Junghechte brauchen Pflanzen als Versteck. Bild: IGB/Besatzfisch |
Neue Studie eines internationalen Forscherteams zeigt: Das Aussetzen von jungen Hechten zur Bestandsstützung hat in Gewässern mit natürlichem Hechtaufkommen nur geringe Erfolgsaussichten.
Der Hecht (Esox lucius) ist ein bedeutender heimischer Raubfisch und beliebte Angelbeute. Um die Bestände des faszinierenden Lauerräubers zu sichern, ist es üblich, in Seen und Flüssen gefangene Laichfische künstlich zu vermehren und die Nachkommen wieder in die Natur zu entlassen. Eine aktuell erschienene Studie eines internationalen Forscherteams unter Beteiligung von Prof. Dr. Robert Arlinghaus vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin belegt nun, was viele Fischereiwissenschaftler seit langem vermuten: Es ist wenig erfolgversprechend, künstlich erbrütete junge Hechte in Gewässer mit einer sich natürlich vermehrenden Population auszusetzen. Die Satzhechte verschwinden im Laufe des Jahres aus dem Bestand, weil sie von den besser angepassten Wildfischen verdrängt werden. Die Nachhaltigkeit der Bestandstützungsmaßnahme ist zweifelhaft.
Fehlende Laichplätze
Er kann über 1,3 Meter lang werden und ist ein gefürchteter Lauerräuber. Mehrere Tage kann der Hecht regungslos im Schilf verharren, bis er dann blitzschnell zuschlägt. Doch dienen ihm Wurzeln, Schilf und Unterwasserpflanzen nicht nur als Jagdversteck. Esox lucius benötigt überflutete Uferwiesen und eine üppige Unterwasservegetation, um nach dem Schlupf aus dem klebrigen Ei unbemerkt vom millimeterkleinen Fischlein zum stattlichen Räuber heranzuwachsen. Zunächst stehen Zooplankton, Insektenlarven und wirbellose Kleintiere auf seinem Speisezettel, doch schon mit etwa 5 Zentimetern Körperlänge fängt der Hecht an, sich von anderen Fischen und Artgenossen zu ernähren. Obwohl der Hecht in Deutschland nicht zu den gefährdeten Arten gehört, nimmt der Mensch Einfluss auf den Süßwasserfisch. Hechte werden nicht nur intensiv befischt, sondern die Bestände leiden auch unter Uferbegradigungen und dem Verlust von Laichplätzen und Versteckmöglichkeiten. Das erklärt, warum sowohl in Europa als auch in Nordamerika vielfältige Maßnahmen zur Hechtbestandsstützung ergriffen werden.
Hechtbesatz selten erfolgreich
Die übliche Praxis ist der Fischbesatz. Hierbei werden meist in der Natur gefangene Laichtiere in Fischzuchten künstlich vermehrt. Dann werden die Larven entweder direkt als schwimm- und fressfähige Brut ausgesetzt oder in Teichen über eine gewisse Periode großgezogen und danach als Jungtiere in natürliche Gewässer gesetzt. Dieser kosten- und arbeitsintensiven Aufgabe stellen sich hierzulande meist Angelvereine in Kooperation mit Berufsfischern und Fischzüchtern. Praktiker wie Forscher haben in der Vergangenheit jedoch mehrfach beobachtet, dass der Hechtbesatz nicht vom gewünschten Erfolg gekrönt ist. Eine kürzlich erschienene Studie rund um die Fischereibiologen Dr. Christian Skov (Dänische Technische Universität in Silkeborg) und Prof. Dr. Robert Arlinghaus (Humboldt-Universität zu Berlin und Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei), erschienen im Fachjournal North American Journal of Fisheries Management (Band 31: S. 1177-1186), belegt nun diese Vermutung wissenschaftlich und bietet Erklärungsansätze.
Besatzhechte finden keine Nahrung
Viel hilft nicht immer viel. So könnte man das Ergebnis der dänisch-deutschen Studie zusammenfassen. Bei einem Feldversuch wurden im Mai 5.500 markierte Hechte von durchschnittlich 42 Millimeter Größe in einen natürlichen dänischen Flachwassersee ausgesetzt. Das 31 ha große Gewässer verfügte bereits über eine sich selbst vermehrende Hechtpopulation. Ziel war es herauszufinden, wie die Besatzfische in der neuen Umgebung zurechtkommen und wie schnell sich die Tiere vom Aussetzort entfernen, um das Gewässer zu besiedeln. Dazu wurden von Mai bis August acht Probe-Befischungen durchgeführt. Sowohl bei den besetzten Winzlingen als auch bei den wilden Altersgenossen untersuchten die Forscher Mageninhalte, Wachstum und Verbreitung. Die Ergebnisse: Die besetzen Minihechte verbreiteten sich zunächst über den gesamten Schilfgürtel des Sees und legten dazu teilweise weite Distanzen von mehreren Hundert Metern zurück. Überraschenderweise schwammen die kleineren Exemplare mehr als die größeren. Dies kann als Verdrängungseffekt der Schwächeren aus den bevorzugten Standorten im Pflanzenbewuchs und als Suche nach Einständen interpretiert werden. Ferner zeigte sich, dass die Satzhechte im Vergleich zu ihren im See beheimateten Konkurrenten weniger erfolgreich bei der Nahrungssuche abschnitten. Magenspülungen belegten, dass sich die Tiere aus der Zucht einseitiger und von weniger Nahrungsorganismen ernährten. Auch gab es bei den Besatzhechten mehr leere Mägen zu verzeichnen. So war es wenig verwunderlich, dass die Tiere der ursprünglichen Seepopulation weitaus besser wuchsen. Im August war der Anteil gefangener Besatzhechte im Fang schließlich drastisch gesunken: Während acht Tage nach dem Besatz die Zuchthechte noch fast 68 Prozent aller gefangenen Junghechte ausmachten, waren es drei Monate später nur noch 12,5 Prozent. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass die fremden Hechtbabys einfach aus dem Untersuchungsgebiet abwanderten. In Anbetracht der dürftigen Mageninhalte scheint es jedoch wahrscheinlicher, dass die meisten die Sommermonate nicht überlebten.
Setzlinge mit wenig Chancen
Für die Ergebnisse haben die Forscher drei Erklärungsmöglichkeiten. Die erste könnte mit dem Ausdruck „genetischer Heimvorteil“ übersetzt werden. Die Elterntiere der gezüchteten Satzhechte stammten aus einem 130 km entfernten Nachbarsee. Dieser weist andere ökologische Beschaffenheiten auf als das Besatzgewässer. Es ist daher möglich, dass die heimische Brut genetisch besser an die Bedingungen in ihrem See angepasst war und es ihr so ein Leichtes war, sich gegen die fremden Fische durchzusetzen.
Unabhängig von den Genen könnten aber auch die speziellen Aufzuchtbedingungen Grund für das schlechtere Abschneiden der Besatzfische sein. Für die Vermehrung der Hechte wurden Samen und Eier von 25 Wildtieren vermischt und nach alter Zuchttradition in speziellen Brutgläsern befruchtet. Nach dem Schlupf wurden die Fische dann 15 Tage in hoher Dichte in Brutbecken gehalten. Die Wissenschaftler halten es für möglich, dass sich die unnatürlich hohe Zahl der Individuen auf engem Raum in den ersten Entwicklungstagen nachteilig auf die frühe Larvenentwicklung auswirkte. Es ist z.B. denkbar, dass dadurch das Erlernen wesentlicher Verhaltensweisen erschwert wurde. Solcherlei Anpassungseffekte durch hohe Satzfischdichte, die auf reinen Erfahrungswerten basieren und keine genetische Ursache haben, wurden bereits bei forellenartigen Brütlingen nachgewiesen, die nur wenige Tagen und Wochen in unnatürlicher Umgebung gehalten wurden. Beim Hecht besteht hierzu jedoch noch Forschungsbedarf.
Schließlich könnte der fehlende Besatzerfolg in der starken Konkurrenz mit den natürlich aufkommenden Tieren im Besatzgewässer begründet sein. So lässt die rasche Verbreitung der besetzen Hechte über den gesamten See darauf schließen, dass die Neulinge Schwierigkeiten hatten, ihren Standplatz im See zu finden und sie z.B. einem starken sozialen Stress ausgesetzt waren, der sie so stark schwächte, dass sie langfristig nicht überlebten.
Besatz nur bei beeinträchtigter Fortpflanzung sinnvoll
Die Ergebnisse zeigen insgesamt, dass der traditionelle Besatz junger Hechte in sich natürlich reproduzierende Bestände kein geeignetes Mittel zur Stützung oder Erhöhung der Population ist. Andere Studien haben gezeigt, dass Hechtbesatz immer dann erfolgreich ist, wenn die natürliche Fortpflanzung fehlt oder stark eingeschränkt ist. In einem natürlichen oder naturnahen See lässt sich die Bestandsgröße durch Besatz langfristig jedoch kaum erhöhen, zumal die Reproduktionsfähigkeit in der Regel nicht das Problem dieses sehr fruchtbaren Fisches ist. Beim Hecht ist die Abhängigkeit von Pflanzen die Achillesferse des unerschütterlichen Jägers. Denn die Menge an verfügbaren Laichplätzen, Versteckmöglichkeiten in Pflanzen und nicht zuletzt von Beutetieren bestimmt die Anzahl an Hechten, die ein See oder Flussabschnitt tragen kann. Wenn bereits eine sich selbst vermehrende Population von Esox lucius in einem Gewässer lebt, kann Besatz mit Junghechten demnach sinnlos sein. Möglicherweise lassen sich diese Erkenntnisse auf andere natürlich reproduzierende Fischarten wie Zander oder Forelle übertragen. Der Einfluss ökologischer Faktoren und eventueller Zuchteffekte auf den Erfolg von Fischbesatz als traditionelle Maßnahme der Gewässerhege sollte künftig stärker untersucht werden. In Deutschland forscht daran die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte interdisziplinäre Nachwuchsforschergruppe Besatzfisch (www.besatz-fisch.de) am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei Berlin in Kooperation mit Angelvereinen. Die Feldstudie in Dänemark ist eine Frucht dieses Projektes.
Quelle: Skov, C., Koed, A., Baastrup-Spohr, L., Arlinghaus, R. (2011): Dispersal, growth, and diet of stocked and wild northern pike fry in a shallow natural lake, with implications for the management of stocking programs. North American Journal of Fisheries Management Band 31, S. 1177-1186.
-Forschungsverbund Berlin-