grad N ist die EAA der Ansicht, dass die Fangmengen für Schleppangler nicht an die 4-Seemeilen-Regelungen gebunden sein, sondern der Regulierung durch die Mitgliedsstaaten unterliegen sollten.
Die organisierten Angler möchten unterstreichen, wie wichtig es ist, die freie Wanderung der Lachse in den Flüssen, sowohl flussaufwärts als auch flussabwärts, sicherzustellen und übermäßigen Fraß durch Prädatoren zu verhindern. Alle wandernden Fische haben Probleme mit kleinen Wasserkraftwerken, stillgelegten Mühlen, Wehren und anderen vom Menschen geschaffenen Hindernissen. Wenn wir unsere gemeinsamen Ziele für die Smolt-Produktion in der Ostsee erreichen wollen und damit sowohl die kommerzielle Küstenfischerei als auch die Freizeitfischerei auf Lachs nachhaltig entwickeln möchten, müssen wir der Beseitigung von Hindernissen für die Fischwanderung Vorrang einräumen. Wir unterstützen daher nachdrücklich das Ziel der EU-Biodiversitätsstrategie 2030, welche die Beseitigung von Wanderhindernissen und die Wiederherstellung von mindestens 25.000 km europäischen Flüssen fordert.
Ein weiterer wichtiger Grund für schwache Lachspopulationen ist die exponentielle Zunahme des Kormoranbestands in den Flüssen und Flussmündungen entlang der Ostseeküste. Untersuchungen des dänischen Instituts für aquatische Ressourcen (DTU Aqua) zeigen, dass die Sterblichkeit von Wildlachsen durch Kormorane in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren bei etwa 50 % liegt (Jepsen et al., 2019 ). Die Vernichtung einer großen Anzahl von Lachsen in sehr kurzer Zeit durch große Schwärme wandernder Kormorane kann besonders problematisch sein, da dies auf lokaler und nationaler Ebene nicht zu lösen ist.
Die deutschen Angelverbände schlagen die folgenden Regelungen und Maßnahmen für den Ostseelachs im Jahr 2023 vor:
• Ein Bag-limit von einem Lachs (wild oder mit abgeschnittener Fettflosse) pro Angler und Tag für Meeresangler südlich von 59,30 Grad nördlicher Breite.
• Die Schleppanglerfischerei nördlich von 59,30 Grad N sollte den Vorschriften der Mitgliedstaaten unterliegen und nicht unnötig durch eine 4-Seemeilen-Grenze reguliert werden.
• Durchführung einer aktuellen Studie über die Sterblichkeit von Atlantischem Lachs, der nach dem Fang durch Schleppangeln zurückgesetzt wird.
• Regelungen, welche die Anlandung von ganzen, nicht filetierten Fischen vorschreiben, sollten nur für Salmoniden (Lachs und Meerforelle), nicht aber für andere Arten wie Hecht, Barsch und Zander gelten.
• Mehr Mittel sollten für die Beseitigung von Fischwanderhindernissen in den Flüssen eingesetzt werden.
• Ein europaweites Programm sollte initiiert werden, um ein ausgewogenes europäisches Management von Kormoranen zu gewährleisten.
-Pressemitteilung DAFV-