Der 14. März 2019 ist der internationale Aktionstag für Flüsse und gegen Staudämme. Denn Wasserkraft ist eine erneuerbare, aber nicht zwingend eine klimaneutrale und umweltfreundliche Energiequelle.
Gewässerstrukturen und Ökosysteme werden oft unumkehrbar verändert. Fließgewässer sind für Fische und andere Lebewesen nicht mehr durchwanderbar. Stauseen können zudem klimarelevante Gase freisetzen. Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) ist das größte deutsche Forschungszentrum für Binnengewässer; ein wichtiges Thema ist die menschliche Nutzung und das Management von Flüssen und Seen. Unsere Forschenden geben gerne Auskunft zu den Auswirkungen von Staudämmen auf die betroffenen aquatischen Ökosysteme und ihre Artenvielfalt.
Wasserkraftnutzung hat dramatische Auswirkungen auf die Umwelt
Heute tragen erneuerbare Energien bereits etwa 20 Prozent zur globalen Stromproduktion bei, davon stammen allein 80 Prozent aus Wasserkraft. Tendenz steigend. Laut einer Studie des IGB von 2015 befinden sich weltweit etwa 3.700 große Staudämme, vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern, im Bau oder in Planung. Mit oft dramatischen Auswirkungen auf die Umwelt. In Europa boomt der Ausbau von Kleinkraftanlagen. Allein für die Balkanregion weist Riverwatch ca. 2.500 Staudämme in Planung oder Bau aus. Über die Entwicklung bei den kleinen Anlagen wissen wir global wenig, ihre ökologischen Auswirkungen sind aber unter Umständen besonders hoch, denn sie tragen nur wenig zur Energiesicherung bei, „verbrauchen“ aber überproportional viele natürliche Ressourcen in Form von freifließenden und durchwanderbaren Gewässerabschnitten. International fordern Forschende deshalb deutlich verbesserte Kriterien und Standards für die Errichtung und den Betrieb von Wasserkraftanlagen. Die sollen nicht nur helfen, die Stromerzeugung zu optimieren, sondern gleichzeitig auch deren negative Auswirkungen zu minimieren.
Dazu Fachleute aus dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB):
Dr. Gabriel Singer: Auswirkungen von Staudämmen auf Fließgewässer im regionalen Maßstab
Zitat: „Einen Staudamm zu bauen bedeutet lokal einen Fluss zumindest in einem Abschnitt zu verlieren, ihn quasi in einen „See“ zu verwandeln. Darüber hinaus werden ureigene Eigenschaften von Flüssen auf weit größerem Maßstab durch einen Staudamm stark verändert. Regulierter Abfluss und unterbundener Sedimenttransport verhindern die natürliche Dynamik stromab gelegener Teile des Fließgewässernetzwerks, der Fluss verliert eben dort sein typischerweise dynamisch ausgeprägtes Lebensraum-Mosaik, mit entsprechend negativen Konsequenzen für die Biodiversität. Staudämme machen Organismen, aber auch das Wandern schwer und verändern die natürlicherweise von kleinen zu großen Flüssen stattfindenden Stofftransporte. Beides zusammen hat noch wenig erforschte Folgen für die Rolle von Flüssen im Landschaftsgefüge.“
Dr. Christian Wolter: Auswirkungen von Staudämmen auf die Durchwanderbarkeit von Fließgewässern für Fische
Zitat: „Staudämme und Wehre stellen eine Barriere für viele Fischarten dar – nicht nur für Wanderfische. Wenn sich in einem Gewässerabschnitt der Wasserstand stark verändert, durch Hoch- oder Niedrigwasser, wandern Fische normalerweise in andere Flussabschnitte ab. Fischaufstiege sind für solche Ereignisse nicht ausgelegt. Einige Fischarten wie Störe können die gängigen Fischaufstiege gar nicht nutzen. Darüber hinaus gehen im Rückstaubereich von Wehren und Staudämmen frei fließende Strecken im Fluss verloren – und damit großräumige Lebensräume für typische Flussfischarten.“
Dr. Sonja Jähnig: Auswirkungen von Staudämmen auf die Artenvielfalt in Gewässern
Zitat: „Der Boom der Wasserkraft ist vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern in Südamerika, Südostasien sowie Afrika zu spüren – und damit in jenen Regionen, die einen Großteil der biologischen Vielfalt unseres Planeten beherbergen. Schon heute ist diese Vielfalt stark gefährdet. Zusätzliche Staudämme werden diesen Rückgang weiter beschleunigen. Auch die Megafauna ist betroffen, also große Tiere wie Flussdelfine oder Störe z.B. durch die Blockade von Migrationsrouten oder den Verlust von Futter- und Laichplätzen. Es gehen jedoch nicht nur Lebensräume im Fluss verloren, sondern auch Habitate in den Uferzonen und am Gewässerrand, beispielsweise durch den Bau von Infrastrukturen wie Straßen, Siedlungen und andere Landnutzungsänderungen.“
Dr. Peter Casper: Staudämme als Quellen von Treibhausgasen
Zitat: „Die Gewinnung von Energie mittels Wasserkraft galt lange Jahre als klimafreundlich. Durch die Anstauung der Flüsse entstanden oft riesige Stauseen, in denen das von den Flüssen transportierte Material ablagert wird. Erst als in den späten 80-er Jahren die ersten Berichte über die Freisetzung von Treibhausgasen aus den Stauseen publiziert wurden, geriet die Wasserkraft in die öffentliche Kritik. Besonders in den Tropen, wo auch die meisten neuen Staudämme geplant oder bereits im Bau sind, führen die höheren Temperaturen zum Abbau der organischen Bestandteile der Sedimente unter Bildung von Methan, Kohlenstoffdioxid und in manchen Fällen auch von Lachgas (Distickstoffoxid). Alle drei Gase haben das Potenzial, den Wärmehaushalt der Erde zu beeinflussen, also zum Klimawandel beizutragen. Auch in gemäßigten Breiten tragen Staudämme zum Anstieg der atmosphärischen Treibhausgaskonzentration bei.“
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