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Fischpass in Geesthacht setzt Maßstäbe

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Schon über 100 Lachse haben seit August 2010 den neuen Fischpass an der Staustufe Geesthacht als Wanderhilfe genutzt. Bild: Institut für angewandte Ökologie (IFÖ)
Schon über 100 Lachse haben seit August 2010 den neuen Fischpass an der Staustufe Geesthacht als Wanderhilfe genutzt. Bild: Institut für angewandte Ökologie (IFÖ)

Am neuen Fischpass an der Elbestaustufe Geesthacht wurden bereits über 200.000 wandernde Fische registriert. Wissenschaftler hatten ein völlig neues Konzept für die Anlage erarbeitet.

Die neue Aufstiegsanlage besteht aus 49 groß dimensionierten Einzelbecken. Bildquelle: Vattenfall

Europas größter Fischpass, so der Betreiber Vattenfall, hat an der Elbestaustufe bei Geesthacht seinen Betrieb seit August 2010 aufgenommen. Dass dieses Vorzeigeobjekt gebaut werden konnte, verdankt es dem Bau des neuen Kraftwerks Moorburg bei Hamburg. Der millionenschwere Fischpass ist eine Naturschutzmaßnahme im Rahmen des Kraftwerksbaus. Die neue Anlage am Nordufer der Elbe ermöglicht allen stromaufwärts wandernden Fischen den Zugang zum gesamten Elbesystem und unterstützt damit sowohl die Wiederansiedlung von Arten, die bereits einmal in der Elbe heimisch waren, als auch die Entwicklung aller Fischarten in der Elbe. Aber auch der Abstieg der Fische wird durch diese Anlage möglich und gewährleistet.

Freie Fahrt für den Elbefisch

Mit der Errichtung der neuen Fischaufstiegsanlage am Wehr bei Geesthacht leistet der Energieerzeuger Vattenfall einen bedeutenden Beitrag zum Schutz des Lebensraums Elbe: Dieses Wehr, 35 Kilometer stromaufwärts vom Standort des Kraftwerks Moorburg entfernt, behindert als ein­ziges Wanderhindernis in der deutschen Elbe den Aufstieg von Fischen und Neunaugen. Ein gerin­ger Teil der Wanderfische konnte bisher den in den 1990er Jahren errichteten Fischaufstieg am Südufer auf seinen Weg stromaufwärts nutzen. Die neue Fischaufstiegsanlage am Nordufer bietet erstmals insbesondere den schwimmschwachen und großen Arten einen geeigneten Wanderkorridor.

Hilfestellung für Wanderer

Auch wanderwillige Flussneunaugen werden in Becken kurzfristig gehältert und gezählt. Bild: Institut für angewandte Ökologie (IFÖ)

Unpassierbare Stauanlagen können weitreichende Folgen für das Leben der Fische haben: Auf der Suche nach Nahrung, geeigneten Laich- und Aufwuchsgebieten sowie Schutzzonen für die Wintermonate führen Fische Ortswechsel über größere Distanzen durch. Bei Arten, deren Aufwuchs- und Fortpflanzungsgebiete sowohl im Meer als auch im Süßwasser liegen, können solche Wanderhindernisse sogar die Ursache für das Aussterben sein. Deshalb sind wandernde Arten wie Fluss- und Meerneunauge, Atlantischer Stör, Lachs, Nordseeschnäpel und Aal stark gefährdet.

Die neue Fischaufstiegsanlage in Geesthacht verbessert die Durchgängigkeit zwischen Tide- und Unterelbe erheblich – weitaus mehr Fischen ist es in Zukunft möglich, das Wehr in Geesthacht zu überwinden. Die Anlage trägt so maßgeblich zu einer überregionalen Verbesserung der fisch- und gewässerökologischen Situation im Flusssystem Elbe bei.

Die Ansprüche an die Anlage in Geesthacht waren außergewöhnlich. Die Auffindbarkeit der Fischaufstiegsanlage musste nicht nur an mindestens 300 Tagen im Jahr, sondern gleichermaßen bei Tideniedrig- und bei Tidehochwasser gewährleistet sein. Grundsätzlich sind die Bedingungen für die Auffindbarkeit einer Fischaufstiegsanlage durch die Fische am Prallhang günstiger.

Da in Geesthacht allerdings auf dieser Uferseite im Jahr 1998 ein Umgehungsgerinne erbaut worden ist, stand für die neue Fischaufstiegsanlage nur das gleithangseitige Ufer zur Verfügung. Dieser Nachteil musste durch eine optimale Positionierung des Einstiegs in die neue Fischaufstiegsanlage unmittelbar am Wehrfuß sowie eine tideunabhängige, stets gut wahrnehmbare Leitströmung soweit wie möglich kompensiert werden. Daneben waren große Anstrengungen erforderlich, um die Passierbarkeit des neuen Fischpasses sowohl für die schwimmschwächsten, als auch die größten Arten und Exemplare sicher zu stellen.

Stinte-Zählen: Sogar wandernde Kleinfische werden mengenmäßig erfasst. Bild: Institut für angewandte Ökologie (IFÖ)

Daraus ergab sich die Anforderung, dass jedes der Becken der Aufstiegsanlage dreimal so lang wie ein aufsteigender Atlantischer Stör, jeder Schlitz dreimal so breit wie die Dicke eines solchen Exemplars und die Wassertiefe mindestens dreimal so tief, wie seine Körperhöhe sein muss. Ferner musste die maximale Wasserspiegeldifferenz zwischen den Becken soweit begrenzt werden, dass die daraus resultierenden Fließgeschwindigkeiten im Bereich der Schlitze von den leistungsschwächsten Arten wie Stint, Kaulbarsch und Ukelei durchschwommen werden können. Andererseits galt es konstruktiv sicher zu stellen, dass die Fließgeschwindigkeit im Wanderkorridor zu keiner Zeit 0,3 m/s unterschreitet, damit sich aufwanderwillige Fische über die gesamte Länge der Fischaufstiegsanlage anhand der Strömung orientieren können.

Besondere Rücksicht bei der Konzeption des Bauwerkes wurde auf die wandernden und in ihrem Bestand gefährdeten Aale gelegt. So wurden zusätzlich vier Aalleitern eingebaut, die mit Borsten ausgestattet und von oben mit Gittern geschützt sind. Außerdem wurde eine besondere Monitoringstation für diese Fische eingerichtet. Hier münden alle Aalleitern in einem geräumigen Hälterbecken und die Fische können nach Größenklassen erfasst und registriert werden. Anschließend werden sie wieder im Oberwasser in die Freiheit entlassen.

Prämie für Transponder

Zusätzlich können über 18 eingebaute Half-Duplex-Antennen an der neuen und sechs an der alten Anlage auch Fische erfasst werden, die zuvor mit kleinen Transpondern ausgestattet wurden. Durchschwimmt ein Fisch mit Sender eine Antenne, wird er automatisch erkannt und per Computer registriert.

Jährlich werden in Geesthacht etwa 10.000 Fische mit kleinen Mikrochips versehen und circa zwei Kilometer elbeabwärts wieder ausgesetzt. So erhofft man sich wichtige Aufschlüsse über das Wanderverhalten der verschiedenen Fischarten. Die Fischer und Angler entlang der Elbe wurden über die Markierung der Fische mittels Transponder informiert. Für jeden zurückgeschickten Sender gibt es eine Prämie von 20 Euro. Dieser kann entweder beim Monitoringteam an der Staustufe abgegeben werden. Zudem sind Informationen über Fangort, Datum sowie Größe und Gewicht des gefangenen Fisches hilfreich.

Schnäpel und Lachs sind da

Maßstäbe setzt eine besondere Fanganlage am Fischpass mit der alle aufwandernden Fische schonend erfasst werden können. Die Fangreuse wurde besonders geräumig konstruiert ( 3×4 Meter und 1 Meter hoch), damit man später auch Störe mit ihr erfassen kann, ohne dass diese Schaden nehmen. Diese Reuse wird täglich zweimal geleert. Bei Bedarf sind die Kontrollintervalle kürzer. Die Fische werden gezählt und nach Arten erfasst und registriert.

Inzwischen hat der Aufstieg seit seiner Fertigstellung seine Funktionstüchtigkeit unter Beweis gestellt. Von August 2010 bis Januar 2011 stiegen circa 80.000 Exemplare von 34 Arten auf. Darunter zum Beispiel über 6.000 Aale, 66.429 Flussneunaugen, 469 Aalquappen, über 135.000 Stichlinge, über 6.000 Stinte, 100 Lachse, 74 Meerforellen, sechs Meerneunaugen und drei Nordseeschnäpel.

Von August 2010 bis April 2011 waren es insgesamt sogar über 240.000 Fische. An der alten Anlage am Südufer stiegen im gleichen Zeitraum nur über 13.000 Fische auf. Zum Vergleich: Andere Fischaufstiegsanlagen in Deutschland bringen es im ganzen Jahr auf 25.000 Individuen.

Platz genug für den Stör

Die neue Fischaufstiegsanlage bei Geesthacht hat eine Gesamtlänge von 550 Metern. Der Höhenunterschied zwischen Unter- und Oberwasser beträgt maximal vier Meter. Der Aufstieg besteht aus 49 einzelnen Becken, dessen Trennwände die Fische jeweils links und rechts durch einen 1,20 Meter breiten, senkrechten Schlitz passieren können. Jedes Becken ist 16 Meter breit und neun Meter lang. Damit ist die Grundfläche der Becken zehnmal so groß wie beim Fischpass an der Staustufe Iffezheim am Rhein. Eine Wassertiefe von mindestens 1,75 Metern bietet auch aufwandernden Atlantischen Stören ausreichend Raum für Schwimmmanöver. In den groß dimensionierten Becken finden alle Fische während ihres Aufstiegs angemessene Ruhezonen.

Durch Gefällesprünge von nur zehn Zentimetern zwischen den Becken bilden sich auf Länge der gesamten Anlage zwei durchgehende, turbulenzarme Wanderkorridore mit moderaten Fließgeschwindigkeiten. Speziell für Glas- und Steigaale wurden zusätzlich vier Aalleitern installiert, die jeweils aus einer 40 Zentimeter breiten Rinne mit einer bewässerten Bürstenstraße bestehen.

Die Fischaufstiegsanlage wird sowohl hinsichtlich ihrer baulichen Auslegung als auch ihrer technischen Konzeption dem Orientierungs- und Schwimmverhalten aller etwa 100 Neunaugen- und Fischarten der Elbe gerecht.

-Horst Stolzenburg-

Weitere Informationen: www.vattenfall.de/de/fischtreppe-geesthacht.htm

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