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Freispruch für Schwarzangler

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Eine unglaubliche Geschichte aus Ostfriesland, von Matze Koch.

12.06.2008

Eigentlich hatte die ganze Sache routinemäßig begonnen, als zwei Fischereiaufseher des BVO (Bezirksfischereiverband für Ostfriesland) auf dem Timmeler Meer mit ihrem Elektroboot eine Kontrollfahrt machten. Eine einzelne Person in einem Ruderboot warf in klassischer Manier einen Gummifisch aus und war eines der Ziele der Aufseher. Papiere konnte er keine vorweisen. Die habe er im Wagen gelassen, stellte sich heraus. Eigentlich schon ein Fall für ein Bußgeld, aber freundlich wie unsere Aufseher sind, erklärten sie sich bereit, ihn zum Wagen zu begleiten, um die erforderlichen Papiere einsehen zu können. Just in diesem Moment überlegte es sich der Angler jedoch anders. Er würde gerade an einem Fischerei-Lehrgang teilnehmen und nur das Werfen üben. Aufgrund dieser phantasievollen Ausrede wurden die Personalien festgestellt, es kam zur Anzeige. Vor dem Amtsgericht Aurich sah man sich am 8. Mai 2008 wieder. Nachdem die junge Richterin den Vater des Angeklagten zur Ordnung rufen musste, weil er sich für einen Anwalt hielt, begann die Verhandlung, bei der der Schwarzangler der Richterin überraschend einen Gummifisch präsentierte. Ein dicker Schlauch war über den Haken geschoben, ein Fangen von Fischen so unmöglich, wie auch die staunenden Aufseher auf Nachfrage bezeugen mussten. Genauso habe er auch auf dem Binnensee geangelt, mit ebendiesem Schlauch über dem Haken, um einzig und allein das Werfen üben zu können, behauptete der Mann allen Ernstes. Warum er das nicht an Ort und Stelle gleich gesagt, und sogar anfänglich noch behauptet habe, er sei im Besitz eines Angelscheines, diese Antwort blieb der junge Mann allerdings schuldig. Ebenso wie die naheliegende Frage, warum man zum „Werfen üben“ mit dem Boot auf einen See hinaus fahren muss. Dann stellte die Richterin den staunenden Fischereiaufsehern die entscheidende Frage: „Haben sie den Gummifisch am fraglichen Tag genau begutachtet, und festgestellt, dass sich der Schlauch NICHT über dem Haken befand?“ Nein, dass hätten sie nicht getan, das sei auch unüblich, antworteten die ehrlichen Aufseher. Damit gab es wohl für die deutsche Justiz keinen Zweifel mehr: Einstellung des Verfahrens. Die Vorstellung, wie in Zukunft eine Kontrolle stattfinden soll, wurde natürlich nicht mehr geklärt, denn im Grunde ist dies Urteil eine Einladung zum Schwarzangeln. Schließlich braucht der schlaue Schwarzangler ab sofort – sobald ein Aufseher in Sichtweite kommt – nur einen Korken auf seinen Haken zu stecken, und schon verwandelt er sich in einen „Wurfübenden in Vorbereitung auf die Fischerprüfung“. Satire, die das Leben schrieb. Einen letzten Tiefschlag musste der größte Angelverein Deutschlands am Ende noch hinnehmen, denn der Angler war tatsächlich Lehrgangsteilnehmer, bestand die Prüfung und wurde Mitglied im BVO. Es gab keine rechtliche Handhabe dem entgegenzuwirken, zudem der Täter nicht vorbestraft war. Wie gut, dass Justitia blind ist, wenn die arme Frau alles sehen müsste was so geschieht… Matze Koch Info: Im Niedersächsischen Fischereigesetz ist Schwarzangeln folgendermaßen definiert: „Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig an oder auf Gewässern, in denen er nicht zum Fischfang befugt ist, Fischereigeräte fangfertig mitführt.“

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