Können Salzwiesen im Wattenmeer der ökologischen Dreifachkrise aus Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Umweltverschmutzung standhalten?
Forscherinnen und Forscher aus Deutschland, den Niederlanden und Dänemark wollen gemeinsam der Frage nachgehen, in welchem Maße diese für den Küstenschutz äußerst wichtigen Ökosysteme in der Lage sind, dem zunehmenden ökologischen Druck zu begegnen.
Pufferzonen zwischen Meer und Land
Salzwiesen im Übergangsbereich zwischen Land und Meer sind wertvolle Pufferzonen, die die Energie der Wellen abschwächen und somit die Erosion und Überflutung der Küstengebiete verringern können. Dadurch tragen Salzwiesen wesentlich zum Küstenschutz bei und sind außerdem ein Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen, die nur in diesem Ökosystem vorkommen. Auch als Kohlenstoffspeicher erfüllen sie eine wichtige Funktion. Doch können Salzwiesen unter zukünftigen klimatischen Bedingungen überleben? Können sie unter den neuen Randbedingungen mit steigenden Meeresspiegeln und höherer CO2-Belastung weiterhin ihrer Küstenschutzfunktion nachkommen?
Das Forschungsvorhaben SALTGARDEN untersucht, inwieweit die Erhaltung und Förderung der Biodiversität in Salzwiesen ein wesentlicher Bestandteil einer Lösungsstrategie für die so genannte ökologische Dreifachkrise aus Klimawandel, Biodiversitätsverlust und Umweltverschmutzung sein kann. In dem von den Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF) und Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) sowie dem Niederländischen Forschungsrat (NWO) geförderten Projekt haben sich deutsche, niederländische und dänische Forschungseinrichtungen zusammengetan. Die Projektleitung liegt beim Ludwig-Franzius-Institut für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen der Leibniz Universität Hannover (LUH).
Zumeist als Weiden kultivierte Flächen
Betrachtet man die Salzwiesen an der Schnittstelle zwischen Land und Meer genauer, wird deutlich, dass es sich bei den meisten Salzwiesenflächen um kultivierte und zumeist unterhaltene Landschaften handelt. Sie werden mit einem starken Fokus auf ihren weidewirtschaftlichen und küstenschutztechnischen Nutzen bewirtschaftet. Auch die künstliche Entwässerung des Deichvorlands – mit dem ursprünglichen Zweck der Landgewinnung – ist eine gängige Praxis. Zwar wurden viele Nutzungsformen in den letzten Jahrzehnten reduziert oder eingestellt, trotzdem sind viele der künstlichen Landschaftsstrukturen noch heute deutlich erkennbar. Dadurch ist die natürliche Biodiversität der Salzwiesen nachhaltig beeinträchtigt. Dabei sind es gerade die biologische Artenvielfalt und die Vegetationsdynamiken einer Salzwiese, die die wesentlichen Ökosystemprozesse steuern und somit die Grundvoraussetzung für die Anpassungsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit dieser Küstenökosysteme darstellen. Vor diesem Hintergrund erscheinen die kultivierten Salzwiesenlandschaften als anfällig gegenüber den zunehmenden Einflüssen der ökologischen Krise.
Grenzen der Belastbarkeit erkunden
Das SALTGARDEN Konsortium will mit Laborversuchen und Felduntersuchungen sowohl die Grenzen der Belastbarkeit von Salzwiesen unter hydrodynamischen Einflüssen wie Meeresspiegelanstieg und Sturmfluten bewerten als auch die Reaktion von Salzwiesenpflanzen auf veränderte klimatische Bedingungen wie Hitze- und Trockenstress untersuchen. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt stellt zudem die Untersuchung der Anreicherung von Schadstoffen, zum Beispiel durch Mikroplastik- und Nährstoffeinträge, dar. Das Ludwig-Franzius-Institut für Wasserbau, Ästuar- und Küsteningenieurwesen der LUH hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Widerstandsfähigkeit von echten, im Wattenmeer extrahierten Salzwiesen unterschiedlicher Struktur und Qualität der Diversität im institutseigenen Wellenbecken zu untersuchen.
Nachhaltiges Salzwiesen-Management
In enger Zusammenarbeit mit Landesbetrieben und Verwaltungen, NGOs und lokalen Interessenvertretern der drei Nordseeanrainerstaaten will das SALTGARDEN-Forschungsteam Strategien für ein nachhaltiges Salzwiesenmanagement entwickeln. Diese Strategien sollen auf den Grundprinzipien des so genannten naturnahen Gärtnerns (Nature-based Gardening, NbG) basieren. Ziel ist es, den Wert biodiverser und dynamischer Küstenökosysteme besser zu verstehen, Sensitivitäten zu quantifizieren und daraus zukunftsfähige Vorlandmanagementstrategien auf sozial-politischer Ebene zu etablieren.