Die Hochwasserwelle, die seit den Weihnachtstagen die Elbe hinunter bis in die Nordsee gerollt ist, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von vier Helmholtz-Zentren koordiniert verfolgt und beprobt.
Eine seltene Gelegenheit, die Auswirkungen eines solchen Extremereignisses auf die Elbe zu erforschen. Die gesammelten Daten werden helfen, zukünftige Risiken besser zu verstehen und Voraussagen treffen zu können. Heute übernimmt das GEOMAR-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel mit dem Forschungskutter LITTORINA unter Fahrtleitung von Dr. Björn Raupers in der Deutschen Bucht den letzten Teil dieser spontanen Messkampagne.
Den Zustand der Elbe von der Quelle bis zur Mündung untersuchen verschiedene Helmholtz-Zentren im Rahmen des Messprogramms MOSES (Modular Observation Solutions for Earth Systems – Modulare Beobachtungslösungen für Erdsysteme) seit einigen Jahren. Ab diesem Jahr soll mit dem neuen Projekt ElbeXtreme im Rahmen der Forschungsmission mareXtreme der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM) der Fokus auf Extremereignisse gelegt werden.
Wie verändert ein Hochwasser die Zusammensetzung der Elbe?
Jetzt bot sich bereits vor dem Jahreswechsel die seltene Gelegenheit, die Untersuchungen während eines Hochwasserereignisses an der Elbe vorzunehmen. So wurde noch während der Weihnachtsfeiertage 2023 eine Ad-hoc-MOSES-Kampagne gestartet, die die Hochwasserwelle von der tschechischen Grenze bis zur Mündung in die Nordsee verfolgt und beprobt hat. Die Fragestellung dabei: Wie verändern Extremereignisse wie ein Hochwasser die Zusammensetzung des Gewässers? Die Untersuchungen umfassten Messungen der Leitfähigkeit und der Wassertemperatur mit Sensorsonden. Parallel dazu wurden Wasserproben entnommen, die im Labor auf biogeochemische Parameter wie Kohlenstoffverbindungen, Nährstoffe, Mikroverunreinigungen, Metalle und Pigmente untersucht werden.
Messungen von Bad Schandau bis nach Cuxhaven
Vom Beginn des Hochwassers Ende Dezember an verfolgte das Forschungsteam um Dr. Norbert Kamjunke vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) von Land aus acht Tage lang den Scheitelpunkt der Hochwasserwelle: von Bad Schandau an der deutsch-tschechischen Grenze bis nach Lauenburg bei Hamburg. Der Zugang zur Elbe war wegen der Überflutung des Umlandes oft schwierig, so dass die meisten Proben von Brücken entlang des Flusslaufes genommen wurden.
Vom Sperrwerk in Geesthacht an übernahmen die Kolleginnen und Kellegen des Helmholtz-Zentrums HEREON das Monitoring der Flutwelle in der Tideelbe. Ihre Untersuchungen seien trotz der kurzfristigen Planung aktiv von der Hamburg Port Authority (HPA) und der Fährgesellschaft der Elbfähre Glückstadt-Wischhafen (FRS) unterstützt worden, was die gezielte Probenahme entlang des Tideflusses erst möglich gemacht habe, sagt Dr. Götz Flöser, Physiker am HEREON.
Dem Süßwasser auf der Spur: Wie verteilt sich die Welle in der Nordsee?
Nach dem Eintreffen der Hochwasserwelle bei Cuxhaven an der Elbmündung Mitte Januar haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), die Beobachtungen fortgesetzt. Sie waren jetzt eine gute Woche lang mit dem Forschungsschiff MYA II in der Elbmündung unterwegs, um die gleichen Inhaltsstoffe wie in der Elbe zu beproben.
Morgen übernimmt das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel den letzten Abschnitt: die Beprobung der Deutschen Bucht. Auf Helgoland wird die LITTORINA den vollausgestatteten MOSES-Labor-Container vom AWI übernehmen. Der Container ist extra für das Projekt entwickelt worden und wird fertig aufgebaut von Schiff zu Schiff übergeben. Dadurch ist die Mess-Sensorik einheitlich, was sicherstellt, dass auch die gewonnen Daten einheitlich und vergleichbar sind.
Mehr Süßwasser in der Nordsee
„Wir sind gespannt, ab wann wir wieder Normalwerte sehen. Die Hochwasserwelle bringt derzeit erstmal deutlich mehr Süßwasser in die Nordsee als gewöhnlich“, sagt Dr. Björn Raupers, Physikochemiker und GEOMAR-Fahrtleiter der Ad-hoc-Expedition. Ob dies auch für Nähr- und Schadstoffe sowie andere gelöste Komponenten gilt, ist eine der bislang ungelösten Schlüsselfragen. Neben dem Salzgehalt wird das MOSES/ElbeXtreme-Team vom Forschungskutter LITTORINA aus daher eine Woche lang an verschiedenen Stellen Proben für eine Vielzahl von Nähr- und Schadstoffen nehmen, darunter Spurenelemente und Quecksilber, aber auch Treibhausgase wie Kohlendioxid (CO2) und Methan, die durch das Hochwasser in die Nordsee transportiert wurden. Außerdem werden DNA-Spuren von Organismen untersucht, um die Auswirkungen der Elbe-Flut auf die Struktur der Lebensgemeinschaften in der küstennahen Nordsee zu analysieren.
Einzigartige Datensammlung
Dass das Jahr 2024, in dem das Projekt ElbeXtreme startet, gleich mit dieser besonderen Datensammlung beginnt, ist aus Sicht der Wissenschaft eine große Chance. Dr. Ingeborg Bußmann, Projektleiterin am AWI: „Nach den vergangenen extremen Niedrigwassersituationen können wir unser Projekt nun mit der Erhebung eines noch nie dagewesenen Datensatzes von Hochwasserereignissen starten.“ Die gesammelten Daten werden dazu beitragen, zukünftige Risiken besser zu verstehen und verlässlichere Voraussagen für die Elbe treffen zu können.
Extreme Hochwasser- und Niedrigwasserereignisse werden aufgrund des Klimawandels in Zukunft wahrscheinlich häufiger auftreten. Wissenschaftler müssen daher verstehen, wie sich diese Ereignisse auf den Transport von Nähr- und Schadstoffen auswirken und welche Folgen sie für die Ökosysteme der Elbe und die von ihnen abhängigen lokalen Akteure haben. Im Rahmen von ElbeXtreme werden Erkenntnisse über die Auswirkungen dieser Ereignisse auf sozio-ökologische Systeme gesammelt und Anpassungs- und Eindämmungsoptionen entwickelt.
-Pressemitteilung GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel-