Der holländische Hechtpapst berichtet diesmal über zweifelhafte Riesenhechte aus ganz Europa.
Ich sammele nun seit fast 40 Jahren Fangmeldungen von Großhechten. In diesen vier Jahrzehnten habe ich viel gelernt über Echtheit, Vertrauenswürdigkeit und Glaubwürdigkeit von Fangmeldungen. Deshalb habe ich auch schon im 3. Teil angemerkt, dass ich nicht glaube, dass die Hechte in Irland zwischen 1815 und 1862 so außerordentlich schwer geworden sind, angeblich über 40 Kilo.
In dem Maße, wie die Zahl der Meldungen von Hechten über 18 Kilo anstieg, stieg auch die Zahl der zweifelhaften Fälle. Bei einigen Hecht-Fangmeldungen aus dem hohen Norden war besonderer Zweifel angesagt, Zeit für eine eingehende Untersuchung.
Abu, Napp och Nytt und Arne Broman
Ich habe schon einmal erwähnt, dass meine Sammlung von Angelbüchern mit dem Aufbewahren des englischen Abu-Kataloges „Tight Lines“ von 1962 begonnen hat. Neben reichlichen Produkt-Informationen gab es darin auch den Dreamtrip-Wettbewerb. Wer den schwersten Fisch in den unterschiedlichen Kategorien einreichte, mit Abu-Gerät gefangen natürlich, konnte eine Traumreise in ein exotisches Angelparadies gewinnen. Jedes Jahr konnte man im neuen Katalog lesen, wer in der Kategorie Hecht die Traumreise gewonnen und auch wer den ersten Platz verpasst hatte. In der Northern European Big Pike List im Domesday Book von Fred Buller taucht ungefähr 30 Mal der Name Arne Broman als Quelle auf. Fred bedankt sich im Buch bei Arne besonders, wahrscheinlich hat mich das angespornt, ebenfalls einen Brief mit kapitalen Fängen an Fred zu schicken. Arne schickte seine Briefe mit Fangmeldungen aus Skandinavien 1977 und 78 zu Fred, gerade rechtzeitig für das Domesday Book, das 1979 herauskam.
Bei meinem ersten Besuch erzählt mir Fred, dass Arne Artikel für schwedische Angelzeitschriften schreibt und vor allem mit Kunstködern auf große Hechte fischt. Ohne zu zögern wurden diese „Broman Hechte“ von Fred in die Europa-Liste in Pike II übernommen. Weil durch das Erscheinen von Pike II der Druck aus dem Kessel war, konnte ich endlich mit der vollständigen Überarbeitung der Europa-Liste beginnen. Bei vielen Hechten fehlten Länge oder Bauchumfang, auch waren Fanggewässer, Datum, Name des Fängers und Fangmethode unbekannt. Wir befinden uns in der Zeit zwischen 1982 und 85. Damals schrieb ich viele Briefe an Angler, die schon in der Liste standen, an Redakteure von Angelzeitschriften, an Firmen wie Mepps, Rapala und Abu. Über Arne Broman hatte ich gehört, dass viele seine Informationen aus Abu-Katalogen stammen sollten. Ich konnte das in vielen Katalogen, ich in zehn Jahren gesammelt hatte, nachprüfen.
Fred hatte mindestens drei Mal einen Brief an Abu geschickt, um Adressen der Fänger und Fotos zu bekommen, aber nie eine Antwort erhalten. Weil ich gute Kontakte zu Ingegerd Borgström von Abu hatte, damals schon einige Male die Fabrik in Svängsta besucht hatte und zudem Schwedisch sprach, erhielt ich gleich einen Brief mit Kopien aller großen Abu-Hechte zurück. Schönes Material, über das ich noch berichten werde.
Magere Sommerhechte und norwegische Fotomontagen
Das Fangen eines Hechtes über 18 Kilo ist selbst für die besten Hecht-Experten eine schwierige Aufgabe. Es ist deshalb sehr ungewöhnlich, dass jemand zwei Mal in der European Big Pike List vorkommt, ganz zu schweigen von drei Malen. Dieser Jemand war Harry Rode, der an einem warmen August-Mittag anno 1976 mit einem Abu HiLo-Wobbler drei Hechte von 19,00, 20,50 und 21,50 Kilo gefangen haben will. Der Øyeren in Norwegen war das Gewässer, an dem alles geschehen sein soll.
Durch den Chefredakteur des Blattes Villmarksliv erhielt ich die Adresse von Harry Rode, schickte ihm einen Brief voller Fragen und bekam nach einiger Zeit auch Antwort. Harry stammte ursprünglich aus dem Baltikum, nennen wir ihn einen Gastarbeiter in Norwegen, der an einem warmen Sommermittag drei Riesenhechte fing. Sie wurden nicht wirklich gewogen, eher geschätzt auf circa 20 Kilo pro Hecht. Nun weiß ich aus meiner langen Praxiserfahrung, dass viele Hechtangler das Gewicht eines großen Hechtes nur schlecht schätzen können.
Ich muss konstatieren, dass damals die Kontrolle der Einsendungen für den Traumreise-Wettbewerb sehr lax gehandhabt wurde. Es wundert mich doch sehr, dass niemand daran gedacht hat, dass Sommerhechte deutlich leichter sind, weil sie noch keinen Rogen angesetzt haben. Zum Glück gab es in Norwegen und Schweden auch Angler wie Peter Grahn, die an der Korrektheit der Gewichte in diesem Abu-Wettbewerb zweifelten. Interessant ist zudem, dass Harry Rode keine Traumreise in der Kategorie Hecht gewonnen hat. Im Abu-Katalog von 1977 kann man lesen, dass diese damals an Roy Tait aus Norwegen gegangen ist. Er soll im Mai 1976 einen Hecht von 147 cm und 22,740 kg mit einem Blinker im Tyrifjord gefangen haben. Neuer Norwegen-Rekord! Auf dem winzigen Bildchen, das ich von Roy bekommen konnte, sieht der Hecht schon imposant aus. Er wird aber irgendwie eigenartig an den Kiemendeckeln hochgehalten. Hätte Peter Grahn nicht durch Zufall ein Foto eines Hechtes von 117 cm und 10,75kg in einer alten Ausgabe von 1952 der Zeitschrift Sportfiskaren entdeckt, würde Roy Tait noch immer den norwegischen Rekord inne haben. Diese Fotomontage bescherte ihm aber immerhin eine Traumreise. Peter Grahn deckte noch weitere Unregelmäßigkeiten auf und der Rekord landete im Papierkorb.
Viele Hechte nicht ganz astrein
Diese Enthüllungen sorgten dafür, dass ich weiterhin mit Peter Grahn, der mit einem Hecht von 6,1 Kilo im schwedischen Abu-Katalog „Napp och Nytt“ von 1978 abgebildet ist, zusammenarbeiten sollte und er noch weitere Großhechte als nicht ganz astrein erklärt wurden.
Um 1985 war der Hecht von George Lööf mit 22kg der offizielle schwedische Rekordhecht. Gefangen in den Schärengärten bei Stockholm auf einen kleinen Mepps-Spinner. George wollte eigentlich Barsche fangen. Irgendetwas ist damals verkehrt gelaufen, denn der eingefallene Bauch dieses abgelaichten Hechtes hat den Experten, die den Schweden-Rekord anerkannt haben, nicht zu denken gegeben. Das gleiche Los traf auch den 21kg-Hecht von Cai Burewall, der ebenfalls im Inselreich bei der schwedischen Hauptstadt gefangen wurde. In meinem noch immer wachsenden Archiv muss noch irgendwo einen Brief von Peter Grahn geben, in dem er genau erklärt, warum dieser Hecht disqualifiziert wurde. Leider kann ich den Brief momentan nicht finden, die Erklärung liefere ich aber noch.
Mit der Flinte geschossen, durchs Eis erschlagen
Ehrlich gesagt war es Fred Buller und mir nicht so wichtig, ob ein Hecht als nationaler oder IGFA-Weltrekord anerkannt worden war oder nicht. Wir schauten vor allem darauf, ob das Gewicht korrekt ermittelt wurde. Wie der Hecht gefangen wurde, interessierte uns nicht so sehr. Darum stehen auch Hechte in der Liste, die mit der Flinte geschossen oder durchs Eis totgeschlagen wurden, auch solche, die mit Netzen gefangen oder tot gefunden wurden. Die Fangmethode war nicht wichtig, wenn die Fische nur korrekt gewogen bzw. präzise vermessen wurden. Vor allem der Bauchumfang ist ausschlaggebend für das Gewicht eines Hechtes. Es gibt verschiedene Formeln anhand derer man mit Bauchumfang und Länge das vermutliche Gewicht eines Hechtes errechnen kann. In Freds Büchern sind diese Formeln aufgeführt. Ich verwende sie, um zu überprüfen, ob das angegebene Gewicht eines Großhechtes ungefähr stimmen kann. Viele Angelredakteure schicken mir bei neuen Großhechten eine Fangmeldung und fragen mich nach meiner ehrlichen Meinung. So sind schon so einige dubiose Hechte im Papierkorb verschwunden, bevor sie mit zum Ruhme des Fängers in einer Angelzeitschrift publiziert werden konnten. Heutzutage gibt es vor allem ein Problem dank Photoshop, denn durch Bildbearbeitung können Hechte größer und schwerer wirken. Die Folge davon ist, dass ich im Jahre 2020 weniger Druck habe, neue Hechte in der Kategorie 18 bis 22 Kilo aufzunehmen. Ich beschäftige mich vor allem mit neuen 22kg+ Hechten, richtigen Kapitalen!
Topscorer aus der Big Pike List
Das Wort Topscorer kann ich in diesem Fall auf zwei Arten auslegen. Zu allererst können wir die Hechte betrachten, die durch einen und denselben Hechtangler gefangen wurden. Dieser Angler kommt also mehrere Male in der Liste vor. Es kann aber auch ein Hecht ein Topscorer sein, wenn er etwa als Weltrekord oder nationaler Rekord anerkannt wurde. Es gibt eine Person in der Liste, die an beiden Fronten punktet: Jörg Nötzli aus der Schweiz. Sein Hecht von 28,320 kg wurde von der IGFA als Weltrekord anerkannt. Mit Hechten von 19, 22,5, 25 und schließlich 28,320 kg steht er, und steht er immer noch, in der EBP-Liste. Der größte dieser vier Hechte ist aber inzwischen kein Weltrekord mehr. Die Geschichte dieses Rekordes ist allseits bekannt, ich habe darüber schon einige Male geschrieben. Nötzli hatte die Hechte lebend bei einem Berufsfischer vom Bielersee gekauft. Er setzte sie dann in einen kleinen Weiher, dann fing er sie dort wieder mit der Angel, unter Zeugen wurden die Fische dann gewogen. Und weil diese Hechte diese Gewichte wirklich auf die Waage brachten, bleiben sie auch in der Liste.
Zweifelhafte Rekordfische
Interessant ist auch die Story des schwedischen Hechtkönigs Fehmi Varli, der Hechte von 20, 24,170 und 26,570 kg im Järnafjärden, einem Teil der Ostsee, fangen konnte. Die Fänge liefen aber nicht nach den Regeln des Rekordfischkomitees ab, deshalb wurden die Fische auch nicht offiziell als schwedische Rekorde anerkannt. Persönlich finde ich es nicht so schlimm, wenn man einen neuen Großhecht wegen eines Verfahrensfehlers, dem Fanggerät, der Schonzeit, fehlender Angelerlaubnis, nicht geeichter Waage oder unerlaubter Hilfe durch einen Angelkollegen nicht als neuen Rekord anerkennt. Ich bin selbst jahrelang Beauftragter der IGFA gewesen. Ich wurde aber angewiesen, bestehende Hechtrekorde nicht anzuzweifeln, obwohl ich deutlich gemacht habe, dass es sich dabei um Betrug handelte.
Ein Problem ist auch, dass sich die Regeln der Rekord-Komitees von Land zu Land stark unterscheiden können, darum gebe ich nicht allzu viel auf Rekordtitel. Ein neuer Rekord, über den ich mich sehr gefreut habe, geht auf das Konto meines guten Freundes Siegfried Schön. Seine 138cm lange Esox-Großmutter ist für mich einer der schönsten Hechte der letzten Jahre und der Volkerak soll jetzt noch mehr besucht werden, von Anglern, die Jagd nach noch größeren Exemplaren machen.
Und wie geht es weiter mit meiner persönlichen Jagd auf papierene und digitale Mammut-Hechte? Die Antwort ist eindeutig: Solange meine körperliche und geistige Verfassung es zulässt, werde ich weiter Daten von Großhechten sammeln. Ich habe schließlich nicht umsonst den Beinamen „The Pike Ferret“ von Fred Buller bekommen und das verpflichtet…
Jan Eggers